Für den zweiten Auftritt des Ensemble del Arte im 30. Jubiläumsjahr hatte sich Dirigent Ariel Zuckermann ein spezielles Programm vorgenommen. Die Streicherserenade in C-Dur, ein romantisch geprägtes Werk von Peter Tschaikowsky, das in sattem Sound vor allem die dunkleren, betörenden Klangfarben der Bratschen, Celli und Bässe immer wieder aufblühen lässt. Und das Stabat Mater von Giovanna Battista Pergolesi für Streicher, Sopran und Countertenor – komponiert 150 Jahre vor Tschaikowskys Opus und von einer ganz anderen musikalischen Welt.
Aus den Feinheiten einer barocken Musiksprache entwickelt Pergolesi die tief elegische, doch auch elegant sublimierte Klage der schmerzensreichen Gottesmutter unter dem Kreuz. Das verlangt vom Orchester eine fast gegenteilige Art des Musizierens als bei Tschaikowsky. Dirigent Ariel Zuckermann löste die Aufgabe, aus beiden Welten mit dem Ensemble und den Gesangssolisten ein rundes, überzeugendes Jubiläumsprogramm zu formen, mit gewohnter Bravour.
Dieser feurige und zugleich feinfühlige Inspirator am Dirigentenpult holt alles aus seinen Musikerinnen und Musikern heraus. Zuckermann hat im direkten Wortsinn seine Leute im Griff und – noch wichtiger – animiert sie gleichzeitig, die Schönheiten der Partitur frei und mit musikaischer Intelligenz auszuspielen.
Das Ensemble del Arte brilliert in Neuburg bei seinem Jubiläumskonzert
Die Musiksprache Tschaikowskys ist oft überwältigend, mit hochemotionalen Ausbrüchen durchsetzt und kann schnell ins Überladene und allzu Schwelgerische hineinführen. Das wäre dann, als würde man einem ohnehin schon expressiven Gemälde noch ein paar zu große Portionen Ölfarbe hinzugefügen. Diese Klippe umschifft das Ensemble del Arte auf beeindruckende Art. Geigen, Bratschen und die vom famosen Cellisten David Tchadaia angeführte Bassgruppe stürzen sich hinein in die Akkord-Gewalt und die Melodienseligkeit der Serenade, beim „Tempo di Valse“ genauso wie in der Larghetto-Elegie oder beim Finale. Sie kosten diese Welten zur Gänze aus, aber sie baden nicht zu wohlig darin.
Im Stabat Mater zeigt das Orchester, dass es eine musikalische (und auch sonst geltende) Weisheit verstanden hat: Weniger kann mehr sein. Virtuoses Können, großes Vibrato, berauschendem Crescendo – das zählt hier nicht und würde die tiefe Elegie, den unermesslichen Schmerz und das im Hintergrund schon mitschwingende Heilsgeschehen des biblischen Stoffs stören. Das Ensemble del Arte nimmt diese „dienende“ Rolle für die beiden Gesangssolisten und für das Gesamtkonstwerk des „Stabat Mater“ an. Edles Piano, feine Abstufung der Dynamik und kurzes Aufblitzen von kleinen Motiven, die der Sopranistin Tehila Nini Goldstein mit eleganter Geste gleichsam in die Hand gereicht werden – das alles ist mehr als gelungen.
Die Sopranistin gestaltet ihre Partien (etwa im „Vidit suum ...“ oder „Sancta Mater...“) mit souveräner Intensität und klug eingesetzter Emotion. Gelegentlich forciert sie ein paar Spitzentöne zu stark, auch hier wäre ein bissschen weniger um einiges mehr gewesen. Im Duett mit dem vorzüglich intonierenden und durchdacht phrasierenden Countertenor Constantin Zimmermann bekommt das Publikum bewegende Klänge zu hören.
Mit der Zugabe, einem tieftrauigen Lied einer Tochter an ihre Mutter mit der Bitte, sie nicht für irgendeine Hochzeit „zu verkaufen“, berührt Tehita Nina Goldstein den ganzen Saal im Innersten. Gewidmet allen Frauen dieser Welt, die noch immer keine Stimme und keine Wahl haben. Der Applaus war vorher stürmisch. Hier war er noch inniger, aber nicht lauter.
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