Die Arbeit als Betriebsrat ist ein Ehrenamt, so steht es im Betriebsverfassungsgesetz. Allerdings sollen Betriebsräte durch ihr unentgeltliches Engagement auch keine finanziellen Nachteile hinnehmen müssen. Sie bekommen also ihr bisheriges Entgelt vom Arbeitgeber weiterbezahlt. Welche Tücken das haben kann, zeigt ein Fall am Münchner Arbeitsgericht, der an der Kammer in Ingolstadt verhandelt wurde.
Der Prozess fand vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) Anfang vergangenen Jahres statt. Die Richter in Karlsruhe hatten einen Freispruch von VW-Personalmanagern aufgehoben. Im Gegensatz zum Landgericht Braunschweig sah es der BGH als nicht ausgeschlossen an, dass sich Personalverantwortliche der Untreue schuldig machen, wenn sie freigestellten Betriebsräten ein außergewöhnlich hohes Gehalt zahlen. Diese hatten die Bezahlung zuvor mehrheitlich an einer sogenannten hypothetischen Karriere angelehnt mit der Frage: Welche Karriere mit welcher Entlohnung hätte der Mitarbeiter gemacht, wenn er nicht als Betriebsrat freigestellt worden wäre? Dies dürfe aber nach der Entscheidung aus Karlsruhe nicht mehr als alleiniger Maßstab für die Bezahlung gelten. Damit steckten viele Personalverantwortliche in der Zwickmühle: Die Betriebsräte dürfen also nicht zu hoch bezahlt werden, weil dann möglicherweise eine Straftat im Raum steht. Aber zu niedrig eben auch nicht, denn das wäre ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot.
Volkswagen hatte seinen Betriebsräten die Gehälter gekürzt
Nach der BGH-Entscheidung hatte insbesondere VW wegen der rechtlichen Unsicherheit seinen Betriebsräten die Bezüge gekürzt, was wiederum zahlreiche Klagen der Betroffenen an den Arbeitsgerichten zur Folge hatte. In einem überwiegenden Teil der Fälle gingen die Klagen zugunsten der Betriebsräte aus und VW zahlte ihnen das ursprüngliche Gehalt.
Anders in Ingolstadt. Dort hat das Gericht die Klage des Mannes abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine höhere Tarifgruppe oder gar eine außertarifliche Bezahlung sah Richterin Camilla Rösch "als nicht gegeben an". Allerdings sind die Fälle aus Wolfsburg nicht eins zu eins vergleichbar mit dem Ingolstädter Verfahren. Während die VW-Betriebsräte in ihre alte, höhere Gehaltsstufe zurückgestuft werden wollten, hatte der langjährige Betriebsrat aus Ingolstadt auf eine neue Eingruppierung in die höchste IG-Metall-Tarifstufe geklagt. Dies hätte ein monatliches Gehalt von knapp 6600 Euro bedeutet – ohne Zuschläge und Sonderzahlungen. Jährlich hätte sich das Gehalt auf eine Summe im niedrigen sechsstelligen Bereich belaufen.
Ein Audi-Betriebsrat aus Ingolstadt wollte in eine höhere Tarifstufe eingruppiert werden
Der Mann begründete seine Klage mit einer Beförderungspraxis im Unternehmen, die ihm mit seinem fachlichen Hintergrund den Weg in diese oberste Tarif-Gehaltsklasse oder sogar darüber hinaus durchaus ermöglicht hätte. Das Gericht jedoch folgte der Sicht von Audi. Der Anwalt des Unternehmens hatte die Vergleichsgruppe, die der Betriebsrat herangezogen hatte, als "Rosinenpickerei" bezeichnet. Lediglich ein Kollege habe es bis in den außertariflichen Bereich geschafft. Dieser Werdegang sei deshalb keineswegs "betriebsüblich". Genauso wenig wie ein 40-Stunden-Vertrag, den der Betriebsrat ebenfalls angestrebt hatte. Ob der klagende Betriebsrat nach der Entscheidung in die nächsthöhere Instanz gehen möchte, steht nach Aussage eines Betriebsratssprechers bislang nicht fest. Zuerst wollen alle Beteiligten das schriftliche Urteil analysieren.
Die rechtlichen Unwägbarkeiten bei der Vergütung von Betriebsräten will der Gesetzgeber noch vor der Sommerpause mit einer Gesetzesänderung aus der Welt räumen. Künftig soll das Verfahren zur Vergütung in einer Betriebsvereinbarung verbindlich und transparent geregelt werden. "Dann haben Betriebsrätinnen und Betriebsräte rechtliche Sicherheit und können sich weiterhin frei und unabhängig für die wichtigen Interessen ihrer Belegschaft einsetzen", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Dagmar Schmidt, unserer Redaktion.