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Doppelgängerinnen-Mord: Die Angeklagte Schahraban K. und ihr Ex-Mann – eine Beziehung der Extreme

Doppelgängerinnen-Mord

Die Angeklagte Schahraban K. und ihr Ex-Mann – eine Beziehung der Extreme

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    Tag 17 im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt: das Anwalt-Team um Schahraban K.
    Tag 17 im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt: das Anwalt-Team um Schahraban K. Foto: Dorothee Pfaffel

    Die Liebesgeschichte zwischen Schahraban K. und Rawan N. steht im Mittelpunkt des 17. Verhandlungstags im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess in Ingolstadt. Es geht um verfeindete Familien, religiöse Zwänge und häusliche Gewalt. Um irakische Dörfer, die aufeinander losgehen, weil sie Rache für eine vermeintliche Tote nehmen wollen. Rawan N., der mit Krawatte und im Nadelstreifenanzug in den Zeugenstand tritt, erzählt all das mit ruhiger Stimme. Mit ihm war die Angeklagte vier Jahre nach jesidischem Recht verheiratet, bevor der Mord geschah. Sie sei seine große Liebe gewesen, sagt er vor Gericht. Bis die Beziehung toxisch wurde. 

    Rawan N., der mittlerweile seinen Nachnamen geändert hat, geriet kurz nach der Tat selbst in Verdacht, der Mörder zu sein. Als man noch annahm, seine Ex-Frau sei die Tote. Vor Gericht wird ein Social-Media-Posting in Augenschein genommen: Zu sehen ist ein Bild von Schahraban K. Darunter steht auf arabisch, die junge Frau sei heimtückisch und ohne Grund getötet worden, Rawan N.'s Familie wird als verantwortlich für die Tat bezeichnet. Diesen Beitrag haben offenbar Verwandte von Schahraban K. unmittelbar nach dem Fund der Leiche veröffentlicht – was zwischen ihren Heimatdörfern im Irak fast zu einer Art Blutrache geführt habe, sagt Rawan N.

    Doppelgängerinnen-Mordprozess: Ex-Mann beschreibt Beziehung zur Angeklagten

    Begonnen habe ihre gemeinsame Zeit allerdings "wunderschön", wie er am Donnerstag erzählt. Das war im Jahr 2015. Erst waren sie nur Freunde, im Sommer kamen sie dann zusammen, am 29. Oktober 2015 hätten sie sich zum ersten Mal geküsst, erinnert sich der Zeuge noch genau. Die Beziehung hielten sie geheim. 2016 habe sie dann aber ein Verwandter von Schahraban K. gemeinsam in der U-Bahn in München erwischt, sagt der Zeuge. Schahraban K. nahm Reißaus und riet auch ihrem Freund wegzulaufen. Doch der Verwandte zwang Rawan N., an einer bestimmten Haltestelle auszusteigen, und warf ihm vor, mit Schahraban K.'s Ehre zu spielen. Dann nahm er Rawan N. sein Handy ab. Darauf waren Fotos gespeichert, die das junge Paar zeigten. "Ab da ging es bergab", meint der heute 25-Jährige. Sowohl er als auch "Sheri", wie er sie immer noch nennt, seien mit den Bildern erpresst worden. Während seiner Aussage sieht Rawan N. seine Ex-Frau immer wieder an. Sie hingegen scheint seinem Blick eher auszuweichen.

