Es sollte eine abendliche Gassirunde mit den beiden Hunden werden. Doch die endete für einen 47-Jährigen aus Ingolstadt im Gefängnis. Er war nach dem Sturz eines Radfahrers, der an einer Hundeleine hängen geblieben war, derart ausgerastet, dass er seit kurz vor Weihnachten in Untersuchungshaft sitzt. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Gestern war Prozessauftakt, bei dem der Angeklagte in Fußfesseln in den Saal geführt worden ist.
Blutüberströmt saß der 45-jährige Radfahrer in einer Nacht Mitte Dezember beim Arzt. Auf dem Foto, das am Donnerstag im Gerichtssaal am Landgericht Ingolstadt gezeigt wurde, sind jene Blessuren zu sehen, die der Ingolstädter nur kurze Zeit vorher auf einem Radweg entlang der Goethestraße erlitten hat. Wie immer war er nach der Arbeit mit dem Rad nach Hause gefahren. Gegen halb elf nachts war es dann zum verhängnisvollen Aufeinandertreffen mit dem Hundehalter gekommen.
Eine Hundeleine war über einen Radweg in Ingolstadt gespannt
Einer von dessen beiden „Zampal“, wie ein Zeuge die Hunde beschrieb, eine Mischung aus Pekinese und Dackel, hielt sich beim Gassigehen in einem angrenzenden Grünstreifen auf. Als fatal sollte sich erweisen, dass die Leine des Hundes dabei über den Radweg gespannt war. Offenbar wollte sie der Hundehalter noch über den Kopf des nichtsahnenden Radfahrers werfen, doch der Versuch misslang. Was dann geschah, beschäftigt zurzeit das Landgericht um Vorsitzenden Richter Michael Hauber. Fakt ist, dass der Radfahrer stürzte, nachdem er sich in der Leine verfangen hatte.
Und auch seinen Ausraster gab der Angeklagte vor Gericht unumwunden zu. Grund war, dass „ich mit der Situation völlig überfordert war“, sagte der Ingolstädter. Jedenfalls hat er auf den Mann, als der am Boden lag, mit der Faust eingeschlagen, außerdem hat er gegen seinen Kopf getreten. Mindestens zwei Tritte will ein Zeuge, der zufällig mit dem Auto vorbei gekommen war, gesehen haben. Was die Sache besonders gefährlich gemacht hat: Der Hundehalter hatte Sicherheitsschuhe an, die mit einer Stahlkappe verstärkt sind. „Sind sie immer mit diesen Schuhen unterwegs?“, wollte Richter Hauber wissen. „Ich habe keine anderen für den Winter“, sagt der Mann, der zuletzt arbeitslos war. Als zwei junge Männer in einem Auto auf die Situation aufmerksam geworden sind, sei der Täter einfach weiter geschlendert, „so, als ob nichts gewesen wäre“. Vor Gericht hat sich der Mann schließlich für seine Tat entschuldigt: „Es tut mir leid, dass ich so reagiert habe.“
Der Radfahrer aus Ingolstadt leidet bis heute unter den Folgen der Attacke
Hatte sich der Radfahrer überhaupt nicht helfen lassen wollen, sondern hat er stattdessen den Hundehalter mit den Worten „Was willst du von mir?“ angeblufft? Und hat der 47-Jährige den Radler nicht nur mit Händen und Füßen traktiert, sondern ihn auch noch mit den Worten „Du Arschloch, bist du bescheuert?“ beleidigt? Diese Fragen ließen sich beim Prozessauftakt nicht mehr klären.
Der Radfahrer jedenfalls leidet bis heute unter den Folgen der Attacke. In einigen Monaten muss er an der Schulter operiert werden, noch immer hat er Kopfschmerzen. Inzwischen befindet er sich auch in psychologischer Behandlung. Der Mann, der früher bei Wind und Wetter mit dem Rad gefahren ist, muss sich inzwischen oft von einem Kollegen mit dem Auto abholen lassen. Er kann sich nur noch selten überwinden, aufs Rad zu steigen, berichtete er vor Gericht. Seine Schlafprobleme hat er erst mithilfe von Tabletten in den Griff bekommen.
Der Angeklagte war in den vergangenen fast 25 Jahren insgesamt sechsmal in den Fokus der Justiz geraten. Immer wegen Körperverletzung und Beleidigung. Einmal hatte er seine Mutter im Streit verletzt, ein anderes Mal hatte er auf seine kleine Stieftochter eingeschlagen, sodass ihr Kiefer angebrochen war. Vor 18 Jahren war er zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Ein Urteil im aktuellen Fall soll in der kommenden Woche fallen.
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