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Ingolstadt/Elchingen: Prozess gegen Priester: Gefundene Pornofilme ähneln Missbrauchstat

Ingolstadt/Elchingen

Prozess gegen Priester: Gefundene Pornofilme ähneln Missbrauchstat

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    Ein Priester soll einen Ministranten sexuell missbraucht haben. Aktuell muss er sich deshalb vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten.
    Ein Priester soll einen Ministranten sexuell missbraucht haben. Aktuell muss er sich deshalb vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    18 Minuten dauerte der Film, den sich das Gericht am Freitag angesehen hat. Zu sehen sind zwei Männer, teils komplett nackt, wie sie von einem dritten – bekleidet mit weißem Kittel und Mundschutz – körperlich untersucht werden. Sie werden gemessen, abgetastet, ihre Körper werden genau in Augenschein genommen. Der Filmtitel spricht von "Physical Examination" - auf Deutsch "Körperliche Untersuchung". Es geht um Doktorspiele mit eindeutig pornografischem Hintergrund. Gefunden wurde die Videosequenz – zusammen mit weiteren knapp vier Stunden pornografischem Filmmaterial – bei einem Priester, der sich aktuell vor dem Landgericht Ingolstadt in einer Berufungsverhandlung verantworten muss und der zuletzt in Elchingen im Landkreis Neu-Ulm tätig war. 

    Ihm wird vorgeworfen, vor mehr als 15 Jahren einen Ministranten im Kreis Pfaffenhofen sexuell missbraucht zu haben. Und zwar auf eine ähnliche Art und Weise, wie sie auf dem Film zu sehen ist. Den damals 14-Jährigen soll er aufgefordert haben, sich bis auf die Unterhose auszuziehen, um seinen Körper vermessen zu können. 

    Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, legte er das Maßband an den Beinen und Armen an, berührte den Teenager am Körper und band ihn einmal an einer Liege fest. Indem er sich selbst aus der Fesselung befreit, sollte der damals 14-Jährige seine Sportlichkeit beweisen. 

    Schon als Oberministrant soll der Pfarrer an Ministranten "Gesundheitstests" durchgeführt haben

    Ähnliches wie dem Jungen aus dem Kreis Pfaffenhofen soll auch anderen Ministranten bereits rund 25 Jahre vorher passiert sein. Sie alle sind heute erwachsene Männer. Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre waren sie Teenager und ministrierten in der Heimatpfarrei des heute 57-Jährigen. Der war damals noch kein Priester, sondern Oberministrant. Und hatte offenbar bereits hier Jugendliche zu sich nach Hause eingeladen und dort mit ihnen Tests durchgeführt, angeblich für ein Studienprojekt. Von juristischer Bedeutung sind die Vorfälle nicht mehr, für eine gerichtliche Aufarbeitung liegen sie zu lange zurück. 

    Der angeklagte Pfarrer beim Prozessauftakt vor dem Landgericht in Ingolstadt. Im Hintergrund ist sein Verteidiger Nikolai Odebralski.
    Der angeklagte Pfarrer beim Prozessauftakt vor dem Landgericht in Ingolstadt. Im Hintergrund ist sein Verteidiger Nikolai Odebralski. Foto: Luzia Grasser

    Sechs Männer, alles ehemalige Ministranten aus der dortigen Pfarrei, berichteten im Lauf des Prozesses von Intelligenz- und Gesundheitstests, bei denen sie sich ausziehen mussten. Der damalige Theologiestudent forderte sie auf, Matheaufgaben zu lösen, Hampelmänner zu machen oder Kniebeugen. Als sie auf einer Liege lagen, tippte der Angeklagte sie mit einem stumpfen Gegenstand an. Zur Belohnung gab's Süßigkeiten und Limo. 

    Jahre später begründete der Pfarrer diese Vorfälle in einem Entschuldigungsschreiben an die damaligen Ministranten damit, dass er sich lange nicht entscheiden konnte, ob er Theologie oder Medizin studieren sollte. Und er schrieb: "Ich bin zu weit gegangen."

    Der angeklagte Pfarrer galt in seiner Pfarrei als Autorität

    Als Kinder und Jugendliche hatte sie sich damals nicht getraut, sich dem Willen des Oberministranten zu widersetzen oder gar an die Öffentlichkeit zu gehen. Der junge Mann galt schon damals – wie später auch als Priester – als Autorität. Hatten sich die Ministranten nicht so verhalten wie gewünscht, soll er auch schon mal mit dem "Herrn Stadtpfarrer" gedroht haben.

    An vielen der ehemaligen Messdiener sind die Ereignisse offenbar nicht spurlos vorbeigegangen. Einer von ihnen berichtete von einer Therapie, in die er sich Jahrzehnte nach den Vorfällen begeben habe. Ein anderer sagte: "Ich glaube, dass ich ein anderer Mensch wäre, wenn ich das nicht erlebt hätte."

    Der ehemalige Ministrant aus dem Kreis Pfaffenhofen, dessen Vorwürfe den Prozess ins Rollen gebracht haben, ist heute 31 Jahre alt. Auch er hat lange geschwiegen, sah sich in der Schuld des Pfarrers. Schließlich hatte der ihn kostenlos zu Wallfahrten nach Lourdes oder Rom mitgenommen, auch mal eine Einkaufstour in München mit ihm unternommen. Auch er sieht den Ursprung vieler Probleme, mit denen er es in seinem Leben zu tun hatte, in den angeklagten Missbrauchsfällen. Das Verhältnis zu seinen Eltern ist zerrüttet, er ist in die Spielsucht abgerutscht. Seine Mutter hat noch immer mit psychischen Problemen zu kämpfen. 

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