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Ingolstadt: Macheten-Prozess in Ingolstadt: Angeklagte ist schuldig

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Macheten-Prozess in Ingolstadt: Angeklagte ist schuldig

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    An Neujahr hat hier eine Patientin bei Krankenhausmitarbeitern Angst und Schrecken ausgelöst.
    An Neujahr hat hier eine Patientin bei Krankenhausmitarbeitern Angst und Schrecken ausgelöst. Foto: Armin Weigel, dpa (Symbolbild)

    Unter Tränen und zitternd nahm die Frau das Urteil entgegen, das der Vorsitzende Richter Gerhard Reicherl am Montagnachmittag im Ingolstädter Landgericht verlas. Bis zuletzt hatte die 39-Jährige gefleht, man möge ihr doch noch eine Chance geben, ihre Persönlichkeitsstörung und ihr Suchtproblem mit einer ambulanten Therapie in den Griff zu bekommen. Vergeblich. Am Ende wurde die Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt – schuldig eines tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte sowie der Beleidigung und Bedrohung in mehreren Fällen. Die Zeit wird sie jedoch nicht im Gefängnis verbringen, sondern in einer Entziehungsanstalt. Die Frau ist bereits seit Januar in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

    Was war passiert? Am 30. Dezember war die damals 38-Jährige eigentlich aus dem Ingolstädter Klinikum entlassen worden. Zwei Tage später tauchte sie dort aber wieder auf, um einer Patientin ihren Rucksack zurückzubringen – mit einem Wert von 1,4 bis 1,8 Promille im Blut. Dabei hatte sie allerdings nicht nur den Rucksack, sondern auch einen Feuerwerkskörper und eine Machete, deren Klinge fast einen halben Meter maß. Die Rakete zündete sie im Treppenhaus vor den Aufzügen, was den Brandalarm auslöste und zwei Polizisten herbeirief. Der Anklagepunkt „Herbeiführen einer Explosion“ wurde im Laufe des Verfahrens jedoch eingestellt, weil der Schaden zu gering war. Ebenso der Vorwurf der sexuellen Belästigung einer Krankenschwester zu einem früheren Zeitpunkt.

    Klinikum Ingolstadt: Angeklagte musste nach Tat lange Zeit fixiert werden

    Als die Frau die Polizisten sah, kam sie diesen immer näher und forderte sie auf, sie zu erschießen. Dabei fuchtelte sie wild mit der Machete herum. Den Beamten gelang es, die Frau ohne Waffengewalt zu Boden zu bringen. Danach wurde sie vom Krankenhauspersonal – bis zum nächsten Tag – auf einem Bett fixiert, wobei sie sich nach Kräften wehrte und wüste Beleidigungen und Bedrohungen ausstieß. All das hatte die Angeklagte bereits am ersten Verhandlungstag gestanden.

    Wie vergangene Woche berichtete eine Pflegekraft im Zeugenstand, dass die Angeklagte schon seit mehreren Jahren regelmäßig zur Behandlung ins Klinikum komme. Sie sei eine „schwierige Patientin“, impulsiv und unberechenbar – vor allem dann, wenn sie unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehe. Eine Substitutionstherapie musste wegen ihres Verhaltens sogar abgebrochen werden. Der Betreuungsrichter, der den Beschluss der Fixierung gefasst hatte, sagte aus, dass sich die Frau auch am 2. Januar immer noch derart aufbäumte, dass das Fixierungsbett wackelte. Eine Gutachterin der Kliniken des Bezirks Oberbayern in München diagnostizierte bei der Angeklagten gleich mehrere psychische Störungen. Sie leide unter einer deutlichen Hyperaktivität, einer Abhängigkeit von multiplen Substanzen und an einer Persönlichkeitsstörung des Typs Borderline. Das heißt, die Frau habe unter anderem erhebliche Stimmungsschwankungen, eine verminderte Impulskontrolle und emotionale Krisen. Zur Tatzeit habe die Angeklagte sich in einer schweren Lebensphase befunden, so die Gutachterin. Die Einsichtsfähigkeit der Frau sei nicht eingeschränkt gewesen, wohl aber die Steuerungsfähigkeit. Wie die Gutachterin deutlich machte, sei es durchaus vorstellbar, dass die Angeklagte unter Suchtmitteleinfluss weitere Straftaten begehe. Eine ambulante Therapie sehe sie kritisch, sei aber möglich.

    Macheten-Prozess: Angeklagte wurde in ihrer Kindheit misshandelt und missbraucht

    Um den psychischen Zustand der Angeklagten zu verstehen, braucht es einen Blick in ihre Vergangenheit. Wie sie vor Gericht erzählte, wurde sie in ihrer Kindheit und Jugend von der Mutter misshandelt und vom Onkel sexuell missbraucht. Der Vater sei Alkoholiker gewesen und gegenüber der Mutter gewalttätig geworden. Die Eltern trennten sich, als die Angeklagte fünf oder sechs Jahre alt war. Mit 14 Jahren war sie das erste Mal in der Psychiatrie. Sie leide immer wieder an schweren Depressionen und sei zunehmend lebensmüde, sagte die 39-Jährige. Doch nun habe sie einen genauen Plan für ihre Zukunft – in einer betreuten Wohngemeinschaft, kombiniert mit einer ambulanten Therapie. Eine gemeinschaftliche Suchttherapie in einer Einrichtung sei nichts für sie, wiederholte die Angeklagte mehrmals. Die anderen Süchtigen würden sie immer wieder „runterziehen“. „Es tut mir alles sehr leid. Ich will nicht mehr konsumieren. Diesmal werde ich es nicht verbocken!“, beteuerte die 39-Jährige.

    Die Staatsanwaltschaft forderte schließlich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die Verteidigung von deutlich unter zwei Jahren, sodass die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Der Verteidiger betonte, dass seine Mandantin nie vorhatte die Beamten zu verletzen, sondern nur sich selbst. Auf eine Bewährungsstrafe ließ sich das Gericht aber nicht ein. Das Strafmaß von zwei Jahren und drei Monaten sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begründete Richter Reicherl so: Mit ihrer Tat am ersten Januar habe die Angeklagte eine Grenze überschritten. Es habe nicht viel gefehlt und die Beamten wären verletzt worden. Die Situation habe sowohl bei den Polizisten als auch beim Pflegepersonal einen bleibenden, schockierenden Eindruck hinterlassen. Außerdem sei die Angeklagte einschlägig vorbestraft. Eine ambulante Therapie habe nach Ansicht des Gerichts wenig Aussicht auf Erfolg, schloss Reicherl.

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Angeklagte kann innerhalb einer Woche Revision einlegen.

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