Gleich vier Rechtsanwälte verteidigen Schahraban K., die 24-Jährige, die sich derzeit wegen Verdachts des Mordes an ihrer „Doppelgängerin“ vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten muss. Zwei von ihnen sind Pflichtverteidiger, das heißt, sie wurden der Beschuldigten durch das Gericht beigeordnet. Die anderen beiden dürfte die Frau zusätzlich engagiert haben, um vor den drei Berufsrichtern und zwei Schöffen bestmöglich vertreten zu werden. Außerdem sitzen ihr zwei Staatsanwältinnen und ein Nebenkläger gegenüber. Einer ihrer Wahlverteidiger ist Alexander Stevens, True-Crime-Podcaster, Autor und ehemaliger Schauspieler. Der 42-Jährige hat nun gemeinsam mit Johannes Makepeace - er ist einer der Pflichtverteidiger - erstmals ausführlich auf Social Media über den Fall gesprochen.
Im Gerichtssaal tragen beide Anwälte schwarze Roben, darunter Anzüge und weiße Krawatten, wie es früher die strenge Gerichtsordnung vorschrieb. Heutzutage sind die weißen Krawatten nicht mehr Pflicht, doch sie wirken elegant und wecken Assoziationen von Unschuld und Reinheit. In ihrem Instagram-Video geben sich Stevens und Makepeace leger in Pullovern, genauso locker sprechen sie über ihr aktuelles Mandat, das weltweit in den Schlagzeilen ist. Fünf Streamingdienste habe er zudem im Gerichtssaal gezählt, sagt Stevens im Video. Ein Fall also, der zu dem medienaffinen Anwalt passt, der zuletzt den Sänger Gil Ofarim wegen falscher Verdächtigung vertreten hat.
Eine der zentralen Fragen im Doppelgängerin-Verfahren in Ingolstadt
Makepeace wurde 2023 vom Handelsblatt im Ranking "Deutschlands beste Anwälte 2023" als "Anwalt der Zukunft" gelistet. Eine Auszeichnung, die Anwältinnen und Anwälten verliehen wird, die sich in ihrer noch jungen Karriere durch besondere Leistungen hervorgetan haben, wie auf der Internetseite von Makepeace zu lesen ist. Alexander Betz ist der zweite Pflichtverteidiger. Er ist Partner in der Kanzlei "Stevens und Partner". Der Vierte im Bunde des Anwaltteams von Schahraban K. ist Jamil Azem. Alle vier Verteidiger kommen aus München.
Stevens und Makepeace sprechen in ihrem Video einige wichtige Fragen an, die der Doppelgängerinnen-Mord aufwirft. Zum Beispiel: Wie hat es Schahraban K. geschafft, Sheqir K. innerhalb von nur zehn Tagen - denn länger kannten sie sich anscheinend noch nicht - von einem Mord zu überzeugen? Denn so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Die Deutsch-Irakerin und der Kosovare sollen im August 2022 gemeinschaftlich die 23-Jährige Khadidja O. getötet haben, die hauptsächliche Gewalt soll von dem heute 25-Jährigen ausgeübt worden sein. Er soll Khadidja O. zunächst mit einem Schlagring niedergeschlagen haben, bevor sie mit 56 Messerstichen umgebracht wurde. Nur: Warum hat er mitgemacht? Wie ist die Verbindung der beiden Angeklagten? Ein Liebespaar sollen sie nicht gewesen sein.
Hat die Staatsanwaltschaft zu früh Anklage erhoben? Auch diese Frage stellen Stevens und Makepeace in den Raum. Wollte die Angeklagte wirklich untertauchen und ein neues Leben beginnen? Warum hat sie Ingolstadt dann nicht verlassen, sondern konnte dort festgenommen werden, nachdem sie durch einen DNA-Abgleich vom Opfer zur Tatverdächtigen geworden war? War es vielleicht doch anders und die Staatsanwaltschaft hat die These der Medien vom Doppelgängerinnen-Mord zu leichtfertig übernommen, fragt Stevens.
Verteidiger des Angeklagten Sheqir K. stammen aus Ingolstadt und Umgebung
Die Anwälte sprechen auch über die Verteidiger des anderen Angeklagten: Sheqir K. wird von zwei heimischen Anwälten vertreten. Thilo Bals aus Manching und Klaus Wittmann aus Ingolstadt. Eigentlich wäre Star-Anwältin Regina Rick, die unter anderem durch das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Rupp bekannt wurde, noch Teil des Teams gewesen, doch sie steckt noch mitten im Prozess um den Tod der Studentin Hanna aus Aschau. Wittmann und Bals arbeiteten mit Rick bereits im Rupp- beziehungsweise im Badewannen-Mord-Verfahren zusammen, kennen sich also ebenfalls mit undurchsichtigen Fällen aus.
Mit einer sogenannten Sockelverteidigung - so nennt man ein gemeinsames strategisches Vorgehen der Strafverteidiger von mehreren in derselben Sache Beschuldigter - gehen die beiden Anwalt-Teams aber nicht vor. Im Gegenteil: Sie wirken im Gerichtssaal eher wie Gegner und leisteten sich schon am ersten Verhandlungstag ein kleines Scharmützel.
Stevens lobt im Video den Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl als sehr besonnen. Er nehme die Argumente der Verteidigung ernst und lehne Anträge nicht vorschnell ab.
Doppelgänger-Mordprozess am Gericht in Ingolstadt dauert wohl länger
Makepeace und Stevens erklären schließlich noch einen interessanten Aspekt, der bislang an beiden Verhandlungstagen auffiel: Solange Kameras im Raum sind, stellen sie sich so vor ihre Mandantin, dass außer ihren braunen Haaren nichts von ihr zu sehen ist. Außerdem sitzen sie im Gerichtssaal unmittelbar rechts und links von der Angeklagten. Die beiden Anwälte sehen sich in zwei Rollen - als Beschützer und als Rechtsberater. Zum einen wollten sie ihre Mandantin - ein junges Mädchen, wie Stevens betont - nicht allein auf weiter Flur stehen lassen, sondern sie wie eine "Firewall" abschirmen, auch auf deren Wunsch. Zum anderen könnten sie so leichter mit ihr kommunizieren.
Am Dienstag, 30. Januar, werden die Anwälte wieder gemeinsam im Saal elf des Ingolstädter Landgerichts auflaufen. Dann ist mit der Einlassung ihrer Mandantin zu rechnen. Ob sie auch Fragen beantworten wird, ist noch unklar. Ihr mutmaßlicher Komplize wird sich voraussichtlich ebenfalls äußern.
Inzwischen zeichnet sich bereits ab, dass das Verfahren länger dauern wird als die ursprünglich geplanten 28 Tage. Der Richter fragte die Prozessbeteiligten beim letzten Mal bereits nach freien Terminen im Sommer.