Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Ingolstadt: Doppelgängerinnen-Mord: Frauen sahen sich laut Richter nicht zum Verwechseln ähnlich

Ingolstadt

Doppelgängerinnen-Mord: Frauen sahen sich laut Richter nicht zum Verwechseln ähnlich

    • |
    • |
    Die Angeklagte im Doppelgängerinnen-Mordprozess, Schahraban K.
    Die Angeklagte im Doppelgängerinnen-Mordprozess, Schahraban K. Foto: Cornelia Hammer, dpa

    Die Schwester der Angeklagten, die Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden und ein eigens von der Verteidigung bestellter psychiatrischer Gutachter werden an Tag 51 im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess erwartet. Die interessanteste Aussage tätigt allerdings der Vorsitzende Richter. Dabei geht es um die angeblich so starke Ähnlichkeit der Getöteten und der Angeklagten – ein zentrales Element der Anklage der Staatsanwaltschaft.

    Die Kammer gehe nicht davon aus, dass sich die beiden Frauen tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sahen, sagt der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl, als er einen noch offenen Beweisantrag der Verteidigung der Angeklagten Schahraban K. am Donnerstag ablehnt. In der Folge sei es auch nicht nötig, einen anthropologischen Sachverständigen zu laden, der die beiden jungen Frauen anhand objektiver Merkmale wie Körpergröße, Kopfform, Nase und Augen vergleicht. Als der Richter diese Nachricht verkündet, kommt fast schon Feierlaune bei Schahraban K.s Verteidigern auf. Jedenfalls strahlen und lächeln sie einmütig.

    Schwester der Angeklagten Schahraban K. sagt im Mordprozess in Ingolstadt aus

    Allerdings kommt es nicht unbedingt auf objektive Kriterien an. Sondern vielmehr auf die Vorstellungskraft der Angeklagten, wie Staatsanwalt Jochen Metz zuvor in einem anderen Zusammenhang sagte, im Kontext der Aussage der vorherigen Zeugen an diesem Tag.

    Los ging es mit Schahraban K.s älterer Schwester. Die 30-Jährige erzählte, dass Schahraban K. in der Familie eine Sonderstellung hatte, da der Vater ihre Kindheit verpasst hätte, weil er bereits voraus nach Deutschland geflohen war. Deshalb hätte sie einen besonderen Platz in seinem Herzen gehabt. Darüber hinaus sagte sie, sie und ihre Schwester hätten in der siebenköpfigen Familie frei leben und entscheiden können. Sie zeichnet das Bild einer offenen und modernen Familie. Schahraban K.s Mann Rawan N. jedoch habe ihre Schwester schlecht behandelt, sie geschlagen und schließlich angezeigt. Auf entscheidende Fragen gab die 30-Jährige, die mit Zeugenbeistand vor Gericht erschien, allerdings keine Antworten. Zum Beispiel, als es um die genaueren Umstände ging, wie die Eltern den schwarzen Mercedes finden konnten oder ob Schahraban K. ihrerseits auch Gewalt gegen Rawan N. ausgeübt habe.

    Die Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden konnte wenig Erhellendes zum konkreten Fall beitragen. Sie betonte, dass Frauen und Männer im Jesidentum zwar grundsätzlich gleichberechtigt sind, aber es komme immer darauf an, aus welchem Land die jeweilige Familie stamme und welche anderen Einflüsse sie dadurch mitbringe, wie etwa patriarchale Strukturen. Die Familie der Angeklagten kenne sie nicht, aber sie habe gehört, dass sie liberal sei. Klaus Wittmann, einer der Verteidiger des Mitangeklagten Sheqir K., widersprach der Verwertung der Schilderungen der Vorsitzenden, da sie eine Lobbyistin sei, wie sie auch selbst gesagt hatte, und ihre Aussagen daher nicht objektiv seien.

    Doppelgängerinnen-Mord: Angeklagte möglicherweise doch schuldunfähig oder vermindert schuldfähig

    Am Nachmittag kommt Dr. Thomas Schwarz, forensischer Psychiater, der im Auftrag der Verteidigung Schahraban K. noch einmal begutachtet hat, zusätzlich zum vom Gericht bestellten Gutachter. Es handelt sich dementsprechend um ein sogenanntes Parteigutachten. Schwarz sieht seine Ergebnisse nicht im Widerspruch zum vorherigen Gutachten, sondern als Ergänzung. Das andere Gutachten habe eine Lücke offen gelassen, die er geschlossen habe: das „Postdeliktische“. Also wie die Angeklagte sich gefühlt und gehandelt hat, während der Gewalteinwirkung durch den Mitangeklagten, das heißt, als dieser begann, mit dem Schlagring auf die Getötete Khadidja O. einzuschlagen. Aus Schahraban K.s diesbezüglichen Schilderungen folgerte Schwarz eine akute Belastungsreaktion, die in der Regel nach einigen Tagen nachlässt. Die Angeklagte habe unter anderem folgende Symptome gezeigt: eine Angst- und Schreckreaktion, eine Depersonalisation - das Gefühl, das eigene Leben von außen zu beobachten -, Lufthunger. Wie Schwarz auf Nachfrage erklärt, sei eine akute Belastungsreaktion eine seelische Störung. Laut Gesetz ist, wer bei Begehung einer Tat eine schwere seelische Störung aufweist, schuldunfähig oder vermindert schuldfähig. Der andere psychiatrische Gutachter hatte diese Voraussetzung nicht als gegeben angesehen.

    Wie durch Nachfragen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung des Sheqir K. deutlich wird, kennen zwei von Schahraban K.s Verteidiger den Gutachter schon länger. Er kommt in einem von Alexander Stevens Büchern vor und Alexander Betz hat ihn erfolgreich in einem Verfahren vertreten. Er ist nicht ganz unumstritten. Schwarz hat bereits in anderen Verfahren Gutachten für die Münchner Verteidiger erarbeitet.

    Im Anschluss an die Aussage des Gutachters stellt Verteidiger Thilo Bals noch zwei Anträge: Er beantragt ein Gutachten aus der forensischen Molekular-Genetik, das beweisen soll, dass die DNA-Spuren seines Mandanten Sheqir K. an der Leiche nicht unbedingt durch einen direkten Kontakt entstanden sein müssen, sondern genauso bei der Bergung der Getöteten durch die Rettungssanitäter und Polizisten übertragen worden sein könnten. Der zweite Antrag ist ein Beweisermittlungsantrag. Bals fordert, dass geklärt wird, ob der ehemalige Mithäftling seines Mandanten, der im Zusammenhang mit der „Todesliste“ als Zeuge gehört wurde, ein Betroffener des Folterskandals an der JVA Augsburg-Gablingen sei und ob die Justizvollzugsbeamten, denen der Zeuge sich anvertraut hatte, in den Skandal involviert seien, was ihre Aussagen möglicherweise weniger glaubwürdig erscheinen lässt.

    Die Nebenklage und die Verteidiger haben in ihren Stellungnahmen die Anträge abgelehnt, die Staatsanwaltschaft erhält für ihre Stellungnahme eine eintägige Frist. Am Dienstag, 10. Dezember, wird darüber entschieden. Werden die Anträge von der Kammer abgelehnt, könnte erneut plädiert werden. Dann könnte am 17. Dezember ein Urteil fallen.

    Doppelgängerinnen-Mordprozess: Befangenheitsanträge abgelehnt

    Die im November gestellten Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter und die Beisitzer wurden zurückgewiesen.

    Das wird den Angeklagten vorgeworfen: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten hat sie allerdings schwer belastet. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden