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Interview: Anton Tischinger: „Der Weihnachtsstress liegt hinter mir!“ 

Interview

Anton Tischinger: „Der Weihnachtsstress liegt hinter mir!“ 

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    Die Sehnsucht nach Ruhe ist groß, doch wenn sie dann mal da ist, wissen viele nichts mit ihr anzufangen.
    Die Sehnsucht nach Ruhe ist groß, doch wenn sie dann mal da ist, wissen viele nichts mit ihr anzufangen. Foto: Fabian Sommer/dpa (Symbolfoto)

    Herr Tischinger, was bedeutet eigentlich die Redensart „zwischen den Jahren“?

    Anton Tischinger: Die Redensart „zwischen den Jahren“, mit der man heute meist die Tage zwischen dem zweiten Weihnachtsfeiertag und Neujahr bezeichnet, erinnert zunächst an eine lange verwirrende Geschichte um den Neujahrstermin, die nötig war, im christlichen Abendland eine praktikable Kalenderrechnung einzuführen. Die Erfinder dieser Übergangszeit waren übrigens die Ägypter. Die Römer verlegten den Jahresbeginn vom 1. März auf den 1. Januar. Papst Liberius setzte dann den 25. Dezember zum Jahresbeginn fest – das war der Tag des Sonnengottes Sol. Damit wollte er vor allem die Heiden für Christus gewinnen und Christus als die neue Sonne etablieren, so wird auch seine Geburt der Beginn eines neuen Jahres. Im Mittelalter wurde der Termin mehrmals hin- und hergeschoben. Erst 1691 hat Papst Innozenz XII. den 1. Januar als Neujahrstag endgültig festgelegt.

    Was bedeutet die Zeit „zwischen den Jahren“ für Sie persönlich?

    Tischinger: Die Zeit zwischen den Jahren ist auch für mich eine willkommene Verschnaufpause. Der Weihnachtsstress liegt hinter mir und das neue Jahr hat noch nicht begonnen. Ich habe in dieser Zeit meinen Resturlaub und nutze die freie Zeit, um mich zu erholen und neue Kraft zu schöpfen. Es spricht vieles dafür, die kommende Zeit ruhig angehen zu können.

    Anton Tischinger hinter dem Altar der Krankenhauskapelle. 
    Anton Tischinger hinter dem Altar der Krankenhauskapelle.  Foto: Marcel Rother

    Können Sie die spirituelle und biblische Dimension erläutern?

    Tischinger: Ich bin mir nicht ganz sicher. Etwas gewagt würde ich sagen, dass das Phänomen „Zeit“ menschengemacht ist. Der christliche Glaube verspricht uns dagegen das ewige Leben – was wir im Glaubensbekenntnis allzu oft unreflektiert wiederholen. Im ewigen Leben ist Zeit keine Dimension. Entsprechend liegen Weihnachten, Dreikönig und Ostern et cetera auf menschengemachten Terminen. Die Botschaft des menschgewordenen Gottessohns allerdings ist eine, die sich nicht auf einen Termin wie

    Das wäre die mystische Königsdisziplin. Was nehmen Sie im Gegensatz dazu als profane Bedeutung dieser Zeit wahr?

    Tischinger: Das Adjektiv profan bedeutet „weltlich“, „alltäglich“ oder „gewöhnlich“ – in Abgrenzung zum Göttlichen. Heute können nicht nur weltliche (d.h. nicht kirchliche) Dinge als profan bezeichnet werden, sondern allgemein auch alles Durchschnittliche. Profan meint außerhalb der Kirche oder vor der Kirche. Ich beobachte, dass Menschen heute kaum noch diese Trennung vornehmen, manches Sakrale wird profan und manches Profane wird sakral, man zieht sich zurück in die Besinnung und denkt über das vergangene nach oder befasst sich mit Ereignissen, die im neuen Jahr kommen können.

    Gänzlich profan ist folgende Tatsache: In Familien gibt es um Weihnachten herum besonders häufig Streit, woran liegt das? Eigentlich hat doch jeder frei und alles könnte so ruhig sein…

    Tischinger: Der Unterhaltungsforscher und Soziologe Sacha Szabo untersucht seit Jahren Weihnachtsbräuche im Laufe der Zeit. Der Streit in diesen Tagen hänge mit der Idealisierung eines Familienbildes und dem übersteigerten Festcharakter zusammen. Das Bild der großbürgerlichen Familie an Weihnachten wird später von der kleinbürgerlichen Familie übernommen. Es ist die Vorstellung einer harmonischen Versammlung rund um den reich gedeckten Tisch, und im Hintergrund steht ein strahlender Christbaum, unten dann die bunt verpackten Geschenke. Und doch krachen in der Realität die verschiedenen Rollen aufeinander. Viele sind zugleich die Kinder ihrer Eltern und die Eltern der eigenen Kinder. Ein Rollenkonflikt, der sich schon bei Tischmanieren entzünden kann. Wer erlaubt hier wem was? Dazu kommen an diesen Tagen oft die bedrückende Nähe. Zu viele Menschen sind für eine zu lange Zeit in einem engen kleinen Raum zusammen. Kleinigkeiten, die man sonst toleriert, werden zu Auslösern von Krach und Streit und auch die Feststellung, wie wenig man noch Gemeinsames hat. Allein der Termin macht nicht das Verbindende. Eine alte Deutung aus der Volksfrömmigkeit besagt, der Teufel schüre den Zwist an heiligen Tagen besonders.

    Sogar die Suizidrate soll in dieser Zeit steigen, stimmt das?

    Tischinger: Niemand sollte zu Weihnachten und in den darauffolgenden Tagen sein Leben beenden wollen. Dennoch geschieht es. Alle 52 Minuten beendet ein verzweifelter Mensch sein Leben in Deutschland. Alle 5 Minuten versucht es jemand. Doch dass Weihnachten, das Fest der Liebe besonders hohe Suizidraten hervorbringt, stimmt nicht. Dennoch hält sich das Gerücht hartnäckig. Laut statischem Bundesamt werden im Monat Dezember aber weniger Suizide verzeichnet. Besonders hoch sind die Zahlen hingegen im Frühjahr und Sommer.

    Fühlt sich jemand dennoch schlecht, was kann helfen?

    Tischinger: In diesem Fall möchte ich Dr. med. Eckhart von Hirschhausen, den Arzt und Kabarettisten, zitieren. Er nennt drei Dinge, die helfen können: Soziale Kontakte pflegen (zu Menschen und Tieren), Tageslicht suchen (gehen Sie raus!) und Bewegung (Spazieren gehen oder Sportreiben). Sollten Sie betroffen sein, während Sie die Zeilen lesen, wenden Sie sich an kompetente Gesprächspartner wie Seelsorger, Therapeuten oder Helfer der Caritas. Ihr Leben ist wertvoll und wichtig. Sie durchleben gerade nur eine schwachen Moment. Alle Befragten, denen in der Notsituation geholfen wurde, äußerten hinterher, dass sie die Tat bereut hätten. Die Telefonseelsorge ist unter der Nummer 0800-1110111 rund um die Uhr erreichbar.

    Lassen Sie uns das Thema wechseln. Die Zeit zwischen den Jahren ist auch eine Zeit der Vorsätze. Was halten Sie davon?

    Tischinger: Einen Vorsatz fürs neue Jahr fassen, gehört für viele zu Sylvester wie die Raketen und das Glas Sekt. Und doch sind selbst die besten Vorsätze wenig später wieder vergessen und bereits gebrochen.

    Sollte man es also besser seinlassen?

    Tischinger: Ich für meine Person möchte es dennoch nicht ganz seinlassen. Die Bibel fordert mich an vielen Stellen auf, mein Herz zu prüfen, mich zu hinterfragen, das Schlechte hinter mir zu lassen und Neues in Angriff zu nehmen. Aber eben nicht nur an der Fassade meines Lebens zu kratzen – abnehmen etwa oder Rauchen aufhören. Was Veränderung bei mir bewirkt, ist meine Beziehung zu Gott. Sie ist das Fundament meines Lebens, das sich auf allen Ebenen auswirkt.

    Wie gehen Sie vor?

    Tischinger: Ich wähle mir einen ruhigen Abend zwischen den Jahren, gehe auf meine Couch, ohne Handy und Telefon. Meistens mit Zettel und Stift. Vorher noch ein kurzes Gebet, es hilft mir zur Ruhe zu kommen: „Gott bitte zeig mir, wo ich Veränderungen brauche. Was wünscht du dir für mein neues Jahr?“ Dann kommen bei mir drei Fragen: 1. Wie war es bisher? 2. Was wünsche ich mir für die Zukunft? 3. Wie will ich das in meinem Alltag umsetzen? Das kann jeder zu Hause nachmachen – mit oder ohne Gebet.

    Apropos umsetzen: Haben Sie schon konkrete Vorsätze?

    Tischinger: Ich möchte einfach dankbar bleiben für all die Überraschungen, die Gott mir schenken wird.

    Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für das Jahr 2019?

    Tischinger: Dass wir auf die Fürsprache der heiligen Elisabeth, der Patronin unseres Krankenhauses, gesund bleiben an Leib und an Seele, das wünsche ich allen und speziell allen Neuburgern.

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