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Neuburg: 100.000 Euro zu vererben – Ermittlerin sucht nach Abnehmer

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100.000 Euro zu vererben – Ermittlerin sucht nach Abnehmer

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    Roswitha Hundegger bei der Arbeit. Bei ihrer Suche nach Erben studiert sie auch Familienstammbäume.
    Roswitha Hundegger bei der Arbeit. Bei ihrer Suche nach Erben studiert sie auch Familienstammbäume. Foto: Marcel Rother

    Ein Fall ist Roswitha Hundegger besonders im Gedächtnis geblieben: Im Jahr 2000 hatte eine alleinstehende Frau umgerechnet 100.000 Euro hinterlassen, weit und breit waren jedoch keine Erben zu finden. Da die Frau keine Kinder und keine Geschwister hatte, musste

    Dann beginnen für Roswitha Hundegger die eigentlichen Ermittlungen. Sie forscht in Kirchenbüchern nach Heirats- und Taufurkunden, in Archiven nach Meldebögen und Volkszählungen und durchforstet Vertriebenen- und Auswandererlisten. Führen die Wege der Hinterbliebenen sie ins Ausland, hat sie drei freie Mitarbeiter, die sich in Polen, Tschechien und auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien für sie auf die Suche nach Urkunden und Dokumenten begeben.

    Im Fall der Hinterlassenschaft der alleinstehenden Dame führte die die Spur zunächst nach Russland und zurück ins Jahr 1848. Dem Hochzeitsjahr derer Eltern. Über den Verwandtschaftszweig väterlicherseits verliefen die Ermittlungen jedoch relativ schnell im Sande, da sich in den russischen Kirchenbüchern keine Indizien über weitere Verwandte finden ließe. In der Mutter der Erblasserin fand Roswitha Hundegger jedoch den Schlüssel zum Erfolg.

    Jeder Nachlass erzählt eine eigene Geschichte

    Roswitha Hundegger hat sich schon immer für Familienstammbäume und alte Dokumente interessiert, Seminare und Fortbildungen zu diesem Thema belegt und in ihrer Freizeit gelernt, Fraktur zu entziffern. Fraktur war lange Zeit die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum, mehrmals offizielle Amtsschrift für Drucksachen im Deutschen Reich und wird alltagssprachlich oft als altdeutsche Schrift bezeichnet. Gearbeitet hat sie jedoch lange Zeit in einem ganz anderen Bereich. In ihrem ersten Berufsleben war sie kaufmännische Angestellte. Da durfte sie zwar ebenfalls mit Zahlen hantieren, allerdings konnte sie nicht ihrer eigentlichen Leidenschaft nachgehen: der Genealogie, der Familienforschung.

    Nachdem sie sich genügend Fachwissen auf diesem Gebiet angeeignet hatte, hängte Roswitha Hundegger ihren alten Job nach 20 Jahren an den Nagel und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Sie eröffnete ihr eigenes Erbenermittlungsbüro. Anders, als häufig im Fernsehen dargestellt, besteht ihre Arbeit jedoch nicht darin, an den Türen fremder Menschen zu klopfen und einen Koffer voll Geld zu übergeben. In der Realität ist alles viel komplizierter.

    Als Roswitha Hundegger die Mutter der Erblasserin ausfindig gemacht hatte, stellte sich heraus, dass diese eine Schwester hatte, deren Nachfahren sich bis in die Gegenwart verfolgen ließen. Hier begannen die Ermittlungen von neuem. Was sie bisher hatte, war eine Frau und deren Tochter, die in Hannover lebte. Was ihr noch fehlte, war deren Sohn und Bruder.

    „Ich wusste nur, dass die Familie keinen Kontakt mehr zu ihm hat, weil er angeblich Alkoholiker sei und unter der Brücke lebte“, erzählt Roswitha Hundegger. Und tatsächlich: Bei ihren Nachforschungen stellte sich heraus, dass der Mann seine Wohnung in Hannover im Jahr 1995 verloren hatte und danach nirgends mehr gemeldet war. Über einen Tipp kam sie ihm schließlich auf die Spur. Mitarbeiter eines Cafés, in dem er ab und zu gesehen wurde, gaben ihr den Hinweis auf eine Missionsstation, in der er ab und zu Essen holen solle. Dort konnte sie den Mann schließlich über einen Pfarrer, der die Mission betreute, ausfindig machen und den Kontakt herstellen.

    Bei ihren Ermittlungen erhält Roswitha Hundegger Unterstützung von einem waschechten Polizisten: Josef Hundegger, ihrem Ehemann. Seit seiner Pensionierung hilft er seiner Frau mit seiner kriminologischen Spürnase, beim Stammbaumschreiben oder bei der Post. Oft sitzen sie zusammen und überlegen, was eine Person vor hundert Jahren getan haben könnte, wohin sie gezogen ist und wen sie geheiratet hat. „Jeder Nachlass hat sein eigenes Leben“, bestätigt

    Bis zu fünf Jahre kann ein Fall dauern

    Bis ein Fall gelöst ist, vergehen in der Regel zwischen einem und fünf Jahre. Im Moment bearbeitet Roswitha Hundegger 120 Fälle parallel. Die Höhe der Vermögen bewegt sich dabei zwischen 30000 und 250000 Euro. „Einzelne Fälle liegen darüber, aber für die richtig hohen Summen sind in der Regel auch Erben vorhanden“, erklärt ihr Mann, Josef Hundegger. Ihr Geschäftsmodell sieht so aus: Für die Recherche geht sie in Vorleistung und sobald sie einen Erben ausfindig gemacht hat, vereinbart sie mit ihm eine Provision, die sie erhält, sobald das Erbe tatsächlich ausgeschüttet wird.

    In diesem Fall freuen sich Menschen auf der ganzen Welt über einen unverhofften Geldsegen. In ihrer 20-jährigen Berufstätigkeit hat Roswitha Hundegger über 1200 Fälle bearbeitet und geholfen, Vermögen in Millionenhöhe zuzuweisen. Die Hinterbliebenen saßen dabei in Canada, Australien, Brasilien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Von vielen erhält sie bis heute Briefe, Dankeskarten und Telefonanrufe. Im Fall des Obdachlosen aus Hannover war die Freude besonders groß. Er erbte am Ende umgerechnet 25000 Euro, bedankte sich per Telefon und sagte, „er wolle sich als erstes eine Fußball-Dauerkarte für Hannover 96 kaufen“, erinnert sich Roswitha Hundegger.

    Die Erfolgsquote ihres Büros liegt bei 95 Prozent. Dennoch gibt es auch Fälle, an denen sich selbst eine erfahrene Erbenermittlerin die Zähne ausbeißt. So vor zirka drei Jahren, als sie eine Spur in die Ukraine führte. Sie hatte bereits alles getan, um die Erben ausfindig zu machen, die deutsche Botschaft, Konsulate und sämtliche Behörden vor Ort kontaktiert und um Mithilfe gebeten. Ohne Erfolg.

    Sie wurde abgeblockt und ihre Bemühungen verliefen immer wieder im Sande. Nach zwei Jahren Ermittlungsdauer gab sie auf. „Wir hatten alle Möglichkeiten ausgeschöpft, aber irgendwann ist Schluss“, sagt sie. Die hinterlassenen 200000 Euro gingen schließlich an den Fiskus, so wie es das Gesetz will, wenn keine Erben ermittelt werden können. Schätzungen zufolge fließen auf diesem Weg jährlich mehrere Milliarden Euro auf die Staatskonten.

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