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Neuburg-Schrobenhausen: Krisendienst Psychiatrie im Raum Neuburg: Mobile Hilfe rund um die Uhr

Neuburg-Schrobenhausen

Krisendienst Psychiatrie im Raum Neuburg: Mobile Hilfe rund um die Uhr

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    Immer mehr Menschen leiden unter psychischen Krisen. Schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommen die Betroffenen beim Krisendienst Psychiatrie, der ab 1. Februar rund um die Uhr Hilfe durch mobile Einsatzteams anbietet. Den meisten Menschen hilft aber schon ein offenes Ohr.
    Immer mehr Menschen leiden unter psychischen Krisen. Schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommen die Betroffenen beim Krisendienst Psychiatrie, der ab 1. Februar rund um die Uhr Hilfe durch mobile Einsatzteams anbietet. Den meisten Menschen hilft aber schon ein offenes Ohr. Foto: Benedikt Siegert (Symbol)

    Ob Depressionen, Schizophrenie oder Angst- und Persönlichkeitsstörungen: Immer mehr Menschen leiden an psychischen Erkrankungen. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts gerät ein Drittel der deutschen Bevölkerung einmal im Leben in eine seelische Krise. Professionelle Hilfe kann darauf unterschiedlich reagieren. Vielen hilft schon das telefonische Gespräch, andere aber brauchen direkte Hilfe vor Ort. Bereits seit Juli 2019 ist die Leitstelle des Krisendienstes Psychiatrie Oberbayern deswegen rund um die Uhr telefonisch erreichbar. Für direkte Hilfe vor Ort gibt es mobile Einsatzteams. Diese sind seit 1. Februar in den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen, Eichstätt, Pfaffenhofen und der Stadt Ingolstadt ebenfalls Tag und Nacht im Einsatz. In kürzester Zeit können sie im Notfall bei den Betroffenen sein und Hilfe leisten.

    Tag und Nacht sind die mobilen Teams in Neuburg-Schrobenhausen im Einsatz

    „Krisen halten sich nicht an Uhrzeiten oder Dienstzeiten“, begründet Eichstätts Landrat Alexander Anetsberger die Erweiterung. Rechtliche Grundlage dafür ist das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz von 2018, in dem explizit der bayernweite Ausbau der Krisendienste gefordert wird. Umsetzen sollen ihn die einzelnen Regierungsbezirke. Für den oberbayerischen Bezirkstagspräsidenten Josef Mederer, der sich seit über 50 Jahren ehrenamtlich beim Roten Kreuz engagiert, ist das Hauptziel, die Stigmatisierung psychisch Kranker zu beenden. Den Betroffenen sollen stattdessen niedrigschwellige und unkomplizierte Angebote gemacht werden. „Früher wurden die Leute mit Tatütata abgeholt und in Zwangsjacken gesteckt. Heute kommt der aufsuchende Dienst und fragt zuerst, was los ist. Im Notfall gehen die Menschen dann freiwillig mit.“

    Ab 1. März ist der Krisendienst unter einer kostenfreien Telefonnummer erreichbar

    Eine weitere Änderung: Ab 1. März ist der Krisendienst unter einer kostenfreien Telefonnummer erreichbar. Auch vorher mussten die Anrufer lediglich die Telefonkosten bezahlen. Nun wird der Dienst unter der gleichen Nummer für ganz Bayern komplett kostenfrei. „Wir wollen mit der neuen Nummer für Barrierefreiheit sorgen“, sagt Mederer. Wichtig sei ihm, dass bei der Entscheidung zum Anruf das Geld keine Rolle spiele. Und der Bedarf ist groß. Jeden Tag sind es laut des oberbayerischen Bezirkstagspräsidenten im Schnitt ungefähr 140 Anrufe, die bei der Leitstelle in München ankommen. Dort wird dann die jeweils notwendige Hilfe koordiniert.

    Circa 80 Prozent der Anrufenden reiche aber schon die telefonische Beratung und Krisenhilfe, wie die stellvertretende ärztliche Leiterin der Leitstelle, Petra Brandmaier, sagt. Die restlichen 20 Prozent werden entweder in eine ambulante oder stationäre Einrichtung vermittelt oder erhalten in akuten Fällen Hilfe von den mobilen Teams. Das sind circa 150 Einsatzkräfte, die in Zweiergruppen unterwegs sind – seit 1. Februar unter anderem im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen rund um die Uhr. Bis Mitte des Jahres soll das laut Mederer auch für ganz Oberbayern gelten. Die Teams besuchen die Betroffenen zuhause und sind meist innerhalb einer Stunde vor Ort. Ihre Aufgabe ist es vorrangig zu deeskalieren. „Wir tragen keine weißen Kittel und haben auch keine Medikamente dabei“, sagt Alexandra Gorges. Sie leitet die mobilen Einsatzteams in der Region Ingolstadt. „Wir hören erst mal zu und zeigen Verständnis. Wenn die Ohren der Leitstelle nicht ausreichen, kommen die Augen der mobilen Teams dazu. Das Ziel ist immer, einen Klinikaufenthalt zu vermeiden.“ Angesichts dieses Ziels sagt der oberbayerische Bezirkstagspräsident: „Der Erfolg gibt uns recht. Die Zahl der Zwangseinweisungen konnte deutlich reduziert werden.“ Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 1900 mobile Einsätze.

    Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit der Polizei

    Wichtig ist der Krisendienst auch für die Polizei, die in ihrem Alltag mit Menschen mit den unterschiedlichsten psychischen Krisen konfrontiert ist. Das richtig einzuschätzen, ist für die Beamten nicht immer einfach. Typische Beispiele seien Anrufe bei Selbstmordgefahr, sagt der Polizeidirektor des Präsidiums Oberbayern Nord, Oliver Ettges. Beispielsweise benachrichtigt jemand die Polizei, weil er bei einer Bekannten befürchtet, dass sie sich das Leben nehmen will. Sie hat sich dementsprechend geäußert und ist nicht mehr erreichbar. Wenn sich dann aber herausstellt, dass die Bekannte nur bei ihren Eltern ist, sei es für die Beamten schwer einzuschätzen, wie real die Gefahr ist. „Da sitzt man oft zwischen den Stühlen“, sagt Ettges. Umso wichtiger sei die Zusammenarbeit mit dem Krisendienst. Die Zusammenarbeit mit diesem finden laut einer Erfahrungsabfrage die meisten Beamten gut.

    Von links nach rechts: Oliver Ettges, Martin Guth, Alexander Anetsberger, Frank Mronga, Alexandra Gorges, Reinhard Eichiner, Josef Mederer, Petra Brandmeier
    Von links nach rechts: Oliver Ettges, Martin Guth, Alexander Anetsberger, Frank Mronga, Alexandra Gorges, Reinhard Eichiner, Josef Mederer, Petra Brandmeier Foto: Petra Preis

    Ettges stellt aber auch klar, dass es Fälle gibt, bei denen nur die Polizei helfen kann. „Wenn zum Beispiel jemand mit offenen Pulsadern in der Badewanne liegt oder von der Brücke springen will, ist das erst einmal nichts für den Krisendienst.“ Auch wenn es sich inhaltlich bei den Anrufen mittlerweile häufig um die Corona-Krise und ihre Auswirkungen dreht: Zu einem massiven Anstieg an Anrufen habe die Pandemie nicht geführt, wie Brandmeier sagt. Unabhängig davon ist die Zahl aber in den vergangenen Jahren gestiegen, wenn die Gründe dafür auch vielfältig sind. Die Zahl seiner Klienten habe sich in den vergangenen 25 Jahren versechsfacht, wie Frank Mronga, der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes Eichstätt, sagt. Grund dafür seien zum einen die gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen. Aber auch die Bereitschaft, sich zu outen sei gestiegen. Psychische Erkrankungen würden immer weniger als Stigma und Makel, sondern als Krankheit verstanden.

    Hilfe bei psychischen Krisen gibt es bis einschließlich 28. Februar unter der 0180/6553000. Ab dem 1. März gilt dann die kostenfreie Telefonnummer 0800/6553000.

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