Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Neuburg: Betreten auf eigene Gefahr? Öffnung der Wege im Englischen Garten wird geprüft

Neuburg

Betreten auf eigene Gefahr? Öffnung der Wege im Englischen Garten wird geprüft

    • |
    Amazonas oder Englischer Garten? Gerhard Grande von der Unteren Naturschutzbehörde steht auf einem der bislang gesperrten Wege unter einem zur Hälfte umgestürzten Baum.
    Amazonas oder Englischer Garten? Gerhard Grande von der Unteren Naturschutzbehörde steht auf einem der bislang gesperrten Wege unter einem zur Hälfte umgestürzten Baum. Foto: Reinhard Köchl

    Die Zeichen stehen auf Kompromiss. Und es wäre tatsächlich die Erfüllung eines Herzenswunsches aller Spaziergänger, Jogger und anderer Englisch-Garten-Fans, die sich in den vergangenen drei Jahren über die errichteten Sperrungen ihrer Lieblingsgehwege ziemlich ärgern mussten. Derzeit nämlich prüfen die Stadt Neuburg, der Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) und die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt, ob die Baumstämme in absehbarer Zeit wieder verschwinden können. 

    Grundlage dafür ist das sogenannte Hexenstieg-Urteil, bei dem ein Mann nach schweren Verletzungen, die er 2018 auf dem Harzer Wanderweg durch einen umstürzenden Baum erlitt, auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 Euro geklagt hatte. Im September 2023 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) nun in letzter Instanz, dass Besucher einen Wald grundsätzlich auf eigene Gefahr betreten würden und auf Waldwegen mit „waldtypischen Gefahren wie dem Umstürzen abgestorbener Bäume“ rechnen müssten. 

    Ergo: Die für die Verkehrswegesicherung zuständige Stelle – im Fall des Englischen Gartens also die Stadt – ist tatsächlich nicht für eventuelle Unfälle haftbar. „Man müsste halt eine entsprechende Beschilderung anbringen“, zeigt Gerhard Grande von der Unteren Naturschutzbehörde einen der nächsten möglichen Schritte auf und verweist dabei auf Tafeln, die er auf der Insel Herrenchiemsee entdeckt hat und die vor dem Betreten des dort wesentlich größeren Waldgebietes auf den Paragraf 14 des Bundeswaldgesetzes hinweisen. Auch Rechtsrat Ralf Rick bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass die Stadt Neuburg aktuell tatsächlich prüft, ob beziehungsweise in welchem Umfang Wegsperrungen im Englischen Garten zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht noch erforderlich seien. „Die Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht in Waldgebieten ändert sich offensichtlich gerade in Richtung von mehr Eigenverantwortlichkeit der Bürger“, hat Rick festgestellt. 

    Stadt Neuburg prüft Öffnung der Wege im Englischen Garten

    Gleichwohl gibt sich der berufsmäßige Stadtrat noch etwas zurückhaltend und spricht von einem „komplexen Problem“, das die Stadt mit dem Eigentümer, dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) und der Unteren Naturschutzbehörde lösen muss. Um eine Beschilderung mit entsprechenden Gefahrenhinweisen werde man jedoch kaum herumkommen, meint Rick. Beim WAF rennt er damit offene Türen ein. „Wir begrüßen diese Entwicklung ausdrücklich“, betont Forstdirektor Peter Niggemeyer, „denn wir wollten ja die Menschen nie aus dem Englischen Garten heraushalten.“ Das gemeinsame Ziel, so Niggemeyer, müsse nun sein, eine gute Lösung zu finden, die sowohl den Erwartungen der Bürger entspreche, aber auch die Sicherheit der Bürger sowie die Interessen der Waldwirtschaft und des Naturschutzes berücksichtige. 

    Solche Schilder könnten künftig auf die Gefahren des Waldes hinweisen.
    Solche Schilder könnten künftig auf die Gefahren des Waldes hinweisen. Foto: Gerhard Grande

    Der Hauptgrund dafür, dass in jüngerer Vergangenheit immer mehr Gehwege im Englischen Garten gesperrt werden mussten, liegt vor allem im Eschentriebsterben, einer schweren Baumkrankheit, die durch einen aus Ostasien eingeschleppten Pilz sukzessive alle Eschen befällt und diese langsam absterben lässt. Entweder bleiben die Bäume dann stehen und dienen Tierarten als Lebensraum, oder sie fallen einfach um. 

    Bürger könnten mehr Verantwortung für Nutzung der Waldwege bekommen

    In den vergangenen Jahren habe es im Stadtgebiet mehrere Zwischenfälle mit herabfallenden Ästen – einer davon auch im Englischen Garten – und nachfolgende zivilrechtliche Klagen gegeben, die zum Glück nur Sachschäden verursachten, berichtet Ralf Rick. Aus diesem Grund schlägt Gerhard Grande vor, die beiden Hauptwege des Englischen Gartens zur Siedlung am TSV-Sportplatz künftig weiter offiziell auszuweisen und zu pflegen, während bei den kleineren lediglich die Sperrungen entfernt und stattdessen Warntafeln aufgestellt werden könnten. „Denn die Menschen gehen ansonsten einfach um die Baumstämme herum und suchen sich neue Trampelpfade. Vieles hat sich da in den vergangenen Jahrzehnten zur Gewohnheit entwickelt.“ Bei den „wilden Passagen“ dürften dann logischerweise auch keine Bänke, Spiel- sowie Trimmgeräte aufgestellt werden, sagt Grande. Denn neben einer Neubewertung der Haftungsfrage will er auch die kranken oder toten Eschen so lange wie möglich erhalten, weil diese eben als wertvolle Habitate für Tierarten gelten. 

    Gerhard Grande versteht die bislang eher defensive Reaktion der Stadt und von Oberbürgermeister Bernhard Gmehling ausdrücklich. Aber angesichts des großen Eschenanteils im Englischen Garten und den absehbaren Konsequenzen daraus stehen die Verantwortlichen jetzt vor der Frage, immer mehr Wege abzusperren oder eine pragmatische und vor allem rechtssichere Lösung zu finden. Eines ist für Grande angesichts des dramatischen Baumsterbens inzwischen längst klar: „Der Englische Garten ist ein Wald und kein Park!“ Für den es, darin sind sich er und Peter Niggemeyer einig, möglichst noch in diesem Jahr gelte, ein eigenes Wegekonzept zu verabschieden und zu realisieren.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden