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Karlshuld: "Scharfes Eck": 100 Jahre Gastro-Geschichte in Karlshuld enden

Karlshuld

"Scharfes Eck": 100 Jahre Gastro-Geschichte in Karlshuld enden

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    So sah die Gastwirtschaft aus, nachdem sie nach einem Brand Mitte der 1920er Jahre wieder aufgebaut worden war.
    So sah die Gastwirtschaft aus, nachdem sie nach einem Brand Mitte der 1920er Jahre wieder aufgebaut worden war. Foto: Familie Graf

    Edmund Stoiber war da, Günther Beckstein auch, Monika Hohlmeier und natürlich Horst Seehofer. Sie alle waren Gast im Scharfen Eck, jenem Gasthaus in Karlshuld, das seinen Namen von jeher seinem Standort an einer „scharfen“ Kreuzung verdankt. Doch in erster Linie war die Wirtschaft über viele Jahrzehnte hinweg der Treffpunkt für die

    Scharfes Eck in Karlshuld: Bei Greppmair ging es nicht immer vornehm zu

    Und wenn die Gemüter vom Bier und von der Wärme des Ofens erhitzt waren, dann wurde auch mal geflucht und gerauft. Nein, im Gasthaus Greppmair ging es nicht immer vornehm zu. Doch mittlerweile sind nicht nur die wilden Zeiten vorbei, sondern auch die ruhigen neigen sich dem Ende zu. Denn im Sommer wird das Wirtshaus endgültig schließen und damit eine 100-jährige Tradition beenden.

    Josef Graf sitzt in der leeren Wirtsstube und versucht sich daran zu erinnern, wie er in den 1960er und 70er Jahren zwischen Theke, Küche und Metzgerei aufgewachsen ist. In der Wirtschaft sei er als Kind „nebenher gelaufen“, erzählt der 56-jährige Wirt. Während sein Vater Franz Metzgermeister und Wirt in einer Person war – so wie er heute –, habe seine Mutter Maria im Laden verkauft und mittags gekocht. Arbeit gab es genügend, Freizeit quasi keine und um die Kinder wurde nicht „so ein G’schieß“ gemacht wie heute, sagt die 80-jährige

    Das sei in ihrer Kindheit in den 1940er und 50er Jahren nicht anders gewesen. Mit Samthandschuhen wurde damals niemand angefasst – nicht die Kinder und auch nicht die Gäste. Raue Zeiten seien es damals gewesen, aber auch goldene für das Gasthaus. Schon am späten Nachmittag sei die Wirtsstube brechend voll mit Männern gewesen, die selten Arbeit, dafür aber immer großen Durst hatten. „Was meinen’S, was da g’rauft worden ist!?“, erinnert sich die frühere Wirtin. Karlshuld und seine Bewohner genossen damals einen zweifelhaften Ruf, galten sie doch als streitsüchtig und hitzköpfig. „Wennst net brav bist, kommst ins Moos“, drohte man damals unartigen Kindern.

    Im Gasthaus Greppmair sind nur noch die Erinnerungen lebendig

    Doch all das ist Vergangenheit. Während sich Karlshuld vom einstigen Armenhaus zu einer prosperierenden Gemeinde entwickelt hat, sind im Gasthaus Greppmair nur noch die Erinnerungen lebendig. Stück für Stück hat das Wirtshaus, das einst sieben Tage in der Woche geöffnet hatte, über die Jahre hinweg seinen Betrieb zurückgefahren. Zuletzt hatte es regulär quasi gar nicht mehr auf. Nur bei Veranstaltungen oder für Gesellschaften öffnete Josef Graf das Haus.

    Josef Graf ist im Scharfen Eck groß geworden und hat das Wirtshaus zehn Jahre betrieben.
    Josef Graf ist im Scharfen Eck groß geworden und hat das Wirtshaus zehn Jahre betrieben. Foto: Familie Graf

    Seit 100 Jahren und drei Generationen ist das Scharfe Eck im Besitz der Familie. Die Erinnerungen an die Anfänge sind allerdings auch bei Maria Graf nur vage. Es war wohl um 1920/21, als ihre Mutter Josefa Lederer (Oma des neu gewählten Bürgermeisters Michael Lederer) die Wirtschaft samt angeschlossener Metzgerei gekauft hat. Die damaligen Besitzer kamen aus Möckenlohe und waren offenbar mit den Karlshuldern nicht zurechtgekommen, erzählt die 80-Jährige. Nur wenige Jahre nach der Übernahme brannte ein Großteil der

    Als Josef Seitle an den Folgen seiner Diabetes starb, heiratete Josefa erneut: Zusammen mit Xaver Greppmair bekam sie zwei weitere Kinder: Xaver und Maria. Beide führten den Betrieb schließlich fort: erst Xaver und später, als ihr Bruder krank wurde, dann Maria zusammen mit ihrem Mann Franz Graf. „Als ich die Wirtschaft von meinem Bruder übernommen hab, war ich zwischen 50 und 60 Jahre alt“, schätzt Maria Graf. Zu jener Zeit war das Leben in dem Gasthaus bereits deutlich ruhiger geworden. In den 1990er Jahren erlebte die Wirtshauskultur allgemein einen Rückgang. Männer blieben lieber zuhause bei ihrer Familie, als dass sie bis tief in die Nacht hinein am Stammtisch saßen. Mit 69 Jahren hat Maria Graf die Wirtschaft schließlich an ihren Sohn Josef übergeben.

    Gastronomie in Karlshuld: Viele Vereine trafen sich hier

    Der 56-Jährige erinnert sich heute vor allem an die vielen Vereine, die im Scharfen Eck ihre regelmäßigen Treffen abhielten. Der Kaninchen- und der Vogelzuchtverein hatten ihre Ausstellungen noch im Saal der Wirtschaft, ehe sie ein eigenes Vereinsheim bauten. Und die Brieftaubenfreunde trafen sich samstags im Hinterhof und verschickten von dort ihre Tauben. Die Zeit, bis ein Transporter die Tiere zu ihrem Abflugsort gefahren hatte, verbrachten die Männer in der Wirtschaft. „Die sind teilweise bis 1 in der Nacht gesessen“, erinnert sich Josef Graf, dessen Vater ebenfalls unter den Brieftaubenzüchtern war. Am Sonntag dann dasselbe Spiel: Erst wurden die Tiere, die über Nacht den Heimweg finden mussten, wieder eingefangen, dann wurde in der Wirtschaft auf die Flugzeiten der Tauben angestoßen.

    Seehofer, Hohlmeier, Stoiber, Haderthauer, Brandl – die „Promi-Galerie“ erinnert an die Besucher im Scharfen Eck.
    Seehofer, Hohlmeier, Stoiber, Haderthauer, Brandl – die „Promi-Galerie“ erinnert an die Besucher im Scharfen Eck. Foto: Claudia Stegmann

    Faschingsbälle, Theaterabende, Weihnachtsfeiern, Hochzeiten, Leichentrunk, Versammlungen – wenn es etwas zu feiern gab oder Menschen zusammenkommen wollten, dann war das Scharfe Eck die erste Anlaufstelle in Karlshuld. 36 Jahre hat die CSU ihren politischen Aschermittwoch dort zelebriert und namhafte Politiker ins Donaumoos geholt. Ein Besuchermagnet war aber auch das Kino, das es beim Greppmair in den 50er Jahren gab.

    Der Karlshulder Roland Geier war zu jener Zeit ein Teenager. „Vormittags haben wir Fußball gespielt und am Nachmittag sind wir dann ins Kino zum Aufreißen gegangen“, sagt er und lacht. Wer erinnert sich nicht an die letzte Stuhlreihe, in der geknutscht werden konnte, sobald das Licht ausging? Wer dagegen Augen für den Film hatte, der konnte die Fox’ tönende Wochenschau, Western oder Schmonzetten mit Peter Alexander und Lieselotte Pulver sehen. Die Filmrollen hat damals Karl Seitle sen. ausgetauscht.

    Roland Geier erinnert sich an Bälle im Greppmair-Saal

    Roland Geier erinnert sich auch an die Faschingsbälle im Greppmair-Saal – und an einen ganz besonders. Es muss Anfang der 1960er Jahre gewesen sein, als er vor dem Sportlerball mit Freunden noch Karten in der Wirtsstube spielte. Der ganze Raum war voller Leute, als ein Lehrling den Ofen mit Sägemehl anzünden wollte und es plötzlich einen Riesenknall tat. „Die Leute sind aus dem Fenster gesprungen.

    Auch sie kam zum politischen Aschermittwoch der CSU ins Gasthaus Greppmair: Umweltministerin Ulrike Scharf. Das Foto entstand 2018.
    Auch sie kam zum politischen Aschermittwoch der CSU ins Gasthaus Greppmair: Umweltministerin Ulrike Scharf. Das Foto entstand 2018. Foto: Xaver Habermeier

    Passiert ist zum Glück niemandem was, aber bei dem einen oder anderen waren die Haare angekokelt“, erinnert sich der 73-Jährige. Der Vorfall hielt aber niemanden davon ab, seine Pläne für den Abend zu ändern. Deshalb: schnell heim, Haare waschen, Parfüm drauf – und ab ins Scharfe Eck. „Das war der schönste Ball, den ich dort je erlebt habe!“

    Der Rauch hat sich längst verzogen und der letzte Ball liegt Jahre zurück. Im Sommer soll nun Schluss sein. Die Krönung der Rosenkönigin im Juli soll die letzte Veranstaltung im Scharfen Eck sein – sofern die Corona-Krise nicht auch dieses Fest platzen lässt. Die Wirtschaft wird leer stehen bleiben.

    Das Scharfe Eck schließt im Sommer.
    Das Scharfe Eck schließt im Sommer. Foto: Claudia Stegmann

    Denn solange es die Metzgerei gibt, wird die Küche des Gasthauses dafür benötigt. Auch wenn private Umstände diesen Entschluss jetzt notwendig gemacht haben: Josef Graf spekuliert darauf, vielleicht später doch wieder aufzumachen. Nicht mehr im großen Stil, sondern eher als Hobby fürs Rentenalter. Er ist in dem

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