    Schahraban K. betritt wie immer mit verdecktem Gesicht den Gerichtssaal.
    Schahraban K. betritt wie immer mit verdecktem Gesicht den Gerichtssaal. Foto: Dorothee Pfaffel

    Mit dem Auffliegen der Beziehung habe eine "On-/Off-Phase" begonnen, erklärt Rawan N. Die beiden hielten aneinander fest, obwohl es schwer war und obwohl Rawan N.'s Familie ihm von der Verbindung abriet. Am 16. August 2018 fand die jesidische Hochzeit statt, danach zog das Paar nach Ingolstadt. Auf der Fahrt nach Ingolstadt in die erste eigene Wohnung hätten sie sich so frei gefühlt, erinnert sich der Zeuge. Im Februar 2019 machte Rawan N. sich selbstständig mit einem Friseursalon in Pförring. Schahraban K., die zunächst noch in einem Modegeschäft als Verkäuferin gearbeitet hatte, fing bald ebenfalls in "Rawans Salon" an, machte Hochsteckfrisuren und Kosmetik, später richtete sie sich in einem separaten Raum ein Studio für Laserbehandlungen ein. Im Herbst 2019 sei die Beziehung dann sehr "toxisch" geworden. Dieses Wort wird Rawan N. noch öfter in seiner Aussage benutzen. Es habe immer mehr Streit gegeben, Schahraban K. sei grundlos ausgerastet und extrem eifersüchtig gewesen. Als sie eines Tages Gebäck von der Bäckerei nebenan im Salon herumwarf, beschloss Rawan N., die deutsche Hochzeit ungefähr einen Monat vor dem geplanten Termin doch noch abzusagen. Weil Schahraban K. aber so geweint habe, sei er schwach geworden und weiter mit ihr zusammen geblieben. In der Beziehung sei immer entweder zu viel Liebe oder zu viel Hass gewesen, dazwischen gab es nichts, erklärt der 25-Jährige.

    Landgericht Ingolstadt: Wollten Schahraban K. und ihre Familie Trennung nicht akzeptieren?

    Dann kam die Corona-Pandemie und die Beziehung wurde wieder besser, denn "wir hatten nur uns", so Rawan N. Bis die Angeklagte den Führerschein machte und den schwarzen Mercedes mit Kennzeichen RS 2915 kaufte, in dem im August 2022 die Leiche von Khadidja O. gefunden wird. "Eigentlich war alles wunderschön, bis das Auto in unser Leben kam", sagt der 25-Jährige. Mit dem sei Sheri von nun an "cool" durch München gefahren. Sie veränderte sich, war oft alleine unterwegs, blieb teilweise auch nachts weg. Sie fand neue Freunde, roch nach fremden Männern. Anfang 2022 stellte Schahraban K. dann fest, dass sie schwanger war. "Sie war nicht bereit, ich war nicht bereit", also entschied das jesidische Paar abzutreiben. Zur Erinnerung: An einem früheren Prozesstag kam bereits auf, dass die Angeklagte einem Ingolstädter namens Yakup Ö. das Ultraschall-Bild ihrer Schwangerschaft ebenfalls gezeigt und ihm gegenüber behauptet hatte, dass er der Vater sei. Beide Männer geben an, verhütet zu haben.

    Nach der Abtreibung sei die Beziehung noch schlimmer, Schahraban K. immer skrupelloser geworden, fährt der Zeuge fort. Er habe Angst vor ihr gehabt. Als er schließlich zu ihren Eltern gehen und die Ehe beenden wollte, sei die Angeklagte ausgeflippt, habe ihn geschlagen und bedroht – nicht zum ersten Mal, wie er sagt. Er ging trotzdem – doch die Eltern glaubten ihm nicht, sie hielten ihre Tochter für eine unschuldige Prinzessin. Schahraban K. sei perfekt darin gewesen, den Schein nach außen zu wahren, sagt Rawan N. Er zeigte ihre Taten bei der Polizei an. Er selbst sei nie gewalttätig geworden oder untreu gewesen, versichert der 25-Jährige vor Gericht. Der Zeuge Yakup Ö. berichtete allerdings von blauen Flecken an der Angeklagten, die von Rawan N. stammen sollen.

