Gestern kam es beim Fischerwirth an der Donau zu einer Rauferei, bei welcher der ledige, hier beschäftigte Taglöhner Georg Koch von Trugenhofen, weil er einem Anderen aus Versehen das Bier umwarf, derart zugerichtet wurde, daß er jedenfalls mehrere Tage arbeitsunfähig sein wird.
Es ist der 8. März 1881, als im Neuburger Anzeigeblatt diese Nachricht erscheint. Es ist eine von vielen Unglücksmeldungen, wie sie damals in der hiesigen Lokalzeitung, dem Vorläufer der Neuburger Rundschau, veröffentlicht wurden. Unfälle, Diebstähle, Raufereien, Brände und Brandstiftungen, Blitzeinschläge, Raubüberfälle, Selbstmorde und Wasserleichen - was im Bezirk Neuburg passierte, kam früher oder später per Telegramm, Zuschrift oder Depesche bei Fritz Rindfleisch in der Herrenstraße an. Dort hatte der Druckereibesitzer, Verleger, Herausgeber und verantwortliche Redakteur des Neuburger Anzeigeblatts seinen Arbeitsplatz und verfasste mutmaßlich auch einen Teil dieser Nachrichten selbst. Heute geben die teils traurig-grausamen, aber auch komisch-amüsanten Texte einen ungewöhnlichen Einblick in Neuburgs Vergangenheit, in die man jetzt auf ganz besondere Weise eintauchen kann.
Im Buch von Marcus Prell sind Berichte über Verbrechen und Unglücke im Neuburg des 19. Jahrhunderts zu lesen
„Verbrechen, Vergehen & Unglücksfälle im alten Neuburg“ heißt ein Buch, das der Neuburger Heimatforscher Marcus Prell verfasst hat. Auf fast 300 Seiten sind darin Berichte und Meldungen zu lesen, die in den Jahren 1880 bis 1900 im Neuburger Anzeigeblatt veröffentlicht wurden. Dafür hat er sämtliche Ausgaben dieser Jahre durchgeblättert und nach entsprechenden Nachrichten durchforstet. Die Originalzeitungen hat Ludwig Ried für den Historischen Verein Neuburg gesichert.
Das Buch war in dieser Form überhaupt nicht geplant, sondern ist eher ein Zufallsprodukt, das aufgrund einer anderen Recherche entstand. Marcus Prell interessiert sich für die Geschichte des Donau-Badens und hat zu diesem Zweck auch in den alten Zeitungen geblättert. Dabei ist ihm aufgefallen, wie viele Menschen einst in der Donau ertrunken sind - sowohl unfreiwillig als auch freiwillig. In beiden Fällen schreibt die Lokalzeitung darüber und verschweigt dabei weder Namen noch die genauen Umstände. So war etwa am 12. November 1891 zu lesen: Heute morgens gegen 10 Uhr wurde unterhalb der Donaubrücke bei der sogen. Roßschwemme die Leiche des in der Donau ertrunkenen 46jährigen Dienst-Knechts Bartholomäus Roßkopf von Marxheim durch hiesige Fischer aus dem Strome gezogen. (...) Man vermutet, daß er in einem Anfalle von Geistesstörung den Tod in der Donau suchte.
In den dicht beschriebenen Blättern, in denen es damals noch keine Überschrift über den jeweiligen Meldungen gab, fand Marcus Prell auch jede Menge andere Schilderungen von Unglücksfällen, Verbrechen und Verurteilungen, die damals an den beiden Neuburger Gerichten (Amtsgericht und Landgericht) sowie am Schwurgericht Augsburg und am Militärgericht München ausgesprochen wurden. Und so trug er eine Begebenheit nach der anderen zusammen: Von der eifersüchtigen Ehefrau aus Ballersdorf, die aus Groll gegenüber ihrem Ehemann das Haus in Brand steckte. Vom Wirtssohn aus Zell, der im Streit den Haushund auf seinen Vater hetzte und von diesem in die Wage gebissen wurde. Vom dreijährigen Buben aus Karlshuld, der in seinen Morgenkaffee Zündhölzer getaucht hatte und noch am selben Tag an einer Phosphor-Vergiftung starb. Vom Brand beim „Bruglachner“ in Burgheim, bei dem Getreide und Malz in Flammen aufgingen. Oder vom Oekonomensohn aus Heinrichsheim, der beim Fensterln vom Vater seiner Angebeteten angeschossen wurde.
Dramatische und kuriose Geschichten aus dem Bezirksamt Neuburg im Neuburger Anzeigeblatt gesammelt
Ort des Geschehens ist nicht nur Neuburg, wo Ende des 19. Jahrhunderts rund 7500 Menschen lebten, sondern das damalige Bezirksamt Neuburg, zu dem 85 Gemeinden gehörten. Die Texte - manche nur wenige Sätze lang, andere dagegen recht ausführlich - zeichnen ein Bild von Moral und Sitte zu dieser Zeit. Aber auch von den Gefahren, die damals in Haus und Hof allgegenwärtig waren, und die zu Verletzungen und grausigen Unfällen führten. Auch die 15er-Soldaten, die zu jener Zeit in Neuburg stationiert waren, bleiben von Verfehlungen nicht verschont. So hieß es 1889: Ein Gewohnheitsdieb, der Alles stahl, was ihm unter die Hände kam, stand heute in der Person des Soldaten des 15. Inf.-Regts. Georg Mayer vor den Geschworenen. Seine Garnison Neuburg a. D. hatte er sich als Operationsfeld ausersehen, woselbst er auch von den Erträgnissen seiner Diebsgeschäfte ein flottes Leben führte. (...)
Das Buch wurde vom Historischen Verein Neuburg herausgegeben und erscheint im Neuburger Mini-Verlag Prellbook. Es ist ab sofort zum Preis von 16 Euro im Stadtmuseum sowie in den Buchhandlungen Rupprecht und Eser erhältlich.
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