Doppelgängerinnen-Mord: Hat ein Dritter die Frauen angeworben?
Die Verteidiger von Schahraban K. beantragen im Doppelgängerinnen-Mordprozess in Ingolstadt ein IT-Gutachten. Wie es die Unschuld ihrer Mandantin beweisen soll.
Im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor, sie hätten die 23-jährige Khadidja O. mit 56 Messerstichen getötet, weil die Angeklagte ihren eigenen Tod vortäuschen und ein neues Leben beginnen wollte. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll Schahraban K. Frauen, die ihr ähnlich sahen, auf Instagram kontaktiert haben. Entsprechende Nachrichten fanden die Ermittler bei der Auswertung mehrerer Instagram-Konten, die sie der Angeklagten zuordnen. Doch was wäre, wenn Schahraban K. diese Nachrichten gar nicht selbst geschrieben hätte? Was, wenn sich irgendjemand anderes Zugang zu den Accounts verschafft und die Texte mit den Anwerbeversuchen verschickt hätte? Beweisanträge, die sich mit dieser Möglichkeit befassen, haben die Verteidiger der 25-jährigen Deutsch-Irakerin nun am Landgericht Ingolstadt vorgebracht. Sollten an diesem Teil der Anklageschrift begründete Zweifel aufkommen - könnte das die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ins Wanken bringen?
IT-Gutachten in Doppelgängerinnen-Mordprozess von Ingolstadt gefordert
Die Verteidiger von Schahraban K. beantragen, wie der Münchner Rechtsanwalt Johannes Makepeace vorträgt, die Einholung eines IT-forensischen Sachverständigengutachtens. Dieses soll vier Punkte beweisen:
- Die Instagram-Accounts, die für die Anwerbeversuche verwendet wurden, seien bereits mehrere Jahre vor der Tat - und somit nicht eigens für die Umsetzung des Mordplans - erstellt worden, genauer zwischen 2015 und 2020.
- Wenigstens eines der Konten sei auch nach der Inhaftierung der Angeklagten und der Sicherstellung ihrer Mobiltelefone noch aktiv gewesen. Zumindest wurde darin später noch ein Beitrag erstellt.
- Die Nachrichten, die Schahraban K. an die ermordete Khadidja O. geschrieben haben soll, seien von keinem der bekannten Smartphones der Angeklagten versendet worden.
- Und auch die Nachrichten an die anderen Frauen, die Schahraban K. ähnlich sehen, seien von einem anderen Endgerät verschickt worden.
Ein Sachverständiger werde bekunden, dass es bislang keine Daten gebe, die explizit die Handys der Angeklagten mit den Anwerbetexten in Verbindung bringen, sagt Makepeace. All dies ist Ergebnis eines IT-forensischen Gutachtens, das die Verteidiger-Seite in Auftrag gegeben und bereits vorliegen hat. Ein solches Gutachten, sei auch deshalb notwendig, weil die zuständigen Ermittler zugegeben hätten, keine IT-Experten zu sein, betont der Verteidiger. Er schlägt auch gleich einen IT-Sachverständigen vor.
Schahraban K.s Verteidigung ist sich sicher: "Eine sachverständige Analyse der Daten im Zusammenhang mit der Mobiltelefonauswertung und der von Meta bereitgestellten Daten wird zeigen, dass konkrete Indizien vorliegen, dass nicht die Angeklagte die verfahrensrelevanten Instagram-Nachrichten versendet hat." Das sei insbesondere deshalb bezeichnend, da der andere Angeklagte sein Handy durch einen Freund entsorgen ließ, ein Zeuge, der mit beiden Angeklagten viel Kontakt hatte, Chatverläufe gelöscht habe und ein weiterer Zeuge sein Smartphone zum Recyceln gebracht haben will.
Staatsanwaltschaft Ingolstadt braucht Zeit für Stellungnahme
Zur Erinnerung: Die Auswertung der Daten des Internetkonzerns Meta hatten ergeben, von welchen Accounts die Nachrichten stammten. Der Ermittlungsführer der Kripo Ingolstadt erklärte am letzten Verhandlungstag, wie und warum man diese Instagram-Konten Schahraban K. zugeordnet habe. So wurden zum Beispiel für die Registrierung auf der Social-Media-Plattform E-Mail-Adressen mit dem Namen der Angeklagten benutzt.
In einem weiteren Beweisantrag fordert die Verteidigung von Schahraban K., E-Mails der Getöteten zu verlesen. Dies soll zeigen, dass sowohl nach Khadidja O.s Tod als auch nach der Festnahme der Angeklagten mehrfach über diverse Kanäle versucht worden ist, sich – zum Teil mit Erfolg – in Konten der Getöteten einzuloggen, Passwörter zu ändern und Accounts in ihrem Namen zu erstellen. Die Anwälte beantragen außerdem, Khadidja O.s E-Mail-Postfach erneut zu sichern und auszuwerten, um zu prüfen, ob es weitere Zugriffe Dritter gab.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung von Sheqir K. wollen nach längerer Frist Stellung zu den Anträgen nehmen. Unmittelbar reagiert die Staatsanwältin so: Es gebe keinerlei Hinweise auf einen unbekannten Dritten als Täter oder auf ein Komplott zwischen dem Angeklagten Sheqir K. und seinem Freund, dem Ingolstädter Zeugen Marcello B.
Doppelgängerinnen-Mordprozess von Ingolstadt: Darum geht es
Das wird den Angeklagten vorgeworfen: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten ähnlich sah. So wollte Schahraban K. ihren eigenen Tod vortäuschen und ein neues Leben beginnen. Eine geeignete Doppelgängerin soll die Deutsch-Irakerin auf Social Media gesucht haben. Schahraban K. sagt, sie sei unschuldig. Ihren Mitangeklagten, der zu den Vorwürfen schweigt, hat sie schwer belastet.
Für beide Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
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