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Neuburg: Fasten: Neuburgs Klinikseelsorger versucht heuer die härtere Tour

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Fasten: Neuburgs Klinikseelsorger versucht heuer die härtere Tour

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    Die berühmte schwäbische Maultasche soll in Zusammenhang mit einer Lockerung des Fastens stehen, wie es einst 40 Tage lang konsequent ohne Essen praktiziert wurde, um Jesus Christus nah zu sein. Im Nudelteig wurde das Hackfleisch versteckt, damit es der Herrgott nicht sehen kann – die sogenannten „Herrgotts Bscheißerle“.
    Die berühmte schwäbische Maultasche soll in Zusammenhang mit einer Lockerung des Fastens stehen, wie es einst 40 Tage lang konsequent ohne Essen praktiziert wurde, um Jesus Christus nah zu sein. Im Nudelteig wurde das Hackfleisch versteckt, damit es der Herrgott nicht sehen kann – die sogenannten „Herrgotts Bscheißerle“. Foto: picture alliance/dpa

    Herr Pfarrer Tischinger, am heutigen Aschermittwoch beginnt für die Christen die 40-tägige Fastenzeit, die Vorbereitung auf Ostern, auf die Feier des Todes und der Auferstehung Christi. Aber wird denn eigentlich noch richtig gefastet?

    Anton Tischinger: Das ursprüngliche Fasten gibt es mittlerweile nur noch selten. Längst ist aus dem Fasten eher ein Verzicht üben geworden.

    Beschreiben Sie doch einmal das ursprüngliche Fasten.

    Tischinger: Es war von je her der Wunsch des Menschen, Gott auf die Spur zu kommen. Im Lukas-Evangelium heißt es, dass Jesus während seiner 40 Tage in der Wüste mit den wilden Tieren lebte. Es war eine Schicksalsgemeinschaft. So lange nicht essen, da verfällt man in eine Art Delirium, so wie wenn man Drogen eingenommen hat oder etwas anderes, um in Ekstase zu verfallen. Ich finde das schon interessant. Die Menschen legten sich das Fasten auf, um diese spirituelle Erfahrung zu machen, um Gott damit nah zu sein. Das war in dieser Konsequenz bis ins 13., 14. Jahrhundert so.

    Wann hat sich denn an dieser radikalen Art des Fastens etwas geändert?

    Da Fleisch essen während der Fastenzeit verboten war, wurde der Biber Anfang des 15. Jahrhunderts auf dem Konstanzer Konzil kurzerhand zur Fischart erklärt.
    Da Fleisch essen während der Fastenzeit verboten war, wurde der Biber Anfang des 15. Jahrhunderts auf dem Konstanzer Konzil kurzerhand zur Fischart erklärt. Foto: picture alliance/dpa

    Tischinger: Das genau zu sagen, ist nicht möglich. Aber im 15. Jahrhundert fand zum Beispiel die Kirche einen Ausweg, das strenge Verbot, Fleisch zu essen, zu umgehen. Auf dem Konstanzer Konzil erklärte man den Biber kurzerhand zur Fischart und Fisch essen durfte man ja. Später sollen dann die Zisterziensermönche des Klosters Maulbronn in Baden-Württemberg das „Herrgotts Bscheißerle“ erfunden haben. Sie versteckten das Hackfleisch im Nudelteig, damit es der Herrgott nicht sehen konnte. So könnten die berühmten schwäbischen Maultaschen entstanden sein.

    Wer heute ans Fasten denkt, denkt doch vor allem ans Abnehmen...

    Tischinger: Das richtige Fasten, das abstinent Leben, halten heutzutage nur noch wenige durch. Einsiedler vielleicht oder Mönche, die in Orden leben, wo strenge Askese und Enthaltsamkeit geübt wird. Mittlerweile wird die Fastenzeit vor allem durch Verzicht üben geprägt und das Abnehmen dabei ist nur eine Momentaufnahme. Die Pfunde hat man meist schnell wieder drauf.

    Auf was verzichten denn die Menschen so?

    Tischinger: Auf Fernsehen zum Beispiel, oder Rauchen, vor allem aber auf Alkohol. Wobei es mit dem Beginn der Starkbierzeit auch das Starkbierfasten gibt. Aber probieren Sie es lieber nicht aus, vier Wochen lang nur von Starkbier zu leben.

    Welche Formen kann denn Fasten noch annehmen?

    Neuburger Krankenhausseelsorger Anton Tischinger.
    Neuburger Krankenhausseelsorger Anton Tischinger. Foto: Manfred Rinke

    Tischinger: Es geht darum, ein Opfer zu bringen, seine Einstellung zu etwas zu verändern. Zum Beispiel könnte man sich auch 40 Tage lang bewusst sozial für etwas engagieren. Auch das wäre respektabel. Im Krankenhaus biete ich den Mitarbeitern und allen, die es auf der Facebookseite der KJF Klinik St. Elisabeth lesen, in diesem Jahr zum Beispiel das Arche-Noah-Fasten an.

    Was ist damit gemeint?

    Tischinger: Es geht um eine Möglichkeit, der Schöpfung nahezukommen. Es geht darum, uns bewusstzumachen, von was wir uns ernähren, wie Hühner, Schweine oder Rinder leben dürfen, deren Eier und Fleisch wir essen. Wir denken in dieser Zeit bewusst an das Tierwohl, können Zeit dafür investieren, mal einen in dieser Hinsicht vorbildlichen Betrieb anzusehen oder mal einen Biobauern zu besuchen. Wir brauchen die Natur, die Natur braucht uns aber nicht. Um auf die Arche Noah zurückzukommen: Das, was auf ihr gelebt hat, die Tiere, Pflanzen und Menschen, auch das war eine Schicksalsgemeinschaft, wie die bei Jesus und den wilden Tieren in der Wüste. Aus der Schicksalsgemeinschaft auf der Arche entsprang das neuerliche Leben auf der Erde. Dieser Gedanke der Schicksalsgemeinschaft kommt aktuell auch bei der Fridays-for-Future-Bewegung auf.

    Aber heuer könnte man doch eigentlich mal aufs Fasten und Verzicht üben verzichten, oder?

    Tischinger: Warum das denn?

    Weil die Menschen doch wegen der Lockdowns schon genug Verzicht üben mussten: Keine Parties, keine Spieleabende mit Freunden, keine Gaststätten-, Kino- oder Theaterbesuche, kein Fitnessstudio und zuletzt auch nicht mal mehr mit Frau oder Mann, Freundin oder Freund nach 21 Uhr Gassi gehen, sondern nur noch mit dem Hund.

    Tischinger: Das kann ich so nicht als Ersatz gelten lassen. Der Lockdown wurde verordnet und war keine freiwillige Entscheidung, die zu einer spirituellen Erfahrung führen soll. Aber bevor jemand durch die auferlegten Einschränkungen depressiv wird, könnte er sich bewusst einer inneren Reinigung hingeben, das kann ungemein viel bringen.

    Aber sollten die Hygienemaßnahmen während der Fastenzeit gelockert werden, hätten sie Verständnis dafür, dass Menschen sich wieder treffen, um gemeinsam ordentlich einen drauf zu machen?

    Tischinger: Das ist jedem seine eigene Entscheidung. Wenn es einem guttut, ist das in Ordnung. Fasten, Verzicht zu üben, darf kein Muss sein, sondern ein ganz bewusster Schritt.

    Wie verbringen Sie denn die Fastenzeit in diesem Jahr?

    Tischinger: Ich versuche für mich heuer tatsächlich die härtere Tour und fange mal mit Heilfasten an. Entspannen im Lockdown geht vielleicht besser als sonst. Wobei der Lockdown nichts mit meinem Weg zu tun hat, das ist meine eigene Entscheidung. Mal schaun, ob ich vielleicht sogar die ganzen 40 Tage mit Gemüsebrühe durchhalte...

    Zur Person:

    Anton Tischinger ist 72 Jahre alt und in Augsburg geboren. Seit neun Jahren arbeitet er an der KJF Klinik St. Elisabeth in Neuburg als Krankenhausseelsorger. In der Pfarreiengemeinschaft St. Peter und Heilig Geist arbeitet er immer gerne als Aushilfe mit.

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