Ein Mann, der zur Belustigung gerne mal die Hosen herunterlässt. Eine Frau, die das nicht absonderlich findet. Zwei minderjährige Mädchen, die vom Freund des Vaters begrapscht worden sein sollen. Und Zeugen, die sich an ihre eigenen Aussagen gegenüber der Polizei nicht mehr erinnern können. Das sind die Zutaten für einen Fall, der am Dienstag vor dem Neuburger Amtsgericht verhandelt wurde - und der Einblicke in eine seltsam-irritierende Beziehung gab.
Der Angeklagte zittert, als Richter Gerhard Ebner die Verhandlung eröffnet. "Ich habe Angst", sagt er und hält den Kopf tief gesenkt. In dieser Haltung wird er während des mehrstündigen Prozesses verharren, in dem herausgefunden werden soll, was genau vor vier Jahren im Hause einer Familie in Neuburg vorgefallen ist.
Dem 50-Jährigen wird vorgeworfen, die beiden zwölf- und 15-jährigen Töchter sowie die Ehefrau seines früheren Arbeitskollegen und guten Freundes bei unterschiedlichen Gelegenheiten an den Brüsten, zwischen den Beinen und am Po begrapscht und weitere sexuelle Begehrlichkeiten gezeigt zu haben. Während die Frau die Übergriffe bestätigt, sie jedoch vor Gericht als harmlos darstellt und abtut ("Er fand das lustig"), gibt es widersprüchliche Aussagen der Mädchen. Der Angeklagte spricht indes von einer "Intrige", die von der Familie initiiert worden sei.
Bei den Besuchen des Norddeutschen in Neuburg ließ der Mann angeblich öfter die Hosen runter
Der Mann, der aus dem Norden der Bundesrepublik kommt, war ein gern gesehener Gast, der mehrfach im Jahr seinen Freund und dessen Partnerin in Neuburg besuchte. Es muss den Aussagen nach wohl immer recht gesellig und leger zugegangen sein. Man spielte Karten, kochte zusammen, schaute Filme - und bei all dem fehlte es nie an Alkohol. Die Stimmung war enthemmt, was sich offenbar auch auf das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Frau seines Freundes auswirkte. Ein Griff von hinten unter die Bluse oder verbale sexuelle Anspielungen irritierten die Frau offenbar nicht. "Ich hab das nicht ernst genommen", sagt sie. Selbst als sie erzählt, dass er "öfter mal die Hose runtergelassen" habe, auch wenn Freunde zu Gast waren, klingt das aus ihrem Mund wie nebensächlich. "Er hat halt kein Schamgefühl. Ihm hat das Spaß gemacht."
Die Frau schritt auch nicht ein, als der Gast mit ihr und der jüngeren Tochter ihres Mannes vor dem Fernseher "kuscheln" wollte und er dabei seinen Kopf in den Schoß des Kindes legte. Seine Hand unter der Decke auf dem Oberschenkel des Mädchens bemerkte sie zwar, wies ihn aber nicht zurück. Später, so sagt sie aus, habe sie ihre Stieftochter gefragt, ob sie in irgendeiner Weise belästigt worden sei. Diese verneint das zunächst, wird das später gegenüber ihrer Stiefmutter aber revidieren. Gleichzeitig gibt es eine Sprachnachricht von ihr an den Angeklagten, in der sie betont, dass "nichts passiert" sei und es ein "ganz normaler Abend" gewesen sei.
Von all den Vorfällen will der Ehemann nichts gewusst haben. Er kann sich auch nicht daran erinnern, dass sein Freund aus Norddeutschland drei Jahre zuvor schon negativ bei einer Feier aufgefallen war. Dort hatte er fortwährend eine Verwandte des Neuburgers bedrängt und nach Schilderungen eines Zeugen sogar seinen Kopf in deren Dekolleté gerieben - bis ihm schließlich Schläge angedroht wurden, wenn er sein Gebaren nicht sofort einstelle.
Neuburger erstattet Anzeige wegen sexueller Belästigung gegen den Willen der Betroffenen
Im Juni 2020 erstattete der Neuburger schließlich Anzeige wegen sexueller Belästigung. Seine Frau und seine Kinder hatten ihm erzählt, dass es zu unterschiedlichen sexuellen Übergriffen gekommen sei, wollten allerdings nicht, dass er dies der Polizei meldet. Seinen Freund stellte er nie zur Rede, gab der Neuburger vor Gericht an. Welches Verhältnis die Kinder und seine Frau zu dem Norddeutschen haben, blieb am Prozesstag undurchsichtig. Die Verteidigung sprach von einem ausführlichen Whatsapp-Kontakt zwischen der Frau und dem Angeklagten mit teils eindeutig sexuellen Inhalten, und auch eine der Töchter bittet ihn in einer Nachricht: "Red mit Papa nochmal, es war einfach ein Missverständnis."
Die Verhandlung wird in drei Wochen fortgesetzt. Dann sollen auch die beiden Mädchen zu den Vorfällen befragt werden.