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Ingolstadt: Urologe: "Erektionsstörungen gehen ab dem 30. Lebensjahr los"

Ingolstadt

Urologe: "Erektionsstörungen gehen ab dem 30. Lebensjahr los"

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    Professor Andreas Manseck ist Urologe am Klinikum Ingolstadt. Er ist Experte für Männergesundheit. Im Bild ist er gerade im Gespräch mit einem Patienten.
    Professor Andreas Manseck ist Urologe am Klinikum Ingolstadt. Er ist Experte für Männergesundheit. Im Bild ist er gerade im Gespräch mit einem Patienten. Foto: Klinikum Ingolstadt

    Herr Professor Manseck, als Urologe sind Sie Experte für Männergesundheit. Aber was versteht man eigentlich genau darunter und warum ist es wichtig, darüber zu sprechen?
    ANDREAS MANSECK: Der Begriff Männergesundheit umfasst vieles. Dabei geht es nicht nur um Urologie. Männer haben zum Beispiel häufiger einen Herzinfarkt als Frauen und sterben durchschnittlich fünf Jahre früher. Männer begehen häufiger Selbstmord, weil sie psychische Probleme haben und sich seltener Hilfe holen. Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Das Problem bei den Männern ist, dass sie ihre Gesundheit oftmals sehr stiefmütterlich behandeln. Es gibt zwar Vorsorgemaßnahmen und Früherkennungsangebote, doch sie werden kaum in Anspruch genommen.

    Woran liegt das?
    MANSECK: Das liegt unter anderem am immer noch geltenden Männerklischee: Ich bin ein Mann – also bin ich stark und kann alles. Ich bin nicht krank. Doch das stimmt nicht. Hinzu kommt noch, dass Männer gerne Risiken eingehen, sich öfter ungesund ernähren und nicht so viel Sport treiben. Das wird so auch in den Medien propagiert. Es gibt zum Beispiel eine bekannte Werbung, da stehen Männer um einen Grill, braten Fleisch und halten eine Bierflasche in der Hand. Wenn man so will, ist Gesundheit auch ein Gender-Thema. Männer sind hier unterprivilegiert. Das fängt schon in der Kindheit und bei der Erziehung an.

    Was meinen Sie mit unterprivilegiert?
    MANSECK: Für Frauen ist es völlig normal, sich um die Gesundheit zu kümmern. Das kommt durch die Schwangerschaft und das Muttersein. Wer schwanger ist, lässt sich ganz selbstverständlich regelmäßig untersuchen. Das gehört so zum klassischen Familienbild. Das führt dazu, dass Frauen auch viel häufiger zur Vorsorge gehen und auch die Töchter frühzeitig zum Frauenarzt mitgenommen werden.

    Was könnte man dagegen tun, dass Männer nicht so sehr auf ihre Gesundheit achten?
    MANSECK: Die Männergesundheit beginnt mit der Jungengesundheit. Eltern sollten schon früh nach der Geburt regelmäßig mit ihren Söhnen zum Arzt gehen. Bereits in der Kindheit gibt es einige jungentypische Erkrankungen, die behandelt werden müssen, etwa Hodenhochstand – die Hoden liegen dabei meist im Leistenkanal oder im Bauchraum – oder Vorhautverengung, wenn sich die Vorhaut nicht richtig zurückziehen lässt. Außerdem sollten Eltern ihre Söhne rechtzeitig gegen HPV (Humanes Papilloma Virus) impfen lassen. Das ist schon für Jungen ab dem neunten Lebensjahr angeraten, da die Impfung unbedingt vor dem ersten Geschlechtsverkehr stattfinden muss – sonst nützt sie nichts mehr. Mit den Impfungen kann man sich vor Peniskrebs und Genitalwarzen schützen. Bei Frauen kann die Impfung den Gebärmutterhalskrebs zu 99 Prozent verhindern.

    Themen aus der Männergesundheit werden sowohl bei niedergelassenen Ärzten behandelt als auch stationär. Wann muss ich wo hingehen?
    MANSECK: Zum niedergelassenen Arzt geht man bei Erektionsstörungen, einem Mangel an dem Hormon Testosteron, für Impfungen, für eine Vasektomie oder bei medikamentösen Behandlungen von Prostata-Erkrankungen. Bei Prostatakrebs hingegen muss man beispielsweise zur Operation in die Klinik. Vor der OP kläre ich Betroffene in meiner Sprechstunde über die Behandlung auf.

    Was sagen Sie den Betroffenen?
    MANSECK: Natürlich kläre ich über die zu erwartenden Nebenwirkungen und Komplikationen auf. Ein sehr spezielles Männerthema ist jedoch die Erektionsfähigkeit. Wenn ein Paar in meine Sprechstunde kommt, erkläre ich, dass es eine Operationsmethode gibt, bei der die Erektionsnerven zerstört werden, und eine, bei der man versucht, sie zu erhalten. Die Frau sagt dann in der Regel: Ich möchte einfach nur, dass mein Mann überlebt und wieder gesund wird. Die Männer hingegen machen sofort klar: Dass meine Erektionsfähigkeit verloren geht, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Worauf die Frau möglicherweise erwidert: Wir haben doch sowieso seit drei Jahren keinen Sex mehr ... Daran sieht man: Selbst wenn gar kein Liebesleben mehr stattfindet, bei den meisten Männern hängt von der Erektionsfähigkeit ihr männliches Selbstbild ab.

    Prof. Dr. Andreas Manseck, Urologie, Klinikum Ingolstadt, Experte für Männergesundheit
    Prof. Dr. Andreas Manseck, Urologie, Klinikum Ingolstadt, Experte für Männergesundheit Foto: Klinikum Ingolstadt

    Wenn das männliche Selbstbild so eng mit der Fähigkeit, eine Erektion zu bekommen, verknüpft ist, gehen dann Männer deswegen inzwischen öfter zum Arzt, wenn sie darunter leiden, oder ist das nach wie vor ein Tabuthema? Und wie alt sind die Patienten?
    MANSECK: Über Erektionsstörungen redet „Mann“ nicht. Und am Stammtisch wird von Männern über nichts so oft gelogen wie über eigene Erektionsstörungen. Dabei gehen Erektionsstörungen ab dem 30. Lebensjahr los. Das kommt aus der Entwicklungsgeschichte. Denn früher war eine Erektion nur für die Fortpflanzungsphase wichtig, die mit einem Durchschnittsalter von 25 bis 35 Jahren abgeschlossen war. Es wäre aus verschiedenen Gründen wichtig, bei diesem Problem einen Arzt aufzusuchen. Erektionsstörungen können zum Beispiel auf Gefäßverengungen hindeuten und ein Warnsignal für einen Herzinfakt sein.

    Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass mir ein Arzt bei Erektionsstörungen helfen kann und dass ich mich nicht umsonst überwinde?
    MANSECK: Ich würde sagen, dass der Facharzt für Urologie in fast allen Fällen helfen kann. Hier gibt es sehr gute Möglichkeiten. Zum Beispiel Medikamente, die nur die Fähigkeit wiederherstellen, aber keine künstliche Erektion erzeugen. Die Situation muss also trotzdem noch passen. Davon abgesehen gibt es aber auch Medikamente, die nach Einnahme automatisch eine künstliche Erektion schaffen. Oder auch Penisprothesen – da muss ich die Erektion ebenfalls künstlich herbeiführen.

    Was kann man denn als Mann selbst dafür tun, um so lange wie möglich von Erektionsstörungen verschont zu bleiben?
    MANSECK: Regelmäßiger Sport und eine gesunde Ernährung sind wichtig, damit man weniger Fett ansetzt. Denn Fett bindet Testosteron. Männer sollten sich überhaupt gut um ihren Hormonhaushalt kümmern. Ein Hormonmangel wird oft nicht erkannt. Doch ein solcher kann nicht nur zu Erektionsstörungen führen, sondern auch zu Muskelschwund, Depressionen, Entscheidungsschwierigkeiten und sinkender Leistungsfähigkeit. 

    Wie stehen die Chancen, bei Prostatakrebs wieder gesund zu werden?
    MANSECK: Wenn man Prostatakrebs frühzeitig erkennt, ist er sehr gut zu behandeln. Am Klinikum Ingolstadt haben wir im Jahr ungefähr 300 bis 400 Neudiagnosen. Plötzlicher Harndrang – ein typisches Symptom bei gutartiger Prostatavergrößerung – deutet beispielsweise nicht darauf hin. Wenn man den sogenannten PSA-Wert regelmäßig kontrolliert, kann der Krebs darüber erkannt werden. Oder durch die Entnahme und Untersuchung einer Gewebeprobe.

    Was legen Sie Männern in Bezug auf ihre Gesundheit ans Herz?
    MANSECK: Ich empfehle, das Angebot an Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsuntersuchungen, vor allem auch hinsichtlich des Herzens, wahrzunehmen, und zwar schon von Kindheit an. Bei Erektionsstörungen sollte man keine Scheu haben und einen Fachmann aufsuchen. Ebenso bei Inkontinenz, die bei Prostata-Erkrankungen und im hohen Alter zunehmend häufig auftritt. Sie führt dazu, dass Menschen nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen – und das muss nicht sein. Außerdem halte ich Selbsthilfegruppen für extrem wichtig. Es gibt in Ingolstadt eine für Männer, die an Prostatakrebs erkrankt sind, deren Entstehung habe ich selbst stark unterstützt.

    Zuletzt: Räumen wir mit einem Mythos auf. Gibt es die "Männergrippe" wirklich?
    MANSECK: Natürlich können Männer auch eine Grippe haben. Die "Männergrippe" ist jedoch ein aufgebauschtes Phänomen, gerne von Comedians genutzt, um Männer durch den Kakao zu ziehen. Aber: Männer sind eben auch empfindlich und möchten bei einer Unpässlichkeit ab und zu umsorgt werden. Ich denke allerdings, das ist bei beiden Geschlechtern der Fall.

    Zur Person

    Professor Andreas Manseck ist 62 Jahre alt und seit Mai 2004 Direktor der Urologischen Klinik am Klinikum Ingolstadt. Seine Schwerpunkte sind Uro-Onkologie, plastisch rekonstruktive Urologie, Steintherapie und Kinderurologie. Am 17. Juli findet eine Patientenveranstaltung mit Professor Manseck zum Thema Männergesundheit am Klinikum statt.

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