Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Joshofen: Frau aus Joshofen leidet unter Long-Covid: „Ich wurde aus dem Leben gerissen“

Joshofen

Frau aus Joshofen leidet unter Long-Covid: „Ich wurde aus dem Leben gerissen“

    • |
    Nach einer überstandenen Covid-Infektion haben viele Betroffene mit Long-Covid oder Post-Covid zu kämpfen. Experten gehen davon aus, dass ungefähr jeder zehnte Covid-Erkrankte Spätfolgen entwickelt.
    Nach einer überstandenen Covid-Infektion haben viele Betroffene mit Long-Covid oder Post-Covid zu kämpfen. Experten gehen davon aus, dass ungefähr jeder zehnte Covid-Erkrankte Spätfolgen entwickelt. Foto: Christin Klose, dpa (Symbol)

    Neulich hat es Tanja Bauer-Di Maria mal wieder geschafft zu bügeln. Zehn Minuten hält sie durch, dann ist ihr Körper schweißgebadet. „Ich komme mir vor wie der letzte Depp“, sagt sie. Seit acht Monaten werden für die 44-Jährige aus Joshofen kleinste Dinge des Alltags zur körperlichen Tortur. An ihre Arbeit als Krankenschwester ist nicht zu denken. Bauer-Di Maria leidet unter Long-Covid oder auch Post-Covid, den Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion. Diese Folgen sind derart heftig, dass Bauer-Di Maria eingestehen muss: „Ich wurde aus dem Leben gerissen.“

    Long-Covid: So leidet eine Frau aus Joshofen

    Alles nahm seinen Anfang im Frühjahr 2020. Damals überflutete die erste Corona-Welle die Welt – und niemand wusste so recht, was das bedeutet. Als die Krankenschwester leicht erhöhte Temperatur und ein bisschen Schnupfen bekommt, und dazu etwas müde ist, denkt sie zunächst nicht an das neuartige Virus. Eine Reihentestung in der Arbeit legt offen: Bauer-Di Maria ist corona-positiv. Die Joshofenerin muss in Quarantäne, dann will sie wieder arbeiten. Doch schnell merkt sie: Irgendetwas ist anders. Das Gassigehen mit ihrem Hund wird zur Belastung, der Puls steigt immer wieder auf 140. Bauer-Di Maria lässt sich mehrfach krankschreiben, arbeiten kann sie nur noch auf Sparflamme. Dann, im Januar, kommt der Zusammenbruch. „Da ging gar nichts mehr.“ Atemnot, Schwindel, Kopfschmerzen, und diese ständige Erschöpfung. Selbst telefonieren zehrt an ihren Kräften. Dazu kommen Wortfindungsstörungen und Konzentrationsschwächen. Kreuzworträtsel kann Bauer-Di Maria nicht mehr lösen – ein Zustand, der bis heute anhält. 

    Ein Bild aus besseren Zeiten: Tanja Bauer-Di Maria aus Joshofen leidet seit vielen Monaten unter Long-Covid.
    Ein Bild aus besseren Zeiten: Tanja Bauer-Di Maria aus Joshofen leidet seit vielen Monaten unter Long-Covid. Foto: Bauer-Di Maria

    Zunächst weiß niemand, was der 44-Jährigen fehlt. Hausarzt, Lungenarzt, Kardiologe, Neurologe – keiner kann ihr helfen. „Die Ärzte konnten mit den Symptomen überhaupt nicht umgehen.“ Die gängigen Tests sind alle unauffällig. Ein Mediziner deutet an, dass sie sich etwas einbildet und sich doch „aufraffen“ solle. Bauer-Di Maria fühlt sich alleine gelassen, zweifelt an sich selbst. Zumal auch aus ihrem privaten Umfeld immer wieder Äußerungen kommen, die ihr wehtun. „Stell dich nicht so an“, hört sie immer wieder.

    Viele haben kein Verständnis für Betroffene von Post-Covid

    Ein Unverständnis, das typisch ist für Long-Covid-Patienten. „Die wenigsten können nachvollziehen, was die Betroffenen durchmachen“, sagt Anne Lissner. Sie selbst leidet unter den Folgen einer Covid-Infektion. Um sich mit Leidensgenossen auszutauschen, hat sie eine Selbsthilfegruppe in Ingolstadt gegründet. Rund 30 Betroffene haben sich dort gefunden. Ein Thema ist immer wieder die Erfahrung mit Ärzten. Lissner bemängelt, dass man in den Praxen zum Teil auf „Unverständnis“ und „Nichtwissen“ stoße. Gerade Hausärzte seien mit dem neuartigen Krankheitsbild überfordert. Immer wieder komme die Diagnose, dass man sich alles einbilde. „Das ist schwer als Betroffener“, betont Lissner. Man könne schließlich selbst kaum begreifen, was passiert, und erkenne sich und seinen Körper nicht wieder. Nur wenige seien mit verständnisvollen Ärzten „gesegnet“, wie es Lissner formuliert.

    In der Selbsthilfegruppe hört sie den Long-Covid-Patienten zu, zeigt ihnen, dass sie mit ihrem bisher unbekannten Leiden nicht alleine sind. Das hilft auch Tanja Bauer-Di Maria. Sie ist durch Zufall auf die Gruppe gestoßen und tauscht sich dort aus. Verstanden zu werden, hilft ihr. An den körperlichen Leiden hat sich nichts geändert. Sie muss sich jeden Tag aufs Neue aufraffen, kann seit acht Monaten nicht arbeiten. Doch die alleinerziehende Mutter muss sich um zwei Kinder kümmern. Ihre Eltern unterstützen sie nach Kräften. „Ansonsten würde ich es nicht schaffen“, ist die 44-Jährige dankbar. Auch ihre Kinder, ihr Lebenspartner und die beste Freundin sind an ihrer Seite. Ihr Gesundheitszustand ist ein ständiges Auf und Ab. „Wenn ich morgens aufwache, weiß ich nicht, wie es mir heute geht.“ So wird jeder Tag mehr oder weniger zur Herausforderung. Dazu diese Ungewissheit. Long-Covid ist bislang kaum erforscht. Inwiefern das Krankheitsbild irgendwann wieder verschwindet, ist aktuell unklar.

    Long-Covid: Tanja Bauer-Di Maria findet Hilfe in der Selbsthilfegruppe Ingolstadt

    Bauer-Di Maria klammert sich an die kleinen Dinge, um ihre Zuversicht zu behalten. Die leidenschaftliche Jägerin geht weiterhin ihrem Hobby nach, auch wenn sie es nicht mehr alleine schafft, sondern Unterstützung benötigt. Wenn es ihr Körper zulässt, werkelt sie auch mal im Garten oder fährt mit ihren Kindern nach Ingolstadt – solche Aktivitäten muss sie jedoch häufig mit einem körperlichen Einbruch büßen. „Aber ich muss ab und zu raus, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt.“ In den Covid-Ambulanzen in München und Nürnberg wurde sie wegen Überfüllung abgewiesen. Immerhin, ihr Reha-Antrag ist genehmigt. Jetzt sucht sie eine Einrichtung, die auf Long-Covid spezialisiert ist – eine schwierige Suche. Das Krankheitsbild ist bislang kaum erforscht. Die Joshofenerin hofft, endlich Hilfe zu erfahren – und ihr altes Leben zurückzubekommen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden