Noch vor vier, fünf Jahren standen bei Nadine Praun Themen wie Clubkultur oder Nachtleben auf der Agenda, sowohl privat als auch politisch. „Das habe ich immer noch im Kopf. Aber als Mutter bekomme ich nun selbst Erfahrung in familienpolitischen Fragen.“ Ob das Elterngeld im Vergleich zum vorherigen Gehalt ausreicht, wie man in einer modernen Partnerschaft die Erziehung aufteilt oder wie man nach der Elternzeit wieder in den Job zurückkehrt und gleichzeitig die Kinderbetreuung sicherstellt. Diese und andere Fragen will die junge Mutter mit in die Politik nehmen. Für den Wahlkreis 215 möchte sie nun als Direktkandidatin der SPD in den Bundestag einziehen.
Prauns Kernthemen: Kampf gegen Rechts, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz
Ihre sonstigen Ziele sind klassisch sozialdemokratisch: Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen, Schuldenbremse „reformieren und für Investitionen in die Infrastruktur öffnen“ – de facto also neue Schulden aufnehmen – und „kein Zurück beim Thema Bürgergeld“. Dass die vergangene Bundesregierung zerbrach, bedauert Praun. Auch sie hätte sich mehr Entschlossenheit von Olaf Scholz gewünscht, sieht die Hauptschuld für den Regierungsbruch aber bei den Liberalen. „Vor allem die FDP konnte den anderen Parteien ihren Sieg nicht gönnen.“
Den Weg in die Politik hat die junge Frau erst vor einigen Jahren gefunden. „Das war 2019 und 2020“, erinnert sich Praun. Schon zuvor sei sie politisch aktiv gewesen, erst in der Schule und während ihres Lehramtsstudiums in Regensburg dann noch intensiver. Sie besuchte viele politische Veranstaltungen und nahm an Demonstrationen teil. Doch einer Partei beizutreten, war für Praun zunächst eine Hürde. „Ich hatte als junger Mensch lange das Gefühl, dass mich keine der Parteien wirklich anspricht.“ Die rechtsextremistischen Terroranschläge 2019 in Halle und 2020 in Haunau waren die Auslöser für sie aktiv in die Politik einzusteigen.
Anschläge in Hanau und Halle: Der Rechtsextremismus hat Praun in die Politik getrieben
Dass es dann die SPD werden sollte, war für Praun allerdings nicht selbstverständlich. „Ich habe natürlich abgewogen, es gibt ja auch andere Parteien, die dem Kampf gegen Rechtsextremismus und dem Klimaschutz zugetan sind.“ Um aber „ein Zeichen gegen Rechts zu setzen“, so Praun, sei der beste Weg der der Sozialdemokratie. Auch sei die SPD für sie die beste Partei, um „den sozialen Ausgleich und den Klimaschutz zusammenzudenken.“
Überdies sei die Sympathie zu den Genossen wegen ihrer Grundidee des starken Sozialstaats bei ihr schon immer dagewesen. Auch in Prauns Familie hat man traditionell SPD gewählt, obwohl die Ingolstädterin als Erste in der Familie ein Parteibuch besitzt. Der Vater war Werksarbeiter bei BMW, die Mutter Handwerkerin – da sei immer eine Nähe zur SPD dagewesen. „Meine Oma sagt immer: ‚Unsere Familie war schon immer rot und die bleibt auch rot‘“, erzählt die Kandidatin lachend.
Arbeiterkind und Patchworkfamilie: Praun bringt die typische SPD-Biografie mit
Praun ist in einer Patchworkfamilie mit einer „sehr komplizierten Konstellation“ aufgewachsen, wie sie selbst sagt. Nachdem sich ihre Eltern in ihrem dritten Lebensjahr getrennt hatten, zog die gebürtige Münchnerin zusammen mit Mutter und Schwester nach Ingolstadt, wo die Mutter erneut heiratete. „Mein Stiefvater hat dann auch noch einen Sohn in die Ehe mitgebracht und gleichzeitig hat mein Vater aber auch noch vier weitere Kinder.“ Weihnachten beispielsweise hätten aber immer alle gemeinsam gefeiert, Scheidung hin oder her. Viele Kinder und nicht immer viel Geld, so beschreibt es die junge Frau. Versorgungsprobleme habe es nie gegeben, finanzielle Engpässe hingegen schon – für Klassenfahrten oder neue Kleidung. „Da hat man an der ein oder anderen Stelle schon gemerkt, dass es knapp wurde.“
Ich wünsche mir, dass nach Februar nicht Merz kommt.
Nadine Praun, SPD-Direktkandidatin für den Wahlkreis 215
Ihre politische Karriere in der Partei ging nach ihrem Eintritt dann flott voran: zuerst Vorsitzende der Ingolstädter Jusos, dann stellvertretende Vorsitzende der Jusos Oberbayern. 2023 wählte die SPD Ingolstadt sie zur stellvertretenden Vorsitzenden, kürte sie im selben Jahr noch zur Direktkandidatin für den Bezirkstag, nun für den Bundestag.
Ob sie es wirklich in den Bundestag schafft, bleibt fraglich – zu gut stehen die Chancen für den Mitbewerber der CSU, Reinhard Brandl. Dass es nach der Bundestagswahl zu einer Koalition ihrer Partei mit der Union kommt, hält Praun indes für „wahrscheinlich“. Die Vorstellung, der bei Frauen großteils unbeliebte Friedrich Merz könnte Kanzler werden, behagt ihr allerdings überhaupt nicht. „Ich wünsche mir, dass nach dem Februar nicht Merz kommt.“
Zur Person
- Alter: 29 Jahre
- Familienstand: verheiratet
- Beruf: Gymnasiallehrerin für Deutsch, Geschichte, Politik & Gesellschaft (Christoph-Scheiner-Gymnasium Ingolstadt)
- SPD-Mitglied seit 2020
- Wohnort: Ingolstadt
- Mitgliedschaften und Ehrenämter: Ingolstadt Zero, Bayerischer Lehrerinnen- und Lehrerverband, Sozialverband VdK, Freunde des Theaters Ingolstadt e.V., Mamas* mischen mit
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