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Sommerinterview: Sven Voelpel: „Heimat ist dort, wo ich mich wohlfühle“

Sommerinterview

Sven Voelpel: „Heimat ist dort, wo ich mich wohlfühle“

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    Sven Voelpel mit seinen beiden Söhnen Leonardo (l.) und Alexander.
    Sven Voelpel mit seinen beiden Söhnen Leonardo (l.) und Alexander. Foto: Andrea Hammerl

    Herr Voelpel, Sie haben in zwölf Ländern auf vier Kontinenten gearbeitet - wo ist es am schönsten?

    Die Frage ist komplexer, als sie sich anhört. Als ich jung war, fand ich es immer dort am schönsten, wo ich gerade gearbeitet habe. Das fühlte sich an wie Urlaub, obwohl ich Tag und Nacht gearbeitet habe. Der größte Unterschied war, dass man im Urlaub die Länder nicht so intensiv kennenlernt wie wenn man dort arbeitet. Ich habe das Wesentliche jeweils in etwa sechs Wochen erfahren. Klar, manches weiß man auch nach 20 Jahren noch nicht über ein fremdes Land. Die vielen verschiedenen Impulse fand ich sehr spannend, und jedes Land gefiel mir besser als Deutschland.

    Sie sprechen im Imperfekt – wo ist es rückblickend am schönsten gewesen?

    Ja, das ist das Spannende daran. Je älter ich geworden bin, besonders seit ich Familie habe, desto mehr habe ich gemerkt, wie besonders Deutschland, speziell Bayern ist. Weil hier vieles einfach ideal ist. Jedes Land hat Dinge, die super sind, Südafrika zum Beispiel hat tolles Wetter und dort wurde die erste Herztransplantation gemacht. Aber Deutschland hat auch sehr vieles zu bieten. Die vier Jahreszeiten beispielsweise oder die Natur. Den Jahreszeitenwechsel, den wir hier bei uns haben, habe ich in Brasilien zu schätzen gelernt. Dort ist es immer sehr heiß. Das hat unter anderem zur Folge, dass es dort viele Bakterien und Mücken gibt - mit entsprechenden Gesundheitsgefahren. Deshalb fehlt in vielen Ländern der Erde die Naturverbundenheit der Menschen. Sie sehen die Natur als ihren Feind an - giftige Schlangen, Bakterien, Schädlinge. Das Leben dort ist ein Kampf. Daher weiß ich heute, dass

    Das klingt, als sei der Winter Ihre liebste Jahreszeit?

    Mittlerweile liebe ich alle Jahreszeiten. Früher fand ich den Sommer grandios, aber in meinen vier winterlosen Jahren in Südafrika, Japan und Indien habe ich den Winter vermisst. Da habe ich mich an unsere Huskies meiner Kindheit erinnert und wie sehr sie sich gefreut haben, wenn es schneite. Das Schöne in unserer Heimat ist, dass alles gemäßigt ist.

    Was bedeutet Ihnen Heimat, wo sind Sie daheim?

    Heimat ist dort, wo ich mich wohlfühle. Dieses Gefühl bekommt mit dem Alter einen höheren Stellenwert. Als Kind war die Heimat selbstverständlich, sehr wichtig waren Eltern und Freunde. Dann kam die Karrierephase, und jetzt spielen Familie und Gesundheit die größte Rolle, auch die Heimat schätzt man wieder mehr. Und ja, daheim bin ich schon in Bayern. Andererseits vermisse ich im Prinzip auch nichts, wenn ich anderswo bin. Aber sobald die Umgebung bergig wird, fühle ich mich zuhause und merke, wie schön Bayern ist.

    Besonders bergig ist es ja im Donaumoos nun nicht gerade. Was schätzen Sie am Moos?

    (lacht) Stimmt, aber als Kind war ich sehr viel mit der Familie am Chiemsee oder zum Skifahren in den Bergen, das prägt. So weit sind die Berge vom Donaumoos ja auch gar nicht entfernt. Am Moos schätze ich vor allem die Natur mit ihren vielen vom Aussterben bedrohten Arten, die es hier noch gibt, die Bachmuschel in der Ach zum Beispiel oder die Wiesenbrüter, Wiesenpiper, Biber, seltene Libellen, Erdkröten und Salamander. Auf der Herfahrt haben wir 24 Störche auf einmal gesehen. Das war eine Sensation für meine Söhne, mein Vater hat gleich angehalten, damit wir fotografieren konnten. Ich liebe Tiere und Pflanzen; mit Kräutern bin ich aufgewachsen und esse davon größere Mengen – ich könnte den ganzen Tag in der Natur verbringen.

    Zumal sie in Deutschland ziemlich zivilisiert und harmlos ist. Welche Vorteile sehen Sie noch in Deutschland und Bayern im Vergleich zu anderen Ländern und Kontinenten?

    Ich schätze sehr, wie strukturiert Deutschland ist. Das zeigt sich jetzt in der Corona-Krise, aber auch sonst im Alltag. Wir haben nicht nur ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem, sondern auch soziale Absicherung und ein gutes Schulsystem. Die Ausbildung ist in Bayern top, wie die Pisastudie beweist.

    Wo Sie Pisa erwähnen – Bremen ist das Schlusslicht in Deutschland und dort leben Sie mit Ihrer Familie. Schicken Sie Ihre Söhne in eine Privatschule?

    Nein, das ist eine ganz normale Grundschule, in die Alexander geht, und Leonardo wird im Herbst auch dort eingeschult. Aber es stimmt, Bremen ist seit Jahren in der Pisastudie Schlusslicht. Tatsächlich schicken manche Bremer ihre Kinder auf Schulen nach Niedersachsen, weil das Schulsystem dort besser ist. Ein Problem ist sicherlich der Stadtstaat. Letztlich aber sind das alles Durchschnittswerte und unsere Grundschule fördert die Kinder sehr. Alexander spielt dort begeistert Schach. Das fördert die Intelligenz der Kinder ungemein. Bereits eine Stunde Schachspielen pro Woche führt dazu, dass sich die Mathematikkompetenz der Kinder doppelt so schnell entwickelt - und das alles spielerisch. Strategie, vorausschauendes Denken und Sozialkompetenz werden ebenfalls gefördert, Schach ist ein hochemotionales Spiel. Ob die Welt- und Europameisterschaft, für die Alexander qualifiziert ist, im Oktober und November stattfinden, ist wegen Corona noch unsicher. Mitte August nehmen Alexander und Leonardo deshalb an der EU-Meisterschaft in Tschechien teil.

    Glückwunsch! Und dann geht es nach Bremen oder ins Donaumoos, wie verbringen Sie den Sommer?

    Auf jeden Fall begleite ich meine Jungs beim Schach und dann werde ich versuchen, trotz meiner vielen Arbeit möglichst oft mit ihnen herumzutoben, egal ob auf dem Trampolin, mit Skateboard, Roller, Tandem, Fußball oder Kicker, und natürlich zum Eisessen und Baden zu gehen.

    Interview: Andrea Hammerl

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