„Mein lieber Schwan“ lautete nicht nur der Titel der musikalischen Komödie, sondern auch der Ausruf der beiden Hauptfiguren als sie in „Wippelsdorf“ alias Neuburg die Bühne des Stadttheaters betraten und dort einen riesigen Schwan vorfanden.
Im Zusammenhang mit einer europaweiten Rechts-Radikalisierung – derzeit bedrohlich nah in Österreich - bekam das überwiegend komische Stück von Jan Demuth eine erschreckend aktuelle Bedeutung. Auf der Bühne, also im Musikverein Walhalla Wippelsdorf e.V., sollte eigentlich eine konzertante Aufführung von Wagners Nibelungenring stattfinden. Doch die beiden mit Auftrittsverbot belegten Künstler, Adele Würmeling und Herwarth Moksch, sind Opfer eines Irrtums, einer Fehlbuchung geworden und eigentlich der leichten, im Jahr 1936 längst verfemten Muse verpflichtet.
Jetzt müssen sie als arische Opernsänger Kirsten Flagstad und Helge Rosswänger die Geschichten von Siegfried, Brünnhilde, Hagen, Zwerg Alberich, Wotan und allen anderen Nibelungen-Helden mimen und vor allem singen. Zum Repertoire gehören zahlreiche Schlager der 20er- und 30er-Jahre, keine Opern. Doch das geht, denn laut Herwarth (Konstantin Morath) sind bei Wagner die Arien raus und die Arier rein. Seine treue Partnerin Adele (Maria Helgath) schickt sich tapfer in ihr Schicksal. Verwirrung und Probleme vorprogrammiert.
Neuburger Stadttheater: "Mein lieber Schwan" überzeugt mit bedrückender Aktualität
Die beiden Schauspieler Maria Helgath und Konstantin Moreth rissen ihr begeistertes Publikum gleichsam mit in dieses höchst komödiantische Wechselspiel vor monströsem Schwan. Sie wechselten beständig die Rollen, die Haartracht und sangen begeisternd, mitreißend, bewegend und sehr gekonnt bekannte und weniger bekannte Schlager von Friedrich Hollaender, Ralph Benatzky, Oscar Straus und Werner Richard Heymann. Übrigens alles Künstler, die - von den Nazis verfolgt - Deutschland und schließlich sogar Europa verlassen mussten. Das tat aber dem zeitgenössischen Erfolg von „Das ist ein Freund, ein guter Freund“, „Das gibt‘s nur einmal“ oder – hier phantasievoll variiert „Ich bin von Kopf bis Floss auf Liebe eingestellt“ keinerlei Abbruch.
Auch als die Sorge der beiden Künstler vor den Nazi-Schergen von Wippelsdorf oder auch anderswo immer größer wurde, wirkte die wunderbare Musik mit den Musikern Stephan Reiser (Saxophon/Klarinette), Karsten Gnettner (Bass) und Daniel Eppinger (Piano) meist tröstlich leicht, zum Mitsingen verlockend. Ein letztes Mal wandert Wotan über die Welt, betrachtet die Leiden – der Vorhang fällt. Großer Applaus! Hinter der Bühne zwei Schüsse…
Und wehret den Anfängen, damit es nicht so weit kommt. Nicht in Wippelsdorf und nicht irgendwo, denn laut Brecht: Der Schoß ist fruchtbar noch!
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