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Ingolstadt: Corona in Ingolstadt: Immer mehr Ungeimpfte auf Intensivstation

Ingolstadt

Corona in Ingolstadt: Immer mehr Ungeimpfte auf Intensivstation

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    Claudia Weise kämpft im Klinikum Ingolstadt tagtäglich um das Leben von Coronapatienten. Die meisten von ihnen sind ungeimpft.
    Claudia Weise kämpft im Klinikum Ingolstadt tagtäglich um das Leben von Coronapatienten. Die meisten von ihnen sind ungeimpft. Foto: Klinikum Ingolstadt

    Eigentlich machen beide ihren Job gerne. Tagtäglich versuchen sie, Schwerstkranken zu helfen und sie vor dem Tod zu bewahren. Doch tagtäglich stellen sie auch fest: Oft hätte eine Entscheidung im Vorfeld viel Leid verhindern können. „Diese Erkenntnis – das macht etwas mit einem“, sagt Lisa Brucklacher mit leicht zitternder Stimme. Wie ihre Kollegin Claudia Weise ist sie Pflegerin auf der Corona-Intensivstation am Klinikum Ingolstadt und steht dort seit Monaten an vorderster Front im Kampf gegen das Virus. Hier ist die Krankenhausampel nicht grün, sondern dunkelrot.

    Seit etwa Anfang September habe sich die Situation wieder deutlich verschärft. Bei insgesamt circa 50 Intensivplätzen gebe es derzeit nur zwei freie Betten, sagt die Direktorin für Anästhesie und Intensivmedizin, Martina Nowak-Machen. Schon jetzt müsse mancher Rettungsdienst bis zu 100 Kilometer weit fahren, um Patienten in Kliniken mit freien Intensivbetten zu bringen. So hoch sei auch der Radius, aus dem Kranke ins Ingolstädter Klinikum kämen. Die bayernweite Ampel ist zwar grün und vermittelt ein Gefühl der relativen Sicherheit. Doch Experten kritisieren die Berechnungsweise des Robert-Koch-Instituts seit Wochen, die eigentlichen Werte seien deutlich höher. „Die Zahlen sind Schall und Rauch“, sagt auch Nowak-Machen. „Die Menschen werden zwar laxer, doch die Pandemie ist alles andere als vorbei.“

    Bei insgesamt circa 50 Intensivplätzen sind in Ingolstadt derzeit nur zwei Betten frei

    Auch in Ingolstadt bestätigt sich, wovon seit einigen Wochen immer wieder die Rede ist: Die Pandemie wurde zu einer Pandemie der Ungeimpften. Aktuell liegen hier zehn Patienten wegen Corona auf der Intensivstation, der Großteil ist mit der Deltavariante infiziert. Lediglich eine Person ist vollständig geimpft. Im August und September sind insgesamt 17 Patienten mit einer Infektion gestorben. Es gebe zwar Impfdurchbrüche, doch nahezu ausschließlich bei alten Menschen aus Pflegeheimen, die meisten davon mit Vorerkrankungen. Umso wichtiger sei eine Auffrischungsimpfung, sagt Nowack-Machen. In Neuburg sind laut der Referentin für Unternehmenskommunikation Lisa Stark dagegen aktuell keine mit Corona Infizierten auf der Intensivstation der KJF Klinik Sankt Elisabeth.

    Claudia Weise (links) und Lisa Brucklacher.
    Claudia Weise (links) und Lisa Brucklacher. Foto: Klinikum Ingolstadt

    Nowach-Machen zieht aus den Zahlen zwei Schlüsse: „Wir sehen jetzt, dass die Impfung funktioniert“. Die Direktorin will aber auch an die Bevölkerung appellieren, sich impfen zu lassen. Während in den Sommermonaten deutschlandweit teilweise mehr als eine Millionen Impfdosen täglich verabreicht wurden, ist diese Zahl zuletzt auf etwa ein Zehntel davon gesunken. In Ingolstadt haben derzeit gut 67 Prozent einen vollständigen Impfschutz.

    Die Direktorin der Intensivstation appelliert an die Bevölkerung, sich gegen Corona impfen zu lassen

    Schwerstarbeit leisten Lisa Brucklacher, Claudia Weise und ihre circa 70 Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation. Zwei Drittel der Patienten müssen beatmet werden, drei haben eine künstliche Lunge. „Schwerer krank geht nicht“, sagt Nowak-Machen. „Blut abnehmen, umziehen, waschen, in Bauchlage drehen, Medikamente geben und wahnsinnig viel kontrollieren“, schildert Weise ihre Arbeit.

    Tagsüber ist sie für zwei Patienten zuständig, Schutzanzug, Kopfhaube und FFP-3-Maske sind danach durchgeschwitzt. „Nach acht Stunden ist man einfach fertig und fällt zuhause nur noch auf die Couch“, sagt ihre Kollegin Brucklacher. „Man darf diese Schicksale nicht an sich heranlassen.“ Wenn Erkrankte im Klinikum aufwachen, mit vielen Kabeln und einem Beatmungsgerät neben ihnen, hätten viele Angst. „Wir versuchen, Ruhe auszustrahlen und sie zu begleiten“, sagt Brucklacher. Beatmete Patienten dürfen während ihres vier- bis sechswöchigen Aufenthalts natürlich keinen Besuch empfangen. „So versuchen wir, die Familie zu ersetzen. Aber das nagt an einem.“

    Die Haltung zum Impfen hängt oft mit dem eigenen Umfeld zusammen

    Das Umfeld spiele eine wichtige Rolle, wie Menschen zum Impfen eingestellt sind, sagt Nowack-Machen. „Das ist niemals ein individuelles Problem, sondern eher ein Familienthema“. Auch zwei ungeimpfte Ehepartner seien schon gleichzeitig auf der Intensivstation gewesen. „Gerade bei Angehörigen merken wir schon, dass es Klick macht und sie nach einer schweren Infektion anders über die Impfung denken.“ Ob der Hausarzt mal eine Woche nicht da war, oder die ausgelassene Impfung anders begründet wird: Brucklacher kann die Ausreden nicht mehr hören. „Wir geben alles für diese Menschen“, sagt sie. „Doch es müsste eigentlich nicht sein.“ Zu Beginn der Pandemie wurde häufig der geringe Anteil an geimpften Pflegerinnen und Pflegern kritisiert. In Ingolstadt seien es aktuell mehr als 90 Prozent, wie Nowack-Machen sagt. Bei der Klinik Sankt Elisabeth sind es laut Lisa Stark mittlerweile zwei Drittel.

    Auch Ingolstadts OB Christian Scharpf rief erneut die Bevölkerung auf: „Impfen schützt vor einem schweren Verlauf und meist auch vor einer Ansteckung. Ich bitte Sie dringend: Gehen Sie zum Impfen!“

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