Tränenreich und emotional wird es am 18. Verhandlungstag im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt. An diesem Tag sind die Eltern und der Onkel der Angeklagten Schahraban K. als Zeugen geladen. Nahe Angehörige haben grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht - werden sie davon Gebrauch machen?
Den Eltern von Schahraban K. steht sogar ein doppeltes Aussageverweigerungsrecht zu, wie sich herausstellt. Denn die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet wegen falscher Verdächtigung. Ihnen wird vorgeworfen, nach der Tat beziehungsweise nach dem Auffinden des Mercedes mit der Leiche in der Peisserstraße in Ingolstadt fälschlicherweise behauptet zu haben, dass die Tote ihre Tochter sei. Außerdem sollen sie deren Ex-Mann Rawan N. und dessen Bruder beschuldigt haben, ihre Tochter getötet zu haben. Bei den Eltern wurde eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt - doch wie die Polizisten berichten, habe man dabei "nichts Auffälliges" gefunden. Wegen des Ermittlungsverfahrens haben die Eltern auch dahingehend ein Verweigerungsrecht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Das Ermittlungsverfahren ist noch offen.
Doppelgängerinnen-Mordprozess in Ingolstadt: Wussten Schahraban K.s Eltern etwas?
Zahlreiche Zeugen - insbesondere Rettungskräfte und Polizisten, die beim Fund der Leiche vor Ort waren - haben in den vergangenen Wochen bereits ausgesagt, dass die Reaktion der Eltern auf den leblosen Körper im Auto ihrer Tochter - Schreien und Weinen - authentisch gewesen sei. Folglich: Dass die Eltern die Leiche wohl tatsächlich für ihre Tochter gehalten haben müssen und ihre Trauer nicht nur spielten. Wie der mit diesem Fall betraute Ermittlungsführer der Kriminalpolizei Ingolstadt, der am Dienstag als Zeuge geladen ist, allerdings anmerkt, sei nach wie vor unklar, wie Vater und Mutter den Mercedes der Tochter am 16. August 2022 in der Nacht so schnell finden konnten.
Die Eltern und der Onkel von Schahraban K. sind am Dienstag zwar extra aus München angereist und treten auch kurz vor die Kammer, doch darüber hinaus sind sie von ihrer Pflicht schnell entbunden. Alle drei berufen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, wie sie mittels Dolmetscher erklären. Während sich Schahraban K. und ihr Onkel gegenseitig freundlich anblicken, als er hereinkommt, schauen die Eltern sie gar nicht an. Als Vater und Mutter nacheinander den Saal 11 des Landgerichts Ingolstadt betreten und wieder verlassen, zeigen sie überhaupt wenig Emotionen. Schahraban K. hingegen lächelt sie an, sie scheint sich zu freuen, ihre Eltern wiederzusehen - schließlich sitzt die junge Frau seit mehr als eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft.
Als die Verhandlung dann kurz unterbrochen wird und die meisten Prozessbeteiligten und Zuschauer den Saal verlassen, dürfen Schahraban K. und ihre Eltern sich näherkommen. Und plötzlich ist da ganz viel Gefühl: Sie fallen sich in die Arme und weinen. Schahraban K. drückt ihre Mutter fest an sich, der Vater streicht ihr immer wieder übers Haar. Wenige Minuten dürfen sie sich ganz nahe sein - dann führen die Justizbeamten die Angeklagte für den Rest der Pause aus dem Saal. Die Eltern trocknen ihre Tränen mit einem Taschentuch, den weiteren Verlauf des Verhandlungstags verfolgen sie vom Zuschauerbereich aus.
Doppelgängerinnen-Mordprozess: Das ist Schahraban K.s Familie aus München
Auch wenn Onkel, Vater und Mutter von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, erfährt man an diesem Dienstag ein bisschen mehr über die Familie der Schahraban K. Die Familie wohnt nach wie vor im Münchner Osten. Der Onkel, in Lederjacke und Jeans gekleidet, ist 38 Jahre alt und arbeitet als "Fahrer", wie er sagt. Der Vater, etwas förmlicher mit Hemd und Sacko zur Jeans, ist 49 Jahre alt und arbeitet ebenfalls als Taxi-Fahrer. Beide Männer haben kurze schwarze Haare. Die Mutter, sie trägt einen Blazer zur Jeans, ist 45 Jahre alt und Hausfrau. Im Gegensatz zu ihrer Tochter hat sie keine lange Lockenmähne, sondern glattes, schulterlanges Haar. "Ich habe nichts zu sagen", übersetzt der Dolmetscher ihre wenigen Worte. Wie man später den Aussagen der geladenen Polizisten entnehmen kann, hat Schahraban eine Schwester und drei Brüder.
Dann berichten mehrere Polizeibeamte, die an der Durchsuchung der Wohnung von Schahraban K.s Eltern beteiligt waren. Die Wohnung sei eher einfach eingerichtet gewesen, erzählt einer der Zeugen. Als wohlhabend würde er die Familie nicht bezeichnen. Die Mutter sei in der Nacht nach dem Fund der Leiche derart aufgewühlt gewesen, dass es nicht möglich war, sie zu vernehmen. Am Fundort habe sich die Mutter sogar die Haare gerauft und habe sich fast selbst verletzt, schildert einer der Polizeibeamten. Die Schwester und der ältere Bruder von Schahraban K. hätten dagegen emotionslos gewirkt, möglicherweise seien sie in einem Schockzustand gewesen. Der Polizist, der den Eltern später die Nachricht überbracht hat, dass ihre Tochter doch am Leben, aber nun Tatverdächtige sei, berichtet, dass sie sich vor Freude auf den Boden geschmissen hätten und ihm die Füße küssen wollten.
Am Ende des Verhandlungstags dürfen die Angeklagte und ihre Eltern sich noch einmal kurz in die Arme schließen, danach geht es für Schahraban K. zurück in die JVA München.
Darum geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess von Ingolstadt
Was wird den Angeklagten vorgeworfen? Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten hat sie allerdings schwer belastet.
Für beide Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Die Hauptverhandlung wird am Donnerstag, 11. April, fortgesetzt.