Auweia, ob das jetzt gut geht? Ganz zum Schluss, am Ende eines berauschenden Abends im Birdland kündigt Oliver Wasilesku ein handfestes Sakrileg an. Den Song, den er und das Trio nun interpretieren würden, kenne wahrscheinlich jeder. Aber nicht vom Jazz. Den Birdland-Insidern schwant Ungemach, der Rest des Auditoriums sitzt erwartungsfroh da, und als der Erste die „Metal Horns“ mit dem ausgestreckten Zeige- und kleinen Finger nach oben reckt, fällt der Blick automatisch auf Impresario Manfred Rehm. Doch der bleibt erstaunlicherweise ruhig. Er hat „Highway To Hell“ in dieser süffig swingenden, fast sanften Version offenbar nicht auf Anhieb erkannt. Und dank Wasilesku und Co. wird einem erst jetzt bewusst, dass der AC/DC-Klassiker eigentlich eine klassische Bluesstruktur besitzt.
Nicht die einzige freche Kapriole, die sich das musikalische Triumvirat im Laufe von extrem kurzweiligen zweieinhalb Stunden traut. Nachdem das Birdland den Dezember zum allergrößten Teil den regionalen Jazztreibenden zur Verfügung stellt, lohnt gerade bei diesem Konzert einmal der Selbstversuch: Augen zu und nur die Musik wirken lassen. Jede Wette, dass ein Großteil vermuten würde, dass die drei da oben eigentlich an der Upper West Side von Manhattan zu Hause sein müssen, so routiniert, teils virtuos und eingespielt wie ein Motor agieren sie doch gerade. Typisch Amerikanisch also? Von wegen! Oliver Wasilesku (Piano), kommt aus Neuburg und betreibt die älteste Musikschule am Ort, Christof Zoelch, der griffige Altsaxofonist, sowie Ulrich Schiekofer, das Uhrwerk am Kontrabass, stammen beide aus Eichstätt und unterrichten an der Katholischen Universität beziehungsweise am Gabrieli-Gymnasium.
Birdland Neuburg: Wasilesku, Zoelch und Schiekofer experimentieren mit Genres
Dass Wasilesku, Zoelch und Schiekofer diesmal ohne Schlagzeuger, also im Format „Keys, Sax & Bass“, antreten, ist Chance und Glücksgriff in einem. Gerade durch das fehlende Drumset müssen alle drei an der rhythmischen Struktur feilen, so dass ein intensiverer, treibender Swing entsteht. Und vor allem: Sie beherrschen nicht nur ihr Instrument, sondern verstehen es, unaufdringlich viele solistische Akzente zu setzen. Christof Zoelch als einfallsreicher, stilistisch zwischen boppendem Mainstream und modernen rhapsodischen Linien agierender Bläser, Ulrich Schiekofer als stabiler Pulsgeber und Oliver Wasilesku als mit allen Wassern gewaschener, nie um eine Lösung verlegener Elfenbein-Tänzer. Solche Lehrer wünscht man sich, wenn es um die Vermittlung von Musik geht!
Die Auswahl der Themen offenbart überdies Geschmack und Mut, denn vieles dürfte den Fans im Gewölbe zum ersten Mal zu Ohren gekommen sein. Das heitere „Smile“ von Charlie Chaplin, der lakonische „Redʼs Blues“ des Bassisten Red Mitchell, das melancholische „The Cost Of Living“ von Don Grolnick, das perlende „All The Things You Are“, das Wasilesku seinem Vorbild, dem französischen Pianisten Michel Petrucciani, widmet, oder – Achtung, nächste Grenzüberschreitung – „Leise flehen meine Lieder“ aus der Feder von Franz Schuberth. Bei Letzterem treiben die Protagonisten den alten Franz ganz cool im Swing-Galopp vor sich her, ohne sein Werk dabei zu missbrauchen.
Die Minicombo wählt keineswegs den vermeintlich populären, gefahrlosen Weg, sondern geht ganz bewusst Risiken ein, die man von Musikern aus der Region so nicht erwartet hätte. Dafür ernten sie begeisterte Ovationen und gewinnen auf der ganzen Linie, auch mit ihrer „Highway To Hell“-Version, von der aus das Trio direkt in den Swing-Himmel brettert.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden