Nicht nur um Mord, sondern auch um versuchte Anstiftung zum Mord geht es im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt. Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten Schahraban K. vor, im Juli 2022, also etwa vier Wochen vor dem Tod von Khadidja O., ihren Bekannten Volkan A. gefragt zu haben, ob er für sie ihren Schwager umbringt. Denn dieser soll der Versöhnung mit ihrem Mann Rawan N. im Weg gestanden haben. Sie soll Volkan A. dafür 5000 Euro gegeben haben. Weitere 5000 Euro hätte er erhalten, sobald der Auftrag erledigt sei. Am 22. Verhandlungstag ist dieser „Auftragskiller“ als Zeuge geladen. Was wird er über die mittlerweile 25-jährige Schahraban K. und ihren Plan erzählen?
Der Doppelgängerinnen-Mord von Ingolstadt
Am 16. August 2022 nachts wird in der Peisserstraße in Ingolstadt die Leiche einer jungen Frau in einem schwarzen Mercedes gefunden.
Der Mercedes gehört der damals 23-jährigen Deutsch-Irakerin Schahraban K. Ihre Eltern glauben zunächst, dass es sich bei der Toten um ihre Tochter handelt.
Dann gibt es in dem Fall eine unglaubliche Wendung: Die Tote ist nicht Schahraban K., sondern die 23-jährige Khadidja O. Sie stammt aus Eppingen, einem Ort in der Nähe von Heilbronn, und hat algerische Wurzeln.
Die totgeglaubte Schahraban K. wird zur Tatverdächtigen. Mit ihr der zum Tatzeitpunkt 23-jährige Ingolstädter Sheqir K., ein Kosovare. Die Polizei nimmt die beiden Verdächtigen noch in der Nacht von 17. auf 18. August 2022 fest.
Ungefähr ein Jahr wird ermittelt. Die Beschuldigten sitzen in Untersuchungshaft. Dann erhebt die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Anklage und das Landgericht Ingolstadt lässt die Anklage zu.
Schahraban K. und Sheqir K. werden wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes angeklagt, außerdem jeweils wegen versuchter Anstiftung zum Mord.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Anklagten vor, Khadidja O. am 16. August 2022 in ihrem Heimatort abgeholt zu haben. Dann sollen sie sich zu dritt in dem schwarzen Mercedes auf den Weg nach Ingolstadt gemacht haben.
Im Waldstück Stöckach soll Sheqir K. Khadidja O. mit einem Schlagring niedergeschlagen haben. Anschließend soll er sie mit 56 Messerstichen getötet haben.
Dann sollen die zwei Angeklagten mit der 23-Jährigen zurück nach Ingolstadt gefahren sein, wo sie das Auto in der Peisserstraße abgestellt haben.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt vermutet hinter dem Mord folgendes Motiv: Schahraban K. und Sheqir K. sollen Khadidja O. umgebracht haben, weil sie der Angeklagten zum Verwechseln ähnlich sah – wie eine Doppelgängerin.
Schahraban K. soll gezielt junge Frauen über Social Media angeschrieben und ihnen eine kostenlose Laserbehandlung angeboten haben, um sie von einem Treffen zu überzeugen. Khadidja O. ging darauf ein.
Durch den Mord wollte Schahraban K. ihren eigenen Tod vortäuschen und untertauchen, um ein neues Leben zu beginnen, so die Anklage der Staatsanwaltschaft.
Der Prozess vor dem Schwurgericht des Landgerichts Ingolstadt hat am 16. Januar begonnen. Aktuell sind gut 40 Prozesstage angesetzt – bis Anfang August.
Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert: Sie selbst sei unschuldig, ihren Mitangeklagten hat sie schwer belastet. Sie sei zwar dabei gewesen, habe aber von nichts gewusst und habe um ihr eigenes Leben gefürchtet.
Hinsichtlich der versuchten Anstiftung zum Mord lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Schahraban K. soll versucht haben, ihren Ex-Schwager umbringen zu lassen, weil dieser gegen die Beziehung von Schahraban K. mit seinem Bruder gewesen sein soll.
Die Angeklagte gibt dies zu, beteuert aber, sie habe das schon nach kurzer Zeit nicht mehr gewollt. Der Auftragskiller hat die Tat nie ausgeführt.
Sheqir K. soll in der Untersuchungshaft versucht haben, einen Mithäftling dafür anzuwerben, dass dieser nach seiner Entlassung mehrere Zeugen in dem Mordfall beseitigt. Dazu kam es aber nicht.
Sheqir K. schweigt bislang zu allen Vorwürfen. Für beide Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
In ihrer Einlassung am Anfang des Prozesses hat die Angeklagte angegeben, sie hätte Volkan A. nicht gefragt, sondern dieser habe ihr von sich aus angeboten, den unliebsamen Schwager für sie zu beseitigen. Irgendwann hätte sie zugestimmt. Später – Volkan A. hatte seinen Auftrag noch nicht ausgeführt – habe sie aber zu ihm gesagt, sie habe es sich anders überlegt, er solle den Schwager nicht mehr töten. Sollte sich dies als wahr heraustellen, wäre Schahraban K. strafbefreiend von der mutmaßlichen Tat - der versuchten Anstiftung zum Mord - zurückgetreten.
Doppelgängerinnen-Mordprozess: Der „Auftragskiller“ wurde bereits wegen Betrugs verurteilt
Volkan A., der zwischenzeitlich am Amtsgericht Ingolstadt wegen Betrugs verurteilt wurde, schilderte in seinem Prozess die Sache etwas anders: Obwohl Schahraban K. ihn immer wieder gedrängt habe, den Plan endlich in die Tat umzusetzen, habe er nicht reagiert. Er habe es von vornherein nur auf das Geld abgesehen gehabt, ließ er über seinen Verteidiger am Amtsgericht erklären. Davon ging auch die Staatsanwaltschaft aus. Demnach hatte der Ingolstädter „von Anfang an nicht ernstlich vor, den Zeugen (…) zu töten“. Sein Plan, dass er bei einem solch dubiosen Deal nie vor Gericht landen würde, ging allerdings nicht auf. Der Richter am Amtsgericht verurteilte Volkan A. zu einer einjährigen Bewährungsstrafe, weil er den Schwager nicht umgebracht und somit Schahraban K. um ihr Geld betrogen hat. Von den 5000 Euro, die der Angeklagte von Schahraban K. kassiert hatte, hat er auch nichts. Das Geld muss der Ingolstädter an die Staatskasse zahlen.
Vor dem Landgericht erscheint Volkan A. als Zeuge zunächst nicht, dabei ist er für 9.15 Uhr geladen. Da verfügt der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl, der Zeuge soll an seiner Wohnadresse in Ingolstadt abgeholt und vorgeführt werden. Letztendlich stellt sich heraus, dass er am Klinikum Ingolstadt ist und dort gerade seine kranke Mutter besucht. Er hatte sich den Termin falsch ins Handy eingespeichert, sagt er vor Gericht aus, als er gegen 11 Uhr endlich auftaucht.
Schahraban K.s Plan: Schwager sei im See ertrunken
Die Version des 35-Jährigen, der mit Zeugenbeistand vor Gericht erscheint, geht so: Die Angeklagte habe ihn kontaktiert, weil sie Container für ein Corona-Testzentrum haben wollte. Das Geschäft kam aber nicht zustande, da ihr die Container zu teuer waren. Trotzdem trafen sie sich noch vier oder fünfmal, erzählt der Zeuge. Irgendwann habe sie ihn gefragt, ob er jemanden wissen würde, der gegen Geld tötet. Oder ob er selbst ihren Schwager beseitigen könnte. 10.000 Euro habe sie ihm geboten. 5000 Euro als Vorschuss, den Rest nach der Tat. Er stimmte zu, weil er sich dachte, sie sei zwar dominant, aber dumm. Warum Schahraban K. wollte, dass ihr Schwager stirbt, habe sie ihm nicht verraten, behauptet Volkan A.
Dann werden im Gerichtssaal Chatnachrichten verlesen und Sprachnachrichten vorgespielt, die sich Volkan A. und Schahraban K. im Juli und August 2022 geschickt haben. Eine besonders lange Aufnahme ist darunter, von der der 35-Jährige nicht wusste, dass sie gemacht wird, wie er angibt. Darin erklärt die Angeklagte genau, wie Volkan A. sein Opfer finden könne. Sie nennt die Straße, in der der Schwager in Augsburg wohnt, beschreibt sein Haus und weitere Adressen, wo er sich öfter aufhält. Sie betont immer wieder, dass nichts schief laufen dürfe, dass der Schwager keine Verletzungen von der Tat aufweisen dürfe und dass der Beauftragte keine Gnade zeigen solle. Er solle dem Schwager Pillen verabreichen oder anderes "gefährliches Zeug" und er solle ihm eine Badehose anziehen. Der Plan schien zu sein, den Eindruck zu erwecken, der Mann sei im Starnberger See ertrunken. Doch soweit kam es nie. Wie aus den Nachrichten ersichtlich wird, fragte die Angeklagte mehrmals bis Mitte August nach, ob der Auftrag endlich erledigt sei. Volkan A. vertröstete sie stets auf später. Irgendwann sagte sie, wenn er nicht in der Lage dazu sei, wolle sie ihr Geld zurück, sie fände dann jemand anderen. Schahraban K. wirkt in den Nachrichten oft verzweifelt. So schreibt sie zum Beispiel: "Bei mir läuft alles schlimmer als schlimm" oder "ich hab große Probleme", Details nennt sie aber nicht.
Nochmalige Suche in Heilbronn: Tatwaffe bleibt verschollen
Nach der Zeugenvernehmung erklärt Staatsanwalt Jochen Metz, die Aussage habe seiner Ansicht nach ergeben, dass die Initiative zum Mordversuch von Schahraban K. ausgegangen sei und dass sie nie endgültig davon abgelassen habe. Dies widerlege ihre Einlassung und zeige, wie manipulativ die Angeklagte sei. Ihr Verteidiger Alexander Betz widersprach dem Staatsanwalt. Den Sachverhalt an sich habe seine Mandantin bereits eingeräumt. Doch von wem die Initiative ausging, bewiesen auch die Chats nicht. Hier stehe Aussage gegen Aussage. Zudem sei seine Mandantin durchaus vom dem Auftrag zurückgetreten. Ob der Rücktritt deshalb erfolge, weil man nicht mehr will oder weil man den Ausführenden für unfähig halte, spiele rechtlich keine Rolle.
Schließlich tritt noch eine Polizisten aus Heilbronn in den Zeugenstand. Sie berichtet von neuen Ermittlungen an den beiden Tatorten, die Schahraban K. in ihrer Einlassung beschrieben hat: das Waldstück Stöckach und einen Supermarktparkplatz bei Bad Rappenau, beides in der Nähe von Heilbronn. Im Wald soll Sheqir K. der Einlassung der Angeklagten zufolge Khadidja O. niedergeschlagen haben, auf dem Parkplatz soll er ihr im Auto die finalen Stiche verpasst und dann die Tatwaffe weggeworfen haben. Die Heilbronner Polizei hat die zwei Orte noch einmal gründlich abgesucht, unter anderem mit einem Metalldetektor, und für die Prozessbeteiligten im Gerichtssaal Aufnahmen mit Drohnen gemacht. Die Kriminalhauptkommissarin ist sich sicher: Wäre dort ein Messer gelegen, hätten sie es gefunden. Die Suche nach der Tatwaffe blieb einmal mehr erfolglos.
Darum geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess von Ingolstadt
Das wird den Angeklagten vorgeworfen: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten hat sie allerdings schwer belastet. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.