Seit 20 Tagen läuft der sogenannte Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt inzwischen. Nach wie vor ist vieles unklar. An diesem Tag sagen unter anderem eine Ex-Freundin des Angeklagten Sheqir K. aus und eine junge Frau, mit der er sich gerade in der "Kennenlernphase" befand, als der Mord an Khadidja O. geschah. Wie werden die Frauen den Mann beschreiben, der im August 2022 eine 23-Jährige mit mehr als 50 Messerstichen getötet haben soll?
Was die jungen Frauen erzählen, will alles nicht so recht passen zu dem Bild, das die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage von Sheqir K. zeichnet. Ein Mann, der eine Frau zuerst mit einem Schlagring niederschlägt und sie dann bestialisch ersticht, muss doch vorher aufgefallen sein. Er muss doch durch und durch ein schlechter Mensch sein? Oder etwa nicht? Vor Gericht passen Schein und Realität oft nicht zusammen. Es steht allerdings auch noch nicht fest, ob Sheqir K. wirklich der Mörder von Khadidja O. ist. In diesem Prozess werden auf diesen noch viele weitere Verhandlungstage folgen. Der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl kündigte vergangene Woche bereits an, dass alle Prozessbeteiligten sich Termine bis Weihnachten in ihren Kalendern freihalten sollen - bislang ist der Prozess bis Anfang August terminiert.
Doppelgängerinnen-Mordprozess: Eine Ex-Freundin von Sheqir K. sagt aus
Die erste Zeugin an diesem Dienstag kennt den Angeklagten seit ungefähr vier Jahren. Sie war drei Monate, von Februar bis Mai 2022, mit ihm zusammen. Sheqir K. beschreibt sie als ruhigen und netten Menschen, als lustig. Er habe gekifft und manchmal Alkohol getrunken. Beim Kiffen habe er sich nicht groß vereändert, durch Alkohol sei er etwas hibbeliger geworden, habe zum Beispiel mehr getanzt beim Feiern, erzählt die Ex-Freundin. Getrennt hätten sie sich, weil sie mitbekommen habe, dass er auch anderen Mädchen Nachrichten geschrieben hat, eine davon sogar als "Baby" bezeichnet hat.
Die zweite Zeugin hat Sheqir K. im Mai/Juni 2022 kennengelernt. Sie haben sich regelmäßig getroffen und geschrieben. Auch sie beschreibt ihn als "netten Jungen", mit einem sehr ordentlichen Zimmer, der ihr gegenüber nie aggressiv geworden sei. Nur an seiner Ehrlichkeit begann sie irgendwann zu zweifeln, zum einen, weil er ihr erzählt habe, er arbeite, obwohl er zu dieser Zeit arbeitslos war, und zum anderen, weil er ihr nicht immer die Wahrheit gesagt habe, wenn er sich mit seinen Kumpels traf und dann auch Frauen dabei waren. Wenn Sheqir K. gekifft habe, sei er "lustig drauf" gwesen, habe "Quatsch" geredet und sei relativ schnell müde geworden. Auch am Tattag hat diese Zeugin Kontakt mit dem Angeklagten gehabt. Beziehungsweise sie hat ihn angeschrieben - aber er hat den ganzen Tag nicht geantwortet. Später habe er gemeint, er sei beschäftigt gewesen mit den Vorbereitungen für eine Beerdigung. Am nächsten Tag war sein Handy bereits aus, Nachrichten kamen nicht mehr durch.
Beide Frauen sagen über den Angeklagten, dass er ein ausgesprochener Familienmensch sei. Er habe sich um seinen behinderten Buder gesorgt, seine Mutter unterstützt und viel über seine Schwester geredet. Für seine Nichten und Neffen habe er regelrecht geschwärmt, die habe er geliebt und oft mit ihnen gespielt. Über Frauen soll er nie ein schlechtes Wort verloren haben, sie hätten einen hohen Stellenwert bei ihm gehabt. Sheqir K. sei selbstbewusst gewesen, auch im Umgang mit Frauen, nicht leicht beeinflussbar und habe "eher sein eigenes Ding" gemacht. Aggressives Verhalten kennen die Frauen bei Sheqir K. nur vom Hörensagen. So soll es beispielsweise einmal zu einer Schlägerei in einer Shisha-Bar gekommen sein.
Landgericht Ingolstadt: Und wieder kann sich ein Zeuge nicht erinnern
Dann tritt ein ehemaliger Klassenkamerad von Sheqir K. in den Zeugenstand. Er war mit dem Angeklagten befreundet - vor der Tat. Seinen einstigen Freund beschreibt der Zeuge als loyal und hilfsbereit. Schahraban K. habe er nur sehr flüchtig gekannt, er habe sie lediglich einmal mit Sheqir K. zusammen gesehen, aber kein Wort mit ihr gewechselt. Dieser Zeuge ist wieder einmal einer, der aus dem Ingolstädter Bekanntenkreis des ganz zu Anfang vernommenen Marcello B. stammt, aus der Gruppe, die sich an nichts zu erinnern pflegt. Die Gruppe, die sich am Tag nach der Tat traf, und schon alles zu wissen glaubte - als die Polizei noch gar nichts wusste. Ungefähr zu zehnt seien sie bei diesem Treffen gewesen, jeder habe erzählt, was er so gehört habe, unter anderem, das Sheqir K. der Mörder sei, berichtet der Zeuge. Auf viele andere Fragen, zum Beispiel, ob sie sich auch jetzt noch im Freundeskreis über den Mordfall unterhalten und ihre Aussagen absprechen würden, antwortet er aber nur noch mit "Keine Ahnung, weiß ich nicht mehr...".
Dies veranlasst Klaus Wittmann, einer der zwei Verteidiger von Sheqir K., dazu, nach der dürftigen Aussage eine Erklärung abzugeben: Einmal mehr würde in diesem Verfahren ein Zeuge nicht die ganze Wahrheit sagen. Wittmann macht aber noch einen anderen Punkt: Diese Blase an Zeugen der Anklage, die sich gegenseitig erzählten, was passiert war, erkläre, warum alle einhellig seinen Mandanten belasten würden. In ihren Köpfen habe sofort festgestanden, dass Sheqir K. der Mörder sei. Die Polizei beschuldigt der Ingolstädter Verteidiger, einseitig ermittelt und bei ihren Vernehmungen die Beschuldigten bereits als Täter bezeichnet zu haben, was eklatant gegen die Unschuldsvermutung verstoße. Staatsanwalt Jochen Metz verwehrt sich gegen diesen Vorwurf.
Nach der Mittagspause sagt ein weiterer Freund von Sheqir K. aus. Dieser sei ein "anständiger Junge", eher schüchtern. Vor der Verhaftung hätten sie sich mehrmals die Woche getroffen. Am Tag nachdem die Leiche in der Peisserstraße in Ingolstadt gefunden wurde, habe ihm "Chico" - also Marcello B. - einen Zeitungsbericht geschickt mit der Nachricht, dass Sheqir K. dies gewesen sei. So habe er von der Tat erfahren. Viel mehr hat der Zeuge nicht zu erzählen.
Der letzte Zeuge an diesem Tag ist ebenfalls ein Freund von Sheqir K. Sie kennen sich seit Kindertagen. Er ist aber auch ein Freund von Furkan Y. Der Ingolstädter Rapper hat schon in diesem Prozess ausgesagt. Er war mit dem Opfer Khadidja O. zusammen. Der Zeuge war gerade mit Furkan Y. im Urlaub, als sie von dem Leichenfund in Ingolstadt erfuhren und sich zeitgleich Furkan Y.s Freundin nicht mehr meldete. Ob er sich erklären könnte, woher die Angeklagten Khadidja O. gekannt haben könnten, wird der Zeuge gefragt. Doch darauf hat er keine Antwort. Er würde sich das selbst fragen, schließlich habe Furkan Y. die Beziehung eher geheim gehalten.
Mutter und Schwester des Angeklagten haben den Prozesstag im Zuschauerbereich verfolgt. Auch Schahraban K.s Eltern waren wieder vor Ort.
Darum geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess in Ingolstadt
Das wird den Angeklagten vorgeworfen: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. bestreitet die Vorwürfe und belastet ihren Mitangeklagten. Sheqir K. hat sich bislang nicht geäußert. Es gilt die Unschuldsvermutung.