Wie viel dürfen Audi-Betriebsräte verdienen? Um diese Frage dreht sich ein Prozess, der aktuell am Arbeitsgericht Ingolstadt verhandelt wird. Ein freigestellter Betriebsrat klagt gegen die Firma: Er will erreichen, dass er in einer höheren Tarifgruppe eingruppiert oder gar außertariflich bezahlt wird. Ein Urteil in Ingolstadt könnte es in knapp zwei Wochen geben.
Zu hohe Gehälter für Betriebsräte könnten ein Fall fürs Strafgericht sein
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte im Januar 2023 für Aufruhr gesorgt. Die Richter hatten damals am Fall von VW entschieden, dass möglicherweise der Tatbestand der Untreue erfüllt sein könnte, wenn Personalmanager Betriebsräten ein außergewöhnlich hohes Gehalt bezahlen. Viele Unternehmen hatten sich bis dato bei der Entlohnung ihrer Betriebsratsmitglieder an einer sogenannten hypothetischen Karriere orientiert. Im Fokus stand dabei die Frage: Wie viel Geld würde der Mitarbeiter verdienen, wenn er außerhalb des Betriebsrats eine Karriere gemacht hätte? Der BGH hat nun gesagt, dass dieses Modell unzulässig sein könnte und sich sowohl Personalverantwortliche als auch Betriebsräte strafbar machen könnten. Statt an einer hypothetischen Karriere müsste sich die Höhe der Entlohnung an einer Vergleichsgruppe orientieren.
In der Folge des BGH-Urteils hatte VW mehreren Betriebsräten die Gehälter gekürzt. Was folgte, waren zahlreiche Klagen von betroffenen Betriebsräten. Nach Informationen aus Betriebsratskreisen haben dabei die Gerichte in Niedersachsen in 47 von 49 Fällen zugunsten der Kläger entschieden. Auch bei der VW-Tochter Audi in Ingolstadt hat das Urteil für Wirbel gesorgt. Zum einen hat sich die Staatsanwaltschaft München II die Gehaltszahlungen vor dem Hintergrund möglicher Untreue bei Audi ganz genau angeschaut, nachdem entsprechende Anzeigen eingegangen waren. Diese waren nach Auskunft einer Sprecherin jedoch so allgemein gehalten, "dass sie keine konkreten Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht einer Straftat boten". Die Behörde hat deshalb kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zwei Audi-Betriebsräte haben wegen ihrer Gehälter gegen ihren Arbeitgeber geklagt
Zudem gab es aber auch Klagen von Audi-Betriebsräten gegen ihren Arbeitgeber wegen der Herabstufung ihrer Gehälter. Von 98 freigestellten Betriebsräten bei Audi – 57 davon in Ingolstadt – haben bislang zwei geklagt. Eine der Klagen liegt bei der Berufungsinstanz, ruht aber aktuell, eine weitere wird aktuell vor dem Arbeitsgericht in Ingolstadt verhandelt. Dabei stehen sich die Audi AG und ein langjähriger Betriebsrat gegenüber. Dieser fordert allerdings nicht, wie viele andere Betriebsräte, eine Rücknahme seiner Gehaltskürzung. Denn die ist bereits geschehen, nachdem er für zwei Monate herabgestuft worden war.
Der Betriebsrat möchte nun vor Gericht ein außertarifliches Gehalt einklagen oder zumindest die Eingruppierung in der nächsthöheren Gehaltsstufe EG 17 erreichen, was bei Audi die höchste Tarifstufe ist. Das monatliche Grundgehalt liegt hier bei 6567,50 Euro im Monat – ohne Sonderzahlungen und Boni. Außerdem will der Mann seinen 40-Stunden-Vertrag behalten. Den hatte er unterschrieben, als er bereits viele Jahre lang als Betriebsrat aktiv war.
Der Betriebsrat und sein Anwalt argumentieren, dass bei einer Gruppe von Arbeitnehmern, die eine vergleichbare Ausbildung vorweisen und "die mit ihm an der Werkbank gestanden sind", eine Bezahlung außerhalb des Tarifs durchaus möglich sei. Der Anwalt von Audi hingegen kritisiert die angeführte Vergleichsgruppe als "Rosinenpickerei". Die Gruppe sei schlichtweg zu klein, eine derartige Entwicklung eines Mitarbeiters "nicht betriebsüblich".
Der Gesetzgeber will für Rechtssicherheit bei der Vergütung von Betriebsräten sorgen
Nachdem die Entscheidung des BGH vor gut einem Jahr für viel Unsicherheit bei Personalverantwortlichen in den Unternehmen und bei Betriebsräten gesorgt hatte und in der Folge zahlreiche Klagen an den Arbeitsgerichten eingereicht worden sind, will der Gesetzgeber auf diesem Gebiet jetzt für rechtliche Klarheit sorgen. Noch vor der Sommerpause soll eine entsprechende Gesetzesänderung verabschiedet werden. "Künftig soll das Verfahren zur Vergütung in einer Betriebsvereinbarung verbindlich und transparent geregelt werden", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Dagmar Schmidt gegenüber unserer Zeitung. "Dann haben Betriebsrätinnen und Betriebsräte rechtliche Sicherheit und können sich weiterhin frei und unabhängig für die wichtigen Interessen ihrer Belegschaft einsetzen."
In Ingolstadt will Richterin Camilla Rösch am 14. Mai eine Entscheidung in dem laufenden Verfahren verkünden. Ob es sich dabei um ein Urteil handelt oder das Verfahren in eine weitere Runde geht, steht noch nicht fest.