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Ingolstadt: Doppelgängerinnen-Mordprozess: Was ist dran an der "Todesliste"?

Ingolstadt

Doppelgängerinnen-Mordprozess: Was ist dran an der "Todesliste"?

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    An Tag 19 geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess um den Angeklagten Sheqir K. Links im Bild Verteidiger Klaus Wittmann.
    An Tag 19 geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess um den Angeklagten Sheqir K. Links im Bild Verteidiger Klaus Wittmann. Foto: Dorothee Pfaffel

    Bislang stand meist die Angeklagte Schahraban K. im Mittelpunkt des sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozesses am Landgericht Ingolstadt. An Tag 19 geht es nun aber vor allem um den Mitangeklagten Sheqir K. Ihm wird nicht nur Mord vorgeworfen, sondern auch Anstiftung zum Mord. Er soll laut Staatsanwaltschaft in der Untersuchungshaft auf einer Liste Namen notiert haben mit potenziellen Belastungszeugen und dann einen Mithäftling dazu angestiftet haben, einen Teil dieser Zeugen zu eliminieren und einen Teil zu verletzen, wenn er entlassen wird. Was ist dran an dieser "Todesliste"? Mitgefangene des Angeklagten sollen als Zeugen Licht ins Dunkel bringen.

    Doppelgängerinnen-Mordprozess: Ehemaliger Mithäftling des Angeklagten Sheqir K. sagt aus

    Der Hauptbelastungszeuge wurde allerdings auf einen anderen Tag umgeladen. Der erste Zeuge, der aussagt, ist ein Häftling, der im Jahr 2023 drei bis vier Monate auf dem gleichen Gang wie Sheqir K. in der JVA Augsburg-Gablingen inhaftiert war: Jimmy I., ein Bäcker, der im Gefängnis als Hausarbeiter eingesetzt war, das heißt, er durfte Essen verteilen und putzen. Er habe kein Problem mit Sheqir K. gehabt, habe ihn behandelt wie jeden anderen auch, erzählt der Zeuge. Manchmal hätten sie sich gegenseitig auf ihren Zellen besucht. Der 38-Jährige beschreibt den Angeklagten als eher unauffällig, respektvoll und "normal". Er sei nie beleidigend oder aggressiv geworden, habe nicht bedrohlich gewirkt. Sein Haftraum sei ungewöhnlich sauber und aufgeräumt gewesen, nie habe es dort gestunken. 

    Dann wird im Gerichtssaal eine Liste gezeigt, die im Mai 2023 in der JVA sichergestellt wurde: ein unscheinbares, kariertes Blatt Papier. Mit blauem Kugelschreiber sind leserlich Namen und Adressen darauf notiert. Unter anderem steht auch der Name des bereits vernommenen Ingolstädter Zeugen Marcello B. darauf. Eine solche "Todesliste" habe er nie gesehen, sagt der Zeuge. Sheqir K. habe ihn auch nie gefragt, ob er etwas für ihn nach draußen schmuggeln könne. 

    Außerdem beschreibt der Zeuge noch, wie die Insassen in der JVA Gablingen ihre Akte einsehen können: Ein PC-Wagen wird in einen extra dafür vorgesehenen Raum gefahren, der Häftling wird dort alleine eingesperrt. Sheqir K. habe sich Notizen zu seiner Akte gemacht, sagt der Zeuge noch. Mehr wisse er nicht.

    Landgericht Ingolstadt: So wurde die "Todesliste" gefunden

    Im Anschluss sagt ein Justizbeamter der JVA Augsburg-Gablingen aus. Er war zum Zeitpunkt des Auffindens der Liste als Sicherheitsbeamter tätig. Er berichtet von einem Gefangenen namens Ivan C., der einem anderen Beamten den Hinweis gab, er habe relevante Informationen über seinen Mitinsassen Sheqir K. Es kam zu einem Dreier-Gespräch, in dem Ivan C. den Justizbeamten von verschiedenen illegalen Vorgängen in der JVA erzählte, zum Beispiel von einem versteckten Handy und Betäubungsmitteln - und eben von der "Todesliste", einer Liste mit mehreren Namen, die mit einem Plus und einem Minus versehen seien, je nachdem, ob man sie "zum Schweigen bringen" oder sich nur "gut um sie kümmern" sollte. Ivan C. habe, so sagte er damals, sogar dem Aktenstudium von Sheqir K. beigewohnt - was aber nach Aussage des Justizbeamten gar nicht möglich oder zumindest nicht erlaubt ist. Jimmi I. sollte, so Ivan C., die Liste aus dem Gefängnis schmuggeln.

