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Burgheim: Warum ein Zahnarzt aus Burgheim öffentlich-rechtliche Sender verklagt

Burgheim

Warum ein Zahnarzt aus Burgheim öffentlich-rechtliche Sender verklagt

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    Der Zahnarzt Armin Wall aus Burgheim hat eine Alternative zu Facebook und Co. entwickelt.
    Der Zahnarzt Armin Wall aus Burgheim hat eine Alternative zu Facebook und Co. entwickelt. Foto: Christoph Dembach, dpa (Symbolfoto)

    Armin Wall hat genug. Genug von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die mit ihrer Berichterstattung US-amerikanische Großkonzerne bestärken. Facebook zum Beispiel und Twitter und Whatsapp. Er will die deutschen Anstalten zu mehr Neutralität verpflichten. Also geht der Zahnarzt aus Burgheim gerichtlich gegen sie vor – und das schon in zweiter Instanz.

    Der Zahnarzt Armin Wall aus Burgheim hat selbst eine Plattform entworfen

    Zu den Hintergründen. Armin Wall hat selbst ein Portal gegründet. Hier, beim Start-up-Unternehmen „Grappt“, bietet er seit 2017 eine Alternative der Social-Media-Plattformen an, einen eigenen Messenger-Dienst. In einer virtuellen Umgebung, die von wenigen orchestriert wird, ist ein solches Unterfangen allerdings schwierig. „Als Kleiner hat man gar keine Chance, sich zu etablieren“, sagt der Arzt.

    Der Markt wird von Monopolisten bestimmt, was die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit ihrem Tun unterstützen, findet er. Indem sie – so heißt es in einer Pressemitteilung von Grappt – auf den offiziellen Seiten und im ausgestrahlten Programm soziale Mediennetzwerke unreflektiert empfehlen und nutzen. Dort würden Firmenlogos und Namen der Social-Media-Marktführer wie selbstverständlich präsentiert und somit unterschwellig beworben. „Das ist unlauter“, betont der Zahnarzt. Wodurch die Anstalten seiner Ansicht nach gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstoßen. Der setzt voraus, dass öffentlich-rechtliche Sender unabhängig berichten. Der Messengerdienst von Grappt werde in der Folge „durch die einseitige und gesetzeswidrige Schleichwerbung für jene amerikanischen, monopolähnlichen Konzerne im fairen Wettbewerb erheblich benachteiligt“, schreibt das Unternehmen konkret. Kleinanbieter gegen Großkonzern also, David gegen Goliath: „Konkurrenz ist da nur schwer möglich.“ Die Kundenakquise kaum umsetzbar.

    Machen öffentlich-rechtliche Sender Schleichwerbung für Facebook und Co.?
    Machen öffentlich-rechtliche Sender Schleichwerbung für Facebook und Co.? Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolfoto)

    Und dann gibt es noch diese andere Dimension. Eine viel unbewusstere. Denn wie Armin Wall erklärt, würden die Menschen von den Rundfunkanstalten beinahe zu den US-Giganten gedrängt, um an einer öffentlichen Diskussion teilnehmen zu können. Facebook, Twitter – als Interessierter muss man sich registrieren, um einen Post, einen Tweet abzusetzen. Was laut Aussage des Zahnarztes die freie Meinung, Entscheidung und schließlich auch Demokratie tangiert. Die US-Konzerne seien inzwischen omnipräsent. So präsent, dass die Marke das Produkt substituiert habe, erläutert Armin Wall. Wie ein „Tempo“ das Papiertaschentuch habe die „Whatsapp“ eine Kurznachricht ersetzt.

