Mit Geständnis mindestens zehn Jahre Haft, ohne Geständnis mindestens zwölfeinhalb Jahre: Der Vorsitzende Richter Gerhard Reicherl ließ beim Prozessauftakt am Montag keinen Zweifel daran, dass den Angeklagten eine hohe Haftstrafe erwartet, sollten sich die Anklagevorwürfe bestätigen. Was andere erschüttert hätte, nahm der 25-Jährige, dem unter anderem Vergewaltigung und versuchte Vergewaltigung vorgeworfen werden, ohne erkennbare Regung zur Kenntnis. Wohl auch deshalb, weil ihm eine andere Frage wichtiger sein dürfte: Ordnet das Ingolstädter Landgericht seine Sicherungsverwahrung an?
Im Juni 2023 wurde eine 15-Jährige im Piuspark in Ingolstadt vergewaltigt
Am 4. Juni vergangenen Jahres kurz nach Mitternacht folgt der 25-Jährige zwei Mädchen von einem Lokal im Westpark zum Piuspark. Als er ihnen zuruft, sie sollen stehen bleiben, und ein Teppichmesser zieht, laufen sie davon. Eine der beiden, eine damals 15-Jährige, kann er an ihren langen Haaren packen. Er hält ihr die Klinge des Messers an den Hals, zerrt sie ins Gebüsch und vergewaltigt sie. Als sich Passanten nähern, fordert er das Mädchen auf, sie solle sich "in die Ecke hocken und still bleiben". Wenn sie das nicht tue, steche er sie ab. Dann flieht er. So steht es in der Anklage. Das Mädchen selbst hat die Strafkammer nicht vernommen. Stattdessen ist die Aufzeichnung einer früheren Vernehmung abgespielt worden - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Videovernehmungen zweier anderer Mädchen sind dagegen öffentlich abgespielt worden. Die heute 17 und 19 Jahre alten Schülerinnen sind vier Tage nach dem Vorfall im Piuspark am Stausee unterwegs, als der Angeklagte sie fragt, wo man "in Ingolstadt chillen" könne. Er sei erst vor Kurzem zugezogen. Die beiden erkennen den 25-Jährigen wieder: Zwei Monate vorher hat er sie im Piuspark in ähnlicher Weise angesprochen. Als die beiden weglaufen, zieht er ein Messer und droht: "Das ist kein Spaß." "Ihr zieht Euch jetzt aus!", fordert er die Mädchen auf und deutet auf Büsche am Wegrand.
Zwei junge Frauen konnten den Angeklagten aus Ingolstadt gut beschreiben
Während er die eine mit dem Messer bedroht, begrapscht er die andere. Als die beiden fragen, was er vorhabe, antwortet er knapp: "Worauf ich Bock hab." Mit dem Messer in der Hand droht er: "Wenn Ihr schreit, tue ich Euch was." Die Mädchen haben Glück: Als ein Radfahrer vorbeifährt, können sie fliehen. Vor allem die 17-Jährige hat die Tat mitgenommen: "Ich hatte sehr Angst", gibt sie im Video zu und ergänzt unter Tränen: Noch heute habe sie Angst vor Männern und sei in psychiatrischer Behandlung. Die Mädchen können den Angeklagten so gut beschreiben, dass er schnell identifiziert und festgenommen werden kann. Der 25-Jährige ist nämlich polizeibekannt: Mehrfach hatte er schon den Notruf gewählt und sich unter anderem über zündelnde Jugendliche beschwert.
Nach einem Rechtsgespräch hat der Angeklagte über seinen Verteidiger die Anklagevorwürfe eingeräumt. Sein Mandant habe Schmerzen am Kieferknochen, werde sich aber am nächsten Verhandlungstag in zwei Wochen selbst äußern, kündigte der Anwalt an. Das Geständnis dürfte mit der Aussicht auf eine um zweieinhalb Jahre geringere Strafe, aber auch damit zu tun haben, dass Richter Reicherl die Beweislage als "nicht ganz so schlecht" eingeschätzt hat. Der Vorsitzende hat zudem angedeutet, dass sich ein Geständnis auch bei der Frage der Sicherungsverwahrung zugunsten des 25-Jährigen auswirken kann: Setze sich ein Angeklagter mit seinen Taten auseinander, sei dies bei der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen.
Landgerichtsarzt Thomas Obergrießer gibt vor Gericht seine Einschätzung ab
Vor allem aber wird es bei der Beurteilung, ob von ihm weitere Straftaten zu erwarten sind, auf die Einschätzung des Landgerichtsarztes Thomas Obergrießer ankommen. Keinen Zweifel ließ Reicherl daran, dass im Falle einer Verurteilung "die formalen Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorliegen". Und das, obwohl der junge Mann offenbar nicht erheblich vorbestraft ist. Das Gericht hat vier Verhandlungstage bis Ende April angesetzt.