    Daraufhin habe er in den Zellen von Sheqir K. und Jimmy I. eine Haftraumkontrolle angeordnet, berichtet der Zeuge. Dabei sei alles auf den Kopf gestellt worden, sogar Steckdosen und Lichtschalter seien abmontiert worden. 

    Ivan C. ist in der JVA als "Zinker" bekannt, also als jemand, der andere "verpfeift". Ein Teil der Informationen, die er seinen Aufsehern gab, stimmte, ein großer Teil aber nicht, räumt der Justizbeamte vor Gericht ein. Ivan C. ist der Zeuge, dessen Aussage auf einen späteren Tag verschoben wurde.

    Ein Polizeibeamter beschreibt im Anschluss, wie die "Todesliste" gefunden wurde: Zusammen mit einer Kollegin habe er die Zellen von Sheqir K. und Jimmy I. durchsucht. Sheqir K. sei in einem separaten Raum darüber belehrt worden, dann wurde sein Haftraum ohne sein Beisein durchkämmt. Der Beschuldigte hätte sich aber damals mit der Durchsuchung einverstanden erklärt, betont der Zeuge. In einer Klarsichtfolie in einem Ordner mit Verwaltungsdokumenten zum Verfahren haben die Polizisten die Zettel schließlich entdeckt. Sheqir K. habe zunächst zwar gesagt, er wolle sich dazu nicht äußern, zu ein paar Worten ließ er sich aber doch hinreißen: Auf der Liste stünden Freunde, die er anschreiben wollte. Den Vorwurf, es handle sich um eine Tötungsliste, tat er als "Quatsch" oder als "lächerlich" ab. Ein Protokoll dieser Art Vernehmung wurde nicht angefertigt.

    War die Art der Beweiserhebung unzulässig?

    Sheqir K.s Verteidiger Klaus Wittmann widerspricht der Verwertung der Beweiserhebung bei der Durchsuchung der Zelle seines Mandanten mit Nachdruck und Ärger in der Stimme. Die Aktion habe ohne neutrale Zeugen und ohne den Beschuldigten stattgefunden, zudem habe man Sheqir K. noch einmal auf die Liste angesprochen, obwohl er bereits gesagt hatte, keine Angaben machen zu wollen. Bei dem gesamten Vorgang handle es sich um eine "eklatante Verletzung der Schutzrechte des Beschuldigten und der Strafprozessordnung", wettert Wittmann. Der Verteidiger spricht von einem "Hauruck-Verfahren", das nicht vernünftig dokumentiert worden sei - gar von "schreiendem Dilettantismus". 

    Als letzter an diesem Donnerstag tritt der Sachverständige in den Zeugenstand, der die "Todesliste" beziehungsweise das Papier, auf dem die Namen notiert waren, daktyloskopisch untersucht hat. Das bedeutet, er hat die beiden Zettel auf Fingerabdrücke und Handflächenspuren geprüft. 20 Finger- und vier Handflächspuren seien sichergestellt worden, berichtet der Gutachter. Davon stammten 20 von Sheqir K. und vier von Ivan C. Wann die Spuren auf das Papier gekommen sind, lässt sich mit der Methode allerdings nicht feststellen, räumt der Experte ein.

    Ob die Liste, die Spuren darauf und das Ergbenis des Gutachtens in der Hauptverhandlung berücksichtigt werden dürfen, hängt nun davon ab, ob die Kammer dem Widerspruch von Verteidiger Wittmann stattgibt. Die Entscheidung hat sich der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl noch vorbehalten. Stellt sich die Erhebung als rechtswidrig heraus, sind auch die Beweise selbst wertlos.

    Darum geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess von Ingolstadt

    Was wird den Angeklagten vorgeworfen? Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten hat sie allerdings schwer belastet. 

    Für beide Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Die Verhandlung wird am Dienstag, 16. April, fortgesetzt. Bislang stehen Verhandlungstermine bis Anfang August fest. Der Vorsitzende Richter hat am Donnerstag allerdings in Aussicht gestellt, dass das Verfahren nach einer Sommerpause noch deutlich länger dauern könnte.

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