Das Verbrechen ist genauso spektakulär wie grausam: Eine Deutsch-Irakerin - heute 24 Jahre alt - und ein gleichaltriger Mann, der aus dem Kosovo stammt, sollen vor fast genau einem Jahr, am 16. August 2022, eine damals 23 Jahre alte Frau aus Baden-Württemberg ermordet haben. Mit 56 Messerstichen ist auf die junge Frau eingestochen worden und das aus einem Grund: Sie sah der Beschuldigten zum Verwechseln ähnlich. Sie war genauso alt, hatte die gleichen langen, dunklen Haare. Mit dem Tod ihrer Doppelgängerin wollte die 24-Jährige ihren eigenen Tod vortäuschen und untertauchen. Ihr Komplize sollte ihr bei der Tat helfen. Davon jedenfalls geht die Staatsanwaltschaft Ingolstadt aus. Sie hat jetzt Anklage erhoben.
Die Behörde wirft den beiden gemeinschaftlich begangenen Mord vor. Doch nicht nur das. Beide sollen darüber hinaus versucht haben, Auftragskiller anzuheuern. Einmal sollte der ehemalige Schwager der Beschuldigten sterben, einmal mögliche Zeugen im Verfahren. In beiden Fällen ging niemand auf die kriminellen Deals ein.
Die Ingolstädter Staatsanwaltschaft hat inzwischen rekonstruiert, wie der verhängnisvolle 16. August vor einem Jahr abgelaufen ist - und wieso ihr Wunsch nach Erfolg auf Social Media das Todesurteil für die 23-Jährige aus Eppingen war.
Die Deutsch-Irakerin aus Ingolstadt soll einen perfiden Plan gefasst haben, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Weil es immer wieder Streitigkeiten mit der Familie ihres Ex-Partners, mit dem sie nach jesidischem Recht verheiratet war, gegeben hat, und weil die Angehörigen sich wohl einer Versöhnung des Ex-Paares widersetzten, wollte sie untertauchen und dazu ihren eigenen Tod vortäuschen - mithilfe einer ahnungslosen Doppelgängerin. Helfen sollte ihr bei dem Komplott ein flüchtiger Bekannter, ein gleichaltriger Kosovare.
Beschuldigte aus Ingolstadt suchte bewusst nach einer Doppelgängerin
Rund zwei Wochen vor der Tat soll die Beschuldiget per Instagram Kontakt zu anderen jungen Frauen aufgenommen haben, die ihr sehr ähnlich sahen. Mit unterschiedlichen Versprechungen versuchte sie offenbar, diese Frauen zu einem Treffen zu bewegen. Zu ihnen gehörte auch das spätere Opfer. Zu einem Kontakt mit der Frau soll es wohl erstmals am 9. August, genau eine Woche vor der Tat, gekommen sein. Dabei hatte die Beschuldigte wohl die Teilnahme an einem Musikvideo versprochen.
Doch zu einem Treffen kam es nicht. Also wagte die 24-Jährige einen weiteren Versuch. Zwei Tage später meldete sie sich nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft erneut, diesmal von einem neuen Profil aus und mit einem neuen Versprechen. Die Frau - Medienberichten zufolge eine Modebloggerin - sollte eine kostenlose Behandlung im Kosmetikstudio der Ingolstädterin bekommen. Beide Frauen vereinbarten ein Treffen für den 16. August. Die Beschuldigte bot der Frau aus Eppingen an, sie an ihrem Wohnort abzuholen.
Die ahnungslose Frau stieg also zu den beiden ins Auto Richtung Ingolstadt. Doch schon nach wenigen Kilometern soll es zum Mord gekommen sein. Wie es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft heißt, sollen die beiden Ingolstädter die gleichaltrige Frau in einem Waldstück zwischen Eppingen und Heilbronn unter einem Vorwand aus dem Auto gelockt haben. Daraufhin, so der Verdacht, habe ihr der Mann mindestens einen Schlag auf den Kopf versetzt, so dass sie auf dem Boden lag. Mit 56 Messerstichen wurde sie anschließend getötet.
Eltern hielten die tote Doppelgängerin zunächst für ihre eigenen Tochter
Mit der Toten im Auto fuhren sie weiter nach Ingolstadt und stellten das Fahrzeug dort in der Peisserstraße im Monikaviertel ab. Auf der Suche nach ihrer Tochter entdeckten die Eltern der 24-Jährigen deren Auto. Diese gingen zunächst davon aus, dass die junge, furchtbar entstellte Tote, ihre Tochter sei. Erst die Obduktion am kommenden Tag brachte Klarheit, dass es sich bei der Toten nicht um die Ingolstädterin handelt. Das vermeintliche Opfer lebte und war stattdessen zur Tatverdächtigen geworden.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt geht davon aus, dass die beiden Angeschuldigten aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch gehandelt haben und dass deshalb ein Mord vorliegt.
Doch nicht nur diese Tat wird den beiden vorgeworfen. Beide sollen auch versucht haben, Auftragskiller anzuheuern. So wollte die Frau schon im Juli 2022 den Bruder ihres Ex-Partners töten lassen, weil sie davon ausging, dass der einer Versöhnung des Paares im Weg stünde. Die Frau bot einem Bekannten 10.000 für die Tat an. Dieser nahm zwar in München 5000 Euro als Vorschuss entgegen, führte laut Staatsanwaltschaft den Auftrag aber nicht aus.
Bereits in Untersuchungshaft, soll auch der Kosovare versucht haben, einen Mithäftling als anzuwerben, um Zeugen im Mordverfahren zu töten. Eine Liste mit den entsprechenden Namen soll er ihm übergeben haben. Doch der Mann weigerte sich, die Tat zu begehen.
Die beiden 24-Jährigen befinden sich seit 18. August 2022 in Untersuchungshaft. Sie haben bislang alle Vorwürfe bestritten, bis auf eine Ausnahme: Die Frau hat gestanden, dass sie den Bruder ihres Ex-Partners töten lassen wollte. Die Anklage der Staatsanwaltschaft stützt sich auf die Aussagen von mehr als 190 Zeuginnen und Zeugen, auf zahlreiche DNA-Spuren sowie auf die Inhalte diverser Chatverläufe.
Ob und wann es zu einem Prozess kommt, entscheidet das Landgericht Ingolstadt.