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Eichstätt: Sankt Martin: Kriegsdienstverweigerer statt Soldat

Eichstätt

Sankt Martin: Kriegsdienstverweigerer statt Soldat

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    Martin, damals noch Soldat, teilt seinen Mantel mit einem Bettler. Das Bild zeigt das Gemälde "Die Mantelteilung des Hl. Martin" von Anthonis van Dyck um 1618/20.
    Martin, damals noch Soldat, teilt seinen Mantel mit einem Bettler. Das Bild zeigt das Gemälde "Die Mantelteilung des Hl. Martin" von Anthonis van Dyck um 1618/20. Foto: imago

    Wenn am 11. November wieder viele Kinder mit leuchtenden Laternen durch die Straßen ziehen, dann feiern sie einen der ältesten Heiligen der Kirche: Martin von Tours gilt als erster Heiliger, der kein Märtyrer war. Es gibt sehr viele Legenden und Mythen, die sich um den Bischof der im damaligen Gallien liegenden Stadt Tours an der Loire ranken. Sie alle lassen einen bemerkenswerten Menschen auch noch über 1600 Jahre nach seinem Tod sehr präsent wirken – auch wenn es dabei Bräuche gibt, die seine Person eher verdunkeln als würdigen. Das Bistum Eichstätt erzählt in einer Mitteilung seine wahre Geschichte.

    Die bekannteste Legende ist die Erzählung von der Mantelteilung. Martin soll als etwa 15-jähriger römischer Soldat vor den Toren der Stadt Amiens einen frierenden Bettler mit der Hälfte seines Mantels vor dem Kältetod gerettet haben. Deshalb gilt er häufig als Inbegriff der christlichen Nächstenliebe. Allerdings war er in diesem Alter vermutlich noch gar nicht getauft. Ein Grund für die Heiligenverehrung ist diese populäre Legende eher nicht, so das Bistum.

    Dagegen fällt auf, dass es im Bistum Eichstätt viele Martinskirchen gibt. 28 katholische Kirchen mit Martinspatrozinium sind es derzeit in der Diözese, zum Beispiel in Egweil, im Ingolstädter Ortsteil Mailing und in Wettstetten. Nicht mitgerechnet sind jene Kirchen, die zwar ursprünglich dem Heiligen Martin geweiht wurden, aber heute nicht mehr existieren oder an die evangelische Kirche übergegangen sind. Häufig sind das auch Kirchen, die sehr alt sind und deren Weihedatum ins elfte oder zwölfte Jahrhundert fällt. Wenn die Kirchen selbst jünger sind, existierten oft Vorgängerbauten aus dieser Zeit. Wie etwa die Filialkirche St. Martin in Tauberfeld, einem Gemeindeteil von Buxheim im Landkreis Eichstätt. Eine Martinskirche taucht in der Geschichtsschreibung in den Jahren 1182 bis 88 als grundherrliche Eigenkirche auf, geweiht vom Eichstätter Bischof Otto. Die heutige Kirche stammt jedoch aus dem Jahr 1629 und wurde 1901 erneuert. 1947/48 wurde sie erweitert und umgebaut. Das Patrozinium ist geblieben. Auch das Altarbild mit der Mantelteilungsszene ist ein erhalten gebliebenes Werk des Spätrokokos (1769). 

    Insbesondere alte Kirchen im Bistum Eichstätt sind Hl. Martin geweiht

    Natürlich hat es seinen Grund, dass gerade die ältesten Kirchen des Bistums häufig den heiligen Martin als Patron erhielten. Den Anfang nahm diese Bewegung bereits wenige Jahre nach seinem Tod. Er starb im für damalige Zeiten sehr hohen Alter von vermutlich 80 Jahren auf einer Missionsreise in Candes, einer Ortschaft, die etwa 40 Kilometer westlich von Tours an der Loire liegt und heute den bezeichnenden Namen "

    Auch über Frankreich hinaus wurde der Heilige Martin im Laufe des Mittelalter immer bekannter. Mit der Ausdehnung des Fränkischen Reiches breitete sich die Verehrung des Reichspatrons nach Osten aus, zunächst besonders im Harz und in Thüringen, dann in Süddeutschland.

    Doch wie konnte Martin diese Stellung im Reich einnehmen? Häufig nahm man an, dass die Könige und Bischöfe des Mittelalters einfach einen der ihren als Patron auswählten, galt er doch als "Soldat und Reitersmann", der später Bischof wurde, und an wichtigen reichspolitischen und kirchenpolitischen Entscheidungen beteiligt war. In vielen Martinsumzügen reitet ein als Soldat verkleideter Reiter voran. Allerdings war Martin wohl eher das, was man heute als "Totalverweigerer" bezeichnen würde: Sulpicius Severus berichtet in seiner Vita Sancti Martini, verfasst um 395, von dessen Absage an den Kaiser: "Bis heute habe ich dir gedient, Herr, jetzt will ich meinem Gott dienen und den Schwachen. Ich will nicht mehr länger kämpfen und töten. Hiermit gebe ich dir mein Schwert zurück. Wenn du meinst, ich sei ein Feigling, so will ich morgen ohne Waffen auf den Feind zugehen." Für Martin war der Dienst als Soldat nicht mit seiner Taufe zum Christentum vereinbar.

    Der Hl. Martin führte ein einfaches Leben und sorgte für die Armen

    Stattdessen zog er sich zunächst als Einsiedler zurück. Martin beeindruckte das Volk durch sein einfaches Leben und seine Fürsorge für die Armen. Um 371 oder 372 wurde er auf Drängen des Volkes Bischof von Tours. Es wird berichtet, dass dies gegen seinen eigenen Willen und trotz Vorbehalten des Klerus erfolgt sei. Nach der Legende soll er sich in einem Gänsestall versteckt haben. Diese hätten ihn dann durch ihr Schnattern verraten, was die "Martinsgänse" bis heute mit ihrem Leben bezahlen, wenn sie zu Martini als Braten enden. Beim Volk war Martin als gerechter und sorgender Bischof beliebt. Seine Lebensweise blieb jedoch asketisch, was ihm die Gegnerschaft bei anderen Bischöfen und beim Adel einbrachte. Martin gründete viele Landpfarreien. Aber auch auf politischer Ebene trat er bestimmend auf.

    Viele der geläufigen Martinsbräuche haben allerdings nichts mit dem Heiligen zu tun. So ist der Brauch des Gänseessens am Martinstag wohl dem Hauptzinstag zu verdanken, an dem das neue Wirtschaftsjahr der Bauern begann und an dem Abgaben an den Grundherrn fällig wurden – auch in Form von geschlachteten Gänsen. Da am 12. November früher die adventliche Fastenzeit begann, war das Anlass genug für ein letztes Festessen vor der kargen Adventszeit. Der Laternenumzug der Kinder ist ursprünglich ein Geburtstagsgruß für den Reformator Martin Luther gewesen. Am 10. November, dem Vorabend seines Geburts- und Namenstages, versammelten sich auf dem Platz unterhalb des Doms in Erfurt abends Kinder mit Papierlaternen, um des Reformators zu gedenken. (AZ)

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