Nächste Woche wird die alte Putzerei in Karlshuld in eine große, weiße Folie verpackt. Die Aktion hat allerdings nichts mit Kunst zu tun, wie man sie von dem verstorbenen Künstlerehepaar Cristo und Jeanne-Claude kennt. Vielmehr sind kleine Insekten für den großen Aufwand verantwortlich. Denn sowohl im Gebäude als auch im Inventar haben sich Holzwurm und Hausbock festgesetzt. Den Schädlingen muss nun auf den Leib gerückt werden. Und das passiert mit einem giftigen Gas.
Bürgermeister Michael Lederer ist bewusst, dass bei den Worten „Gift“ und „Gas“ so manchem Bürger die Ohren klingeln. Deshalb erklärt er das Vorgehen zusammen mit Sibylle Küttner, die die Dokumentation des kulturhistorischen Inventars im ehemaligen Moorversuchsgut leitet. Seine wichtigste Information lautet vorneweg: „Es hat keiner was zu befürchten.“
Karlshuld: Mit giftigem Gas gegen Holzwurm und Hausbock
Gemeinde und Stiftung Donaumoos haben sich für ein deutsches Familienunternehmen entschieden, das es schon seit fast 100 Jahren gibt und das bereits viele Kirchen und Museen von Schädlingen befreit hat. Am kommenden Montag, 19. August, werden die Kämmerjäger der Firma Römer Biotec aus Wilhelmshaven anrücken und tags darauf damit beginnen, das Gebäude einzuhausen. Das heißt, dass es rundum luftdicht mit einer Folie verschlossen wird. Am Boden werden große, schwere Wasserschläuche für eine Abdichtung sorgen, erklärt Sybille Küttner, während über dem Dach die Nähte verklebt werden. Das Verpacken dauert voraussichtlich zwei Tage. Um zu überprüfen, ob auch wirklich alles luftdicht ist, wird sämtliche Luft aus dem Gebäude gesaugt. Durch das entstehende Vakuum wird die Folie an die Hausfassade gepresst - wie man es auch vom Vakuumieren von Lebensmitteln kennt. Passiert das nicht, wäre das ein Beweis für ein Leck.
Sobald das Gebäude luftdicht verschlossen wurde, werden die Mitarbeiter Sulfuryldiflourid in die Räume strömen lassen. Das soll, wenn kein Wind oder Regen dagegen sprechen, ab Donnerstagfrüh passieren. Zwischen 72 und 120 Stunden, also drei bis fünf Tage lang, wird das Gas im Gebäude bleiben, um seine Wirkung zu entfalten und die Nagekäfer zu töten. Die Firma habe eine 100-prozentige Schädlingsbekämpfung garantiert, sagt Michael Lederer. In dieser Zeit wird die Konzentration in den Räumen ständig gemessen. Gleichzeitig werden Messungen in der unmittelbaren Umgebung des Turms durchgeführt, um mögliche Gasaustritte zu erkennen. Die Techniker sind in der benachbarten Pension untergebracht und überwachen den Prozess fortwährend, heißt es.
Ständige Messungen garantieren Sicherheit für die Nachbarn der alten Putzerei
Damit durch das Gift nicht andere Tiere ungewollt getötet werden, hat im Vorfeld ein Artenschutzgutachter die mit tausenden von Werkzeugen, landwirtschaftlichen Geräten und anderen kulturhistorischen Relikten voll gestellten Räume inspiziert. Diese kam zu dem Ergebnis, dass dort weder Vögel noch Fledermäuse oder Nagetiere ihre Nester gebaut haben. Das toxische Gas trifft also nur jene Schädlinge, die es auch treffen soll.
Ist der Prozess abgeschlossen, wird das Gas wieder kontrolliert aus dem Gebäude geleitet und in der Umgebungsluft verwirbelt. „Auch in dieser Zeit wird die Sicherheit der Anwohner und der Umwelt mit Hilfe durchlaufender Messungen der Konzentration sichergestellt“, teilt das Unternehmen in einer Erklärung mit. Holzwürmer könnten grundsätzlich auch mit Heißluft behandelt werden. „Allerdings ist dafür das Gebäude zu groß und es lässt sich nicht dicht abschließen“, erklärt Sibylle Küttner. Außerdem sei das geruchs- und farblose Gas völlig unproblematisch für das Inventar.
Es ist nicht die erste Aktion dieser Art in Karlshuld. Schon im Jahr 2011 war das Haus im Moos in eine Folie verpackt und begast worden. Grund waren damals Kleidermotten, die sich in der Schafwolle-Dämmung eingenistet hatten.
Schädlingsbekämpfung im ehemaligen Moorversuchsgut kostet 100.000 Euro
Die Schädlingsbekämpfung kostet inklusive des Artenschutzgutachtens 100.000 Euro. 80.000 Euro werden allerdings über die Städtebauförderung bezuschusst, sodass sich Gemeinde und Stiftung Donaumoos nur noch 20.000 Euro teilen müssen. Die Aktion ist auch eine Investition in die Zukunft, denn bekanntermaßen möchte Bürgermeister Michael Lederer das Gebäude zu einem Veranstaltungs- und Kulturhaus umbauen. Gleich nebenan soll ein begrünter Dorfplatz entstehen. Das Haus, in dem derzeit noch der Dekoladen „Mediterran“ untergebracht ist, hat die Gemeinde mittlerweile gekauft, das Geschäft wird Ende dieses Jahres schließen.
Info: Die unmittelbaren Anlieger werden von Mitarbeitern der Firma persönlich aufgesucht und aufgeklärt. Wer darüber hinaus Fragen hat, kann sich am Dienstag, 20. August, vor Ort informieren. Zwischen 10 und 12 Uhr werden Michael Lederer, Sibylle Küttner und Unternehmensvertreter Rede und Antwort stehen.
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