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Doppelgängerinnen-Mordprozess Ingolstadt: Die Chats der Angeklagten

Ingolstadt

Chats der Angeklagten im Mordprozess: "Morgen geht's ab"

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    Schahraban K. ist die Angeklagte im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt.
    Schahraban K. ist die Angeklagte im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt. Foto: Dorothee Pfaffel

    Ein Jahr lang wurde im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordfall ermittelt, bevor die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage erhoben hat. An Tag 30 der Verhandlung am Ingolstädter Landgericht wird einmal mehr klar, was an den Ermittlungen so aufwendig war: die Menge der Daten, die ausgewertet werden musste. Die Angeklagte Schahraban K. besaß immerhin gleich mehrere Smartphones, auf denen etliche schriftliche Chatverläufe, Sprachnachrichten, Fotos, Screenshots und Videos abgespeichert waren. Nun hat der Ermittlungsführer, der bei der Kriminalpolizei Ingolstadt für diesen Fall zuständig ist, einen Teil seines Auswertungsberichts vorgestellt. Dabei ging es unter anderem darum, wie eine Zauberin Schahraban K.s Ehe retten sollte, und um die Konversation zwischen den beiden Angeklagten in der Nacht vor der Tat.

    Die Angeklagten chatten in der Nacht vor dem Doppelgängerinnen-Mord

    "Morgen geht's ab", "Morgen haben wir viel zu erledigen" und "Freu mich auf morgen", schreiben sich Schahraban K. und Sheqir K. in der Nacht von 15. auf 16. August 2022. Was genau am nächsten Tag passieren wird, konkretisieren sie aber nicht. Der Rest ihrer Gespräche, sie chatten auch schon ein paar Tage zuvor, ist eher belanglos: Sheqir K. bittet Schahraban K., nach Ingolstadt zu kommen. Schön wär's, doch sie könne nicht einfach aus München weg, erklärt sie ihm daraufhin. Sie klagt, dass ihr langweilig sei und sie bei ihrer Familie nicht einmal ein eigenes Zimmer habe. 

    Dieser Chatverlauf ist nur einer von tausenden, die auf Schahraban K.s Handy nachzulesen sind. Allein mit Yakup Ö., mit dem Schahraban K. in der ersten Hälfte des Jahres 2022 einige Wochen eine Affäre hatte, hat die Angeklagte 60.000 "Kommunikationsereignisse", wie der Ermittlungsführer es nennt, ausgetauscht. Das sei außergewöhnlich viel. Die Nachrichten seien eine Mischung aus Liebesschwüren und Beleidigungen, die Beziehung sei geprägt gewesen von Manipulation, Kontrollversuchen und Eifersucht, berichtet der Kriminalhauptkommissar.

    In Ingolstadt wird eine leblose junge Frau in einem schwarzen Mercedes gefunden. Die Kripo ermittelt wegen eines Tötungsdeliktes. Der Tatort wird von der Öffentlichkeit abgeschirmt.
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    Der Doppelgängerinnenmord von Ingolstadt in Bildern: vom Auffinden der Leiche über Suchaktionen nach der Tatwaffe bis zur Verhandlung.

    Landgericht Ingolstadt: Die Angeklagte Schahraban K. will eine Zauberin auftreiben

    Wie sehr Schahraban K. trotz Affäre an ihrem Mann Rawan N. und der nach jesidischem Recht geschlossenen Ehe festhielt, wird an einer Sprachnachricht deutlich, die sie im Juni 2022 an ihren älteren Bruder schickt. Sie wird im Gerichtssaal vorgespielt: "Ich weiß, dass er mich nicht verdient hat, aber was werden die Leute sagen? Sie reden eh schon. Ich habe so viel für ihn getan. (…) Ich bin nicht das Problem, seine Familie ist es. Die lassen ihn nicht zurückkommen!" Der Bruder versucht, sie zu beruhigen: "Alles wird gut." Er ermuntert sie aber auch: "Lass dir nicht alles gefallen."

    Dass die Angeklagte wirklich verzweifelt gewesen sein muss, wird noch an anderen Sprachnachrichten deutlich, die Eingang in den Auswertungsbericht des Ermittlungsführers gefunden haben: Die Deutsch-Irakerin sucht nach einer Frau, die einen Zauber sprechen soll, um die Ehe zu retten. Sie kontaktiert eine Bekannte in Ägypten, die ihr helfen soll, eine solche Frau zu finden. Schahraban K. erklärt der Bekannten: "Mein Mann will sich von mir trennen ohne Grund. Seine Familie hasst mich so sehr, ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich brauche jemanden, der mit Magie arbeitet"- obgleich sie wisse, dass so eine Zauberei in ihrer Kultur eine Sünde ist, wie sie sagt. Die Bekannte rät ihr allerdings davon ab und empfiehlt ihr stattdessen, eine Beratungsstelle aufzusuchen.

    Angeklagte im Doppelgängerinnen-Mordprozess hat Erdbeeren geklaut

    Aus den Daten werden auch ein paar Straftaten ersichtlich, um die es in diesem Verfahren aber nicht geht: Zum einen hat Schahraban K. wohl Corona-Test-Zertifikate ausgestellt, ohne die Personen jemals getestet zu haben. Hierzu werde gesondert ermittelt, gibt der Kriminalhauptkommissar an. Zum anderen hatte die Angeklagte einen kinderpornografischen Inhalt auf ihrem Handy. Auch hierzu gibt es ein gesondertes Verfahren. Und dann hat Schahraban K. auch noch Erdbeeren und Wechselgeld aus einem Hofladen gestohlen und auf der Flucht mit ihrem Mercedes einen Zaun beschädigt.

    Der Ermittlungsführer erläutert am Dienstag auch sein allgemeines Vorgehen: Ihm hätten Geodaten aus verschiedenen Quellen zur Verfügung gestanden - zum Beispiel aus dem Navigationssystem im Auto von Schahraban K. und aus den Funkzellen, in denen ihr Handy eingeloggt war -, die habe er dann in eine Zeitleiste eingetragen und geprüft, ob die sonstigen Aussagen und Erkenntnisse dazu passten. Bei der Auswertung der Daten sei man sehr strukturiert vorgegangen, betont der Kriminalhauptkommissar. Dabei stieß man auf sechs verschiedene Instagram-Accounts der Angeklagten, die sie zu unterschiedlichen Zwecken einsetzte. Drei soll sie für die Anwerbung einer potenziellen Doppelgängerin genutzt haben, wie ihr die Staatsanwaltschaft vorwirft. Die Ermittler konnten auch Schahraban K.s Suchverläufe im Internet nachvollziehen, zum Beispiel nach einer Stimmveränderungssoftware oder nach einer Antwort auf die Frage, was mit Schulden nach dem Tod passiert. Indem man all diese Informationen miteinander in Verbindung brachte, wurde das Puzzle im Doppelgängerinnen-Mordfall schließlich nach und nach zusammengesetzt.

    Sheqir K.s Handy wurde für Ermittlungen im Doppelgängerinnen-Mord nicht ausgewertet

    Wie der Ermittlungsführer auf Nachfrage von Schahraban K.s Verteidiger Johannes Makepeace einräumt, seien aber auch die Angaben der Angeklagten mit den Daten in Einklang zu bringen, zum Beispiel, dass sie nach dem Mord mit in Sheqir K.s Wohnung und anschließend am Ingolstädter Oldtimerhotel war. Das Smartphone des Angeklagten konnte übrigens nicht ausgewertet werden. Ein Freund von ihm hat es kurz nach der Tat in der Donau versenkt.

    Die Verteidiger der Angeklagten legen - wie schon bei vorherigen Äußerungen des Ermittlungsführers - Widerspruch gegen die Aussagen des Kriminalhauptkommissars ein, insofern dieser eigene Interpretationen und Schlussfolgerungen geschildert habe. Die Staatsanwaltschaft tritt dem entgegen: Bis zu einem gewissen Grad müsse Zeugen dies zugestanden werden.

    Darum geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess von Ingolstadt

    Was wird den Angeklagten zur Last gelegt? Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten ähnlich sah. So wollte Schahraban K. ihren eigenen Tod vortäuschen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten, der schweigt, hat sie allerdings schwer belastet. 

    Für beide Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess wird am Donnerstag, 20. Juni, fortgesetzt.

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge an, die den Fall aufarbeitet:

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