    Am 24. Juni 2022 trennte sich das Paar. Doch Schahraban K. und ihre Familie hätten das nicht akzeptieren wollen. Mitte Juli 2022 fand deshalb eine jesidische Schlichtung statt, die, wie Rawan N. angibt, erfolglos verlaufen sein soll. Er wollte nicht mehr. Gegenüber der Polizei sagte er sogar, die Angeklagte sei psychisch krank und unberechenbar.

    Hat der Ex-Schwager das Paar auseinandergebracht?

    Als zweiter Zeuge an diesem Tag sagt Rawan N.'s Bruder Dilman K. aus. Von ihm hieß es bislang, er sei stark gegen die Beziehung von Schahraban K. und Rawan N. gewesen, möglicherweise sogar verantwortlich für die Trennung der beiden. Deshalb soll die Angeklagte versucht haben, ihn von einem Auftragskiller ermorden zulassen.

    Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl (Mitte) im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt.
    Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl (Mitte) im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt. Foto: Dorothee Pfaffel

    Dilman K. erzählt, wie er Schahraban K. zum ersten Mal gesehen hat. Sie habe bei ihm geklingelt und behauptet, sein Bruder, also ihr Freund, nehme Drogen und würde stehlen. Sie habe viel geweint und ihn um Hilfe gebeten. Und dann streckte sie ihn plötzlich mit einem Elektroschocker nieder, während sie laut "Jaaaaaa!" gerufen haben soll, wie in einem Horrorfilm, so der Zeuge. Warum Schahraban K. das getan haben könnte, ist unklar. Eine mögliche Begründung lautet, weil Dilman K. gegen ihre Beziehung zu Rawan N. gewesen sein soll, eine andere besagt, dass es dabei um Geld ging. Dilman K. beteuert, dass er sich nicht in die Beziehung eingemischt habe, auch sein Bruder bestätigt das. Er habe lediglich am Anfang vor dem Familien-Clan um Schahraban K. gewarnt. Über diesen habe er gehört, dass die Mitglieder vor Gewalt, Drohungen und Erpressungen nicht zurückschreckten. Später sei er sich sicher gewesen, dass die Angeklagte seinen Tod wollte, dass es einen Mordplan für ihn gab. Er und seine Familie seien sogar gewarnt worden, sich vorübergehend zu verstecken. 

    Die beiden Zeugen zeichnen ein Bild von Schahraban K., das nur schwer in Einklang zu bringen ist mit der zierlichen Person auf der Anklagebank. Fest steht jedoch, dass per Gericht eine Gewaltschutzanordnung erlassen wurde, nach der sie die gemeinsame Wohnung mit Rawan N. nicht mehr betreten darf. Und was ist mit Schahraban K.'s Familie? Handelt es sich dabei tatsächlich um einen fanatischen Clan, der eine Trennung nicht akzeptieren wollte? Jamil Azem, einer der Verteidiger der Deutsch-Irakerin, kennt ihre Familie schon lange. Er hält die Aussagen der Brüder für unglaubwürdig. Er wisse, dass einige Angaben nicht stimmten. Deshalb will er im Laufe des Verfahrens noch Zeugen laden lassen, die beim Schlichtungstreffen dabei waren und Klarheit bringen sollen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen Rawan N. zweifeln auch Schahraban K.'s weitere Verteidiger Alexander Stevens und Johannes Makepeace an. Sie haben beobachtet, wie der 25-Jährige von einem Kamerateam begleitet wurde und fragen ihn deshalb, ob er dafür bezahlt werde. Der Zeuge bejaht dies und gibt zu, einen Vertrag mit einer Produktionsfirma zu haben. Nach Ansicht der Anwälte könne dies die Aussage des Zeugen beeinflussen.

    Die Hauptverhandlung ist nun für zwei Wochen unterbrochen und wird erst am 9. April fortgesetzt.

    Darum geht es beim Doppelgängerinnen-Mordprozess in Ingolstadt

    Das wird den Angeklagten vorgeworfen: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten sehr ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten, der sich bislang nicht zur Tat eingelassen hat, hat sie schwer belastet. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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