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Bayern: Warum Zugvögel plötzlich vom Himmel fallen

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Kälte und Nässe bringen Zugvögel in Not

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    In den vergangenen Tagen strandeten wegen des schlechten Wetters unzählige Schwalben auf ihrem Weg in den Süden oder fielen gar vom Himmel.
    In den vergangenen Tagen strandeten wegen des schlechten Wetters unzählige Schwalben auf ihrem Weg in den Süden oder fielen gar vom Himmel. Foto: Tom Engel (Symbolbild)

    Andreas Kopernik sitzt in seinem Wintergarten und blickt sorgenvoll auf den kleinen, hilflosen Vogel vor ihm. Dann schnappt er sich seine Pinzette, spießt ein Insekt auf die Spitze und schiebt es vorsichtig in den Rachen der jungen Schwalbe. Seit Tagen macht Kopernik, der gemeinsam mit seiner Frau Margit eine Pflegestation der Tierhilfe Jonathan im Ostend betreibt, kaum etwas anderes. An den Wänden finden sich dutzende kleine Käfige, in beinahe allen liegen erschöpfte Vögel, hauptsächlich Mehl- und Rauchschwalben. „Diese Schwalbe hier wird es wohl nicht schaffen“, sagt Margit Kopernik, „aber ohne uns würde es keine von ihnen schaffen.“

    Seit Tagen stranden erschöpfte Schwalben in Bayern oder fallen gar vom Himmel

    Seit Tagen schon berichten Menschen in ganz Bayern von vom Himmel fallenden Vögeln und unzähligen toten Schwalben auf den Straßen. Viele Tierheime arbeiten am Limit, weil so viele der erschöpften Tiere von mitfühlenden Passanten abgegeben werden. Nach Angaben des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV) ist das schlechte Wetter der Grund für das tragische Naturschauspiel. „Die plötzliche Kälte der vergangenen Tage hat vielen Vogelarten Energie geraubt. Bei Zugvögeln hat dieser Verlust dramatische Auswirkungen“, schreibt der LBV in einer Mitteilung. Schwalben seien als Zugvögel im September auf ihrem Weg in den Süden und bräuchten für den anstrengenden Flug so viel Energie wie möglich. Weil aber durch den Dauerregen kaum Insekten fliegen, von denen sich Schwalben ernähren, reichen die Fettreserven nicht. Außerdem löst der Dauerregen die Schutzschicht des Gefieders, was es für die Vögel schwer macht, weiterzufliegen. Die Folge: Die Schwalben sitzen hungrig auf Fensterbänken, baumeln unter Dachvorsprüngen oder stürzen zu Boden.

    Auch in Neuburg gingen in den vergangenen Tagen Meldungen von dutzenden toten und erschöpften Tieren durch die sozialen Medien. Eine Neuburgerin, die gerade eine junge Schwalbe in Koperniks Obhut übergeben hatte, spricht von dramatischen Szenen in manchen Teilen der Stadt. „Alle 15 Minuten stürzt ein Vogel vom Himmel und liegt erschöpft am Straßenrand“, so die Frau. Einige davon landen bei der Familie Kopernik, wo sie artgerecht gefüttert, versorgt und im besten Fall wieder in die Natur entlassen werden.

    Wer den Tieren helfen möchte, kann selbst aktiv werden oder sich an die Tierhilfe wenden

    Wer erschöpfte und hilflose Vögel findet, kann den Tieren aber auch selbst helfen. „Wichtig dabei ist, sich zu informieren, was Mehl- und Rauchschwalben fressen und welche Mengen sie benötigen“, sagt Kopernik. Er habe bereits Vögel in Empfang genommen, die mit Schinken vollgestopft worden waren und kaum noch zu retten gewesen seien. Zunächst sei darauf zu achten, ob der Vogel seinen Schnabel noch öffnen könne. Falls nicht, empfiehlt Kopernik eine Traubenzuckerlösung über die Schnabelseite laufen zu lassen - und zwar so lange, bis das Tier wieder fähig ist, feste Nahrung aufzunehmen. „Wer es sich zutraut, kann den Vogel dann selbst mit Insekten füttern. Im Fall von Schwalben ausschließlich mit Insekten und auf keinen Fall mit Getreide oder ähnlichem“, erklärt Kopernik.

    Margit und Andreas Kopernik päppeln in der Tierhilfe Jonathan gestrandete Vögel auf.
    Margit und Andreas Kopernik päppeln in der Tierhilfe Jonathan gestrandete Vögel auf. Foto: David Dechand

    Oftmals helfe es aber bereits, den Schwalben einen Moment Ruhe zu gönnen. Eine Mitarbeiterin des Neuburger Tierheims empfiehlt, einen Schuhkarton mit einem Stift zu durchlöchern, diesen dann mit einer kleinen Decke, einem Kissen oder einer Wärmflasche zu versehen. „Damit schafft man dem Vogel kurzzeitig einen dunklen, warmen Unterschlupf, wo er sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen kann.“ Wichtig sei vor allem die künstliche Dunkelheit, denn wenn die Vögel wieder munter sind, flattern sie oft wild umher und können sich dadurch verletzen. Helferinnen und Helfer müssen übrigens keine Angst davor haben, die Tiere zu berühren. „Die menschliche Körperwärme ist bestens geeignet, man kann die Schwalben so auch länger in der Hand halten“, schreibt der LBV.

    Alternativ können die Vögel auch ins Tierheim oder zu einer Tierhilfe bringen. Das empfiehlt sich besonders, wenn das Tier den Eindruck erweckt, verletzt oder so unterernährt zu sein, dass es sich von den Strapazen nicht so leicht erholt. Andreas und Margit Kopernik kümmern sich derzeit um rund 100 Vögel. Darunter befinden sich nicht nur Schwalben, sondern auch Eulen und Schwäne, die im Ostend und in anderen Stationen einen Unterschlupf gefunden haben. Dabei finanzieren die Tierpfleger ihre Arbeit ausschließlich aus Spenden, und freuen sich daher immer über finanzielle Unterstützung. „Aus dem ganzen Landkreis werden Schwalben und andere Vögel zu uns gebracht. Auch die Feuerwehr oder Tierarztpraxen wenden sich regelmäßig an uns, ob wir Tiere zur Pflege übernehmen können“, sagt Kopernik und widmet sich umgehend wieder seinen erschöpften und verletzten Vögeln.

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