    Deshalb will Armin Wall die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu bringen, eine sachlichere Haltung gegenüber Social Media einzunehmen. Die Klage, die er im Namen der Grappt GmbH anstrebt, richtet sich gegen den Bayerischen Rundfunk und den Südwestrundfunk, die „Wettbewerbsverzerrung durch Schleichwerbung im Programm und Internetauftritt“ unterlassen sollen. In erster Instanz sind beide Unterlassungsklagen – sowohl gegen den BR als auch gegen den SWR – abgewiesen worden. Das Gericht habe festgestellt, dass lnhalte zum Beispiel auf Facebook und Twitter, die der SWR auf seinen Internetseiten verlinkt, journalistisch-redaktioneller Natur sind, schreibt der SWR in einer entsprechenden Stellungnahme. „Damit werden keine erwerbswirtschaftliche oder sonst wirtschaftliche Zwecke erfüllt.“ Die online abgebildeten Firmenlogos sind nach Ausführungen des Gerichts keine Anzeigen. Stattdessen wiesen sie nur darauf hin, so die Pressestelle weiter, dass der SWR auch auf diesen Plattformen mit seinen journalistischen Angeboten aktiv sei. „Insoweit kann von Schleichwerbung keine Rede sein.“

    BR und SWR weisen Vorwurf der Schleichwerbung weit von sich

    In ähnlicher Weise argumentiert der BR. Die Einbindung von Social-Media-Plattformen diene explizit der Reichweitensteigerung für Inhalte des Bayerischen Rundfunks und stehe – ebenso wie die Praxis, dabei auf die Plattformen mit dem höchsten Nutzeraufkommen in der jeweiligen Zielgruppe zurückzugreifen – im Einklang mit dem Rundfunkstaatsvertrag, heißt es von dessen Seite. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der BR „durch die im Internet gängige Art und Weise der Verlinkung und Verwendung der Logos einen anderen Zweck verfolgt, als auf die entsprechenden eigenen Auftritte“ hinzuweisen, beziehungsweise einen Kommunikationsweg zu eröffnen. Aspekte, die 2020 bereits das Münchner Landgericht festgestellt habe, bekräftigt der BR.

    Beide öffentlich-rechtlichen Anstalten weisen außerdem darauf hin, dass die entsprechenden sozialen Medien zumindest von einem Großteil der Bevölkerung stark genutzt werden. Um eine Präsenz auf solchen Plattformen komme man nicht herum, erklärt etwa der SWR. Wie andere öffentlich-rechtliche und auch private Medienunternehmen nutzt auch der BR Social Media, um nach eigenen Angaben die Reichweite von Inhalten in bestimmten Zielgruppen zu erweitern. Auf die professionelle kritische Berichterstattung über Facebook, Twitter und Whatsapp hat dies Ausführungen beider Anstalten zufolge keinen Einfluss.

    Wie in erster Instanz scheiterte die Unterlassungsklage von Armin Wall gegen den BR auch im Berufungsverfahren, das jetzt am Oberlandesgericht in München stattgefunden hat. Das Medienunternehmen sieht sich „erneut und vollumfänglich bestätigt“. Die Klage sei abgewiesen worden, erzählt Armin Wall. Ob zugunsten des Bayerischen Rundfunks, das zieht der Zahnarzt aber in Zweifel. Er will die Urteilsbegründung abwarten, die in einigen Tagen schriftlich erfolgen soll. Allerdings geht er davon aus, dass man ihm die Klagezulässigkeit abgesprochen hat. „Und wo kein Kläger, da ist auch kein Richter“, sagt Armin Wall. Die Gegenseite bestreite, führt er aus, dass weder ein direktes noch ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis zum BR bestünde.

    Das Berufungsverfahren gegen das SWR-Urteil vom Mai 2020 dauert noch an

    Dem widerspricht der Mediziner und Messengerdienstanbieter vehement: „Wenn ich in meinem Programm sage: ,Schickt mir eine Whatsapp-Sprachnachricht’, dann verstehe ich das als direkte Aufforderung.“ Immerhin – das hätte sich beim BR seit seiner Abmahnung schon geändert. Man belasse es bei einer „Sprachnachricht“.

    Armin Wall aber möchte, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten in allen Bereichen auf Namensnennung und Logo-Einblendungen verzichten, um am Ende neutraler und unabhängiger zu sein. Deshalb will er prüfen lassen, ob eine Revision des Urteils vom 25. März vor dem Bundesgerichtshof Sinn ergeben könnte. „Wenn man sich ausmalt, was das für Konsequenzen hätte.“ Für alle öffentlich-rechtlichen Sender, deutschlandweit. Das Berufungsverfahren gegen das SWR-Urteil vom Mai 2020 dauert noch an.

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