So ein Medieninteresse hat das Ingolstädter Landgericht selten, wenn nicht vielleicht sogar noch nie gesehen: 28 Journalisten haben sich für den spektakulären, so genannten "Doppelgängerinnen-Mordprozess" akkreditieren lassen, der am Dienstag begonnen hat. Darunter laut Landgericht auch zwei englisch- beziehungsweise französischsprachige Medien. Auch bei der Recherche im Netz wird klar: Diese grausame Geschichte fesselt die ganze Welt.
Von der US-amerikanischen New York Post über den britischen Guardian bis hin zur saudi-arabischen Zeitung Arab News - alle berichten sie über den Mordfall, in dem eine junge Deutsch-Irakerin zusammen mit einem Komplizen eine andere Frau brutal getötet haben soll, nur weil sie ihr sehr ähnlich sah. Das Verfahren stellt die Justiz vor Herausforderungen, denn sowohl der Organisations- als auch der Sicherheitsaufwand ist enorm.
Wie viel Personal für den Prozess am Landgericht genau im Einsatz ist, will Pressesprecher Thomas Schlappa nicht sagen. Diese Information sei Teil des Sicherheitskonzepts und dieses könne nicht offengelegt werden, teilt er stattdessen mit. "Das Sicherheitskonzept trägt dem großen Öffentlichkeitsinteresse und dem Schuldvorwurf des Mordes Rechnung", erklärt er lediglich. Der Aufwand, den dieser Prozess für das Ingolstädter Landgericht bedeute, sei aber enorm, fügt der Sprecher noch hinzu.
Neun Justizwachtmeister sichern den Saal im Landgericht Ingolstadt
Dass Sicherheit höchste Priorität hat, war am ersten Prozesstag, am Dienstag, deutlich zu spüren. Beide Angeklagten trugen Fußfesseln. Zusätzlich waren allein im Gerichtssaal, in dem die Verhandlung stattfand, neun Justizbeamte zugegen, die das Geschehen nicht aus den Augen ließen, im Eingangsbereich des Gerichts stand weiteres Sicherheitspersonal. Ein Zuschauer, der den Prozess verbotenerweise mit seinem Smartphone aufzeichnen wollte, wurde erwischt und streng zurechtgewiesen. Die Aufnahme musste er sofort löschen. Die Verteidiger der 24-jährigen Beschuldigten Schahraban K. - darunter Johannes Makepeace und der aus einem True-Crime-Podcast bekannte Alexander Stevens aus München - forderten sogar, dass die Kontaktdaten aller Anwesenden festgehalten werden, um mögliche Verbindungen zu Zeugen nachvollziehen zu können. Doch diesen Antrag lehnte der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl ab.
Die Anwälte setzten sich auch dafür ein, dass ihrer Mandantin die Fußfesseln abgenommen werden. Makepeace erläuterte, diese würden die Grundrechte der 24-Jährigen in ungerechtfertigter Weise verletzen, da von der "zierlichen, jungen Frau" mit einer Größe von 1,64 Metern keine Gefahr ausgehe und es keine Hinweise darauf gebe, dass sie fliehen und sich dem Verfahren entziehen möchte. Zudem würden die Fußfesseln zu einer Vorverurteilung in der Öffentlichkeit führen, was einem fairen Verfahren im Wege stehe. Doch vergebens. Schahraban K., deren Gesicht meist nicht zu sehen war, weil ihr die langen, dunkelbraunen Haare ins Gesicht fielenund zwei ihrer vier Anwälte wie Personenschützer links und rechts neben ihr saßen, musste die Fesseln an ihren Füßen behalten.
Doppelgängerinnen-Mordfall: Ausländische Medien zeigen Frauen unverpixelt
Dass das Medieninteresse im Ausland so groß ist, dürfte zum einen an dem ebenso tragischen wie spannenden Fall an sich liegen, zum anderen aber auch an der Herkunft der Hauptpersonen. Schahraban K. ist Deutsch-Irakerin. Im Irak geboren und erst später nach Deutschland gekommen, hat sie bis heute beide Staatsbürgerschaften. Ihr mutmaßlicher Komplize, der 25-jährige Sheqir K., stammt aus dem Kosovo. Die tote Doppelgängerin Khadidja O., die zum Tatzeitpunkt am 16. August 2022 23 Jahre alt war, hat algerische Wurzeln. Sowohl von Schahraban K. als auch von Khadidja O. wurden in manchen ausländischen Medien unverpixelte Fotos veröffentlicht. Oft stehen sie unmittelbar nebeneinander, um die Ähnlichkeit der beiden Frauen zu belegen - was aufgrund der Unschuldsvermutung, die bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt, und wegen der Persönlichkeitsrechte, die dadurch verletzt werden, allerdings nach deutschem Recht problematisch wäre.
Dass beide Frauen in den sozialen Medien sehr aktiv waren und der Mord ohne diese so gar nicht möglich gewesen wäre, trägt zusätzlich zu dem enormen nationalen und internationalen Interesse bei. Die Tote arbeitete als Beauty-Influencerin. Die Angeklagte soll über einen Fake-Account auf der Plattform Instagram Kontakt zu ihr aufgenommen haben.
Am Montag, 22. Januar, um 9.15 Uhr geht der Prozess weiter. Was dann passiert, ist offen, denn: Am Dienstag haben Schahraban K.'s Verteidiger eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil die Staatsanwaltschaft ihnen umfangreiche Unterlagen und Daten zu spät zur Verfügung gestellt hätte. Sollte die Kammer diesem Antrag zustimmen, würde das Verfahren abgebrochen und erst in einigen Wochen oder Monaten neu aufgerollt werden. Wenn nicht, könnte es sein, dass sich die Angeklagten selbst zur Tat äußern oder ihre Anwälte eine Erklärung für sie abgeben. Ob die Verhandlung ausgesetzt wird oder nicht, habe auf alle Fälle Einfluss auf die Art der Einlassung seiner Mandantin, sagte ihr Rechtsanwalt Makepeace am Dienstag auf Nachfrage.