Aus dem Hintergrund schleicht sich die dunkle, in einen Umhang gehüllte Gestalt an den Jungen heran, zückt ein mit Betäubungsmittel getränktes Tuch aus der Tasche und hält es ihm vor das Gesicht. In den Armen der Gestalt sackt der Junge zusammen, und quälend langsam schleifen seine Beine über den Boden, als er ins Verborgene gezogen wird. Die Proben der Free Actors Guild lassen kaum einen Zweifel: Es wird gruselig im Studienseminar, und ein wenig morbide – zumindest vier Abende lang im November.
Dann spielt der Theaterverein dort das Stück „Die Goldfliegen Doktrin“, geschrieben von Lucie Schafferhans, seiner künstlerischen Leiterin. Es ist ein klassischer Krimi, mit einem Hauch von Sherlock Holmes, doch anstatt in das viktorianische London, geht es in die rauen Straßen Berlins zur selben Zeit. Dort treibt ein Serienkiller sein Unwesen, der es auf kleine Jungen abgesehen hat.
„Die Goldfliegen Doktrin“ im Studienseminar: Falkenstein und Tannhauser ermitteln
Das Stück nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit in das Jahr 1899. Die grausamen Morde erschüttern die Bewohner Berlins und lassen die überforderte Polizei verzweifeln. Die Gesetzeshüter heuern daraufhin den Privatdetektiv Maximilian Falkenstein (René Schmager) an, der versucht, den Fall gemeinsam mit seinem Kollegen Gustav Tannhauser (Thomas Sandmair) zu lösen. Dabei stoßen die beiden Ermittler auf eine Besonderheit: bei allen Opfern finden sich Maden der Goldfliege, einer Art Schmeißfliege. Glücklicherweise erhalten Falkenstein und Tannhauser Hilfe von der Biologie-Enthusiastin Elisabeth Graeve (Melanie Gaber) und einer der ersten Medizinstudentinnnen im Land, Frida Johannsson (Kerstin Egerer). Gemeinsam machen sie sich daran, das düstere Geheimnis zu lüften.
In einer weiteren Verneigung vor dem Archetypen Holmes treibt die Dynamik im ungleichen Ermittlerduo die Geschichte voran und sorgt für etwas Leichtigkeit im ansonsten so grausigen Plot. „Falkenstein ist ein wenig von sich selbst eingenommen, etwas abgehoben aufgrund seiner früheren Erfolge, aber auf eine sympathische Art. Er und Tannhauser sind wie ein altes Ehepaar, das wird sehr witzig“, sagt Schafferhans.
Bereits seit Juni laufen die Proben für das Stück im „Kunstwerk“, dem Probenraum der Free Actors Guild, und noch immer feilen sie an einzelnen Szenen, so wie am Freitag an der eingangs beschriebenen. Insgesamt 15 Schauspielerinnen und Schauspieler werden auf der Bühne stehen, manche von ihnen spielen mehrere Rollen. Seit ein paar Wochen ist das Team zudem mit dem Bühnenbild beschäftigt, das in seiner Ästhetik an Schwarz-Weiß-Comics angelehnt ist. „Da stehen dann richtige Möbel, die aber durch die Comic-Optik nicht echt aussehen, sondern eher wie Bleistift-Skizzen im Skizzenblock“, erklärt Schafferhans die Idee dahinter.
Serienkiller-Spannung im Studienseminar: „Die Goldfliegen Doktrin“
„Die Goldfliegen Doktrin“ ist nicht das erste Theaterstück, das Schafferhans geschrieben hat. Vor zwei Jahren spielte die Free Actors Guild zuletzt „Esther und Marie“, das ebenfalls aus ihrer Feder stammt. Überhaupt ist der Theaterverein seit der Gründung 2020 sehr aktiv. Neben dem Stück „Darf ich mal vor?“, geschrieben von Kerstin Egerer, gab es im vergangenen Jahr auch die Musikshows „Why say it when you can sing it“ und das „Museé de la musique“. Zudem veranstaltet der mittlerweile 36-Mitglieder-starke Verein regelmäßig Quizabende im Kunstwerk, den nächsten am 22. November.
Nun also ein Krimi, für den Schafferhans Inspiration aus einer ihrer Leidenschaften gezogen hat. „Ich schaue mir sehr gerne historische Serien an, gerade aus der viktorianischen Zeit. Die sind häufig etwas gruseliger, und das wollte ich einfach mal probieren.“ Allerdings sei das Stück deutlich anspruchsvoller gewesen, sagt sie. „Man will natürlich die Zuschauerinnen und Zuschauer im Dunkeln lassen, und es so schwer wie möglich machen, den Täter zu erraten. Das war schon herausfordernd, sich das alles auszudenken.“
Wer sich an den Wirrungen und Wildheiten, die sich Lucie Schafferhans zu diesem Zweck ausgedacht hat, versuchen will, hat am 14., 15., 16., und 17. November im Studienseminar die Gelegenheit, sich mit auf Verbrecherjagd zu begeben. Karten für die vier Vorstellungen sind unter www.kunstwerk-neuburg.de/tickets erhältlich und kosten 10 Euro. Einlass ist jeweils um 19 Uhr, Beginn um 20 Uhr.
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