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Sommer-Interview: Fridays for Future: „Straßen kann man vielleicht ganz abbauen“

Sommer-Interview

Fridays for Future: „Straßen kann man vielleicht ganz abbauen“

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    Der 18-jährige Constantin Kuhn kommt aus Ingolstadt. Wir haben uns mit ihm im Ingolstädter Büro des Bundes Naturschutz getroffen. Für diesen engagiert er sich bereits seit mehreren Jahren. Jetzt startet er in ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. 
    Der 18-jährige Constantin Kuhn kommt aus Ingolstadt. Wir haben uns mit ihm im Ingolstädter Büro des Bundes Naturschutz getroffen. Für diesen engagiert er sich bereits seit mehreren Jahren. Jetzt startet er in ein Freiwilliges Ökologisches Jahr.  Foto: Christof Paulus

    Am Amazonas und in Afrika brennen immer noch die größten Waldgebiete der Erde. Welche Gefühle löst das in Ihnen aus?

    Constantin Kuhn: Das ist natürlich sehr traurig, weil diese Waldbrände durch die Klimakatastrophe verstärkt passieren. Vor allem mit der aktuellen Regierung in Brasilien ist das noch schlimmer für diese Ökosysteme, weil diese kein großes Interesse daran hat, dagegen etwas auszurichten oder die Wälder wieder zu renaturieren.

    Merken Sie, dass auch die Menschen hier verstehen, dass es sie betrifft – auch wenn die Brände Tausende Kilometer entfernt sind?

    Kuhn: Ich glaube schon, dass die Leute sich damit auseinandersetzen, weil sie über soziale Medien sehr stark involviert sind. Dadurch rekapitulieren sie vielleicht auch ihr eigenes Verhalten.

    Die bekannte Aktivistin Greta Thunberg erfährt einiges an Hass. Sie stehen inzwischen ebenfalls etwas in der Öffentlichkeit, welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

    Kuhn: Ich habe noch nichts erlebt. Angeblich gab es nach ein paar Streiks auf Facebook Kommentare, dass alles Quatsch sei. Ich bin auf sozialen Medien nicht aktiv, deswegen bekomme ich das nicht mit. In erster Linie zeigt es, dass die Leute sich dabei ertappt fühlen, nicht dazu beizutragen, dass auch ihre nachfolgenden Generationen zum Beispiel noch einen Wald haben werden, in den sie gehen können.

    Viele beziehen sich bei der Kritik darauf, dass die Demonstranten die Schulpflicht verletzen. Sie haben in diesem Jahr Abitur gemacht, wie lief es denn?

    Kuhn: Gut! Ich denke nicht, dass man sich selbst benachteiligt, wenn man sich engagiert – ganz im Gegenteil: Man lernt so viele neue Leute kennen, neue Fähigkeiten – wie man organisiert, eine Demo anmeldet – und kommt mit Sachen in Kontakt, die man im Schulunterricht nie behandeln würde. Wir fahren (unser Klima, Anm. d. Redaktion) aktuell gegen die Wand – und darüber diskutiert man eher weniger im Deutschunterricht.

    Was die Schulstreiks definitiv erzeugt haben, ist Aufmerksamkeit. Inwiefern hat die Politik darauf reagiert?

    Kuhn: Um es ironisch zu sagen: Ich finde es wunderbar, dass die Politik so reagiert hat, wie sie reagiert hat – vor allem die regierenden Parteien CDU und CSU. Man merkt, dass sie nicht wirklich Lösungen haben mit dem, was sie anbieten. Dementsprechend ist es spannend zu sehen, dass die Politik gerade massiv überlegt, wie sie da agieren kann, und den gesellschaftlichen Druck spürt.

    Reisen belasten das Klima sehr. Wie passt es zusammen, dass gerade die Generation, die besonders mobil und global ist, jetzt für mehr Klimaschutz demonstriert?

    Kuhn: Zunächst einmal sind es meist die Gleichen, die immer wieder fliegen. Klar leben wir in einer vernetzten Welt, aber das heißt lange nicht, dass man deswegen nach Japan fliegen muss, Austausch findet auch über soziale Medien statt. Wir haben in Europa keine Grenzen mehr, auch diesen kulturellen Austausch zu erleben, ist extrem wertvoll.

    Wie können Menschen und Politik in der Region agieren, um etwas für die Umwelt und das Klima zu tun?

    Kuhn: Wichtig ist es, sich wirklich auf die jeweilige Kommune zu konzentrieren und eine Vorreiterrolle in der Region einzunehmen. Wenn jeder versucht, sich einzumischen, dann wird es noch komplexer und schwieriger. Aber die Kommunen können sich auf das konzentrieren, was sie selbst machen können: Dazu gehört der Öffentliche Nahverkehr, der massiv ausgebaut werden muss, oder breite Fahrradwege, die man stark abtrennt von der Straße. Und dazu gehört auch, dass man die Straßen bewusst zurückbaut. Am Schluss könnte man die Straße vielleicht ganz abbauen, weil man sie nicht braucht. Oder autofreie Innenstädte, das würde das soziale Leben sehr fördern.

    Auch in den Kleinstädten?

    Kuhn: Erst recht in den Kleinstädten! Da braucht man ein Auto nicht unbedingt, man könnte zum Beispiel Carsharing-Angebote schaffen.

    Welcher Zeitrahmen ist für Sie realistisch, in dem wir einen attraktiven Nahverkehr einrichten können?

    Kuhn: Wenn da ein politischer Wille ist, kann man heute im Stadtrat beschließen, dass bei jeder neu gebauten Straße das Auto hinter Fahrrad, Bus und Fußgängern an vierter Stelle steht. Dann könnte man in ein paar Jahren schon massive Rückgänge bei Autos sehen.

    In kleinen Orten wirkt es momentan noch völlig unvorstellbar, diese untereinander mit dem Bus zu verbinden.

    Kuhn: Da muss man dann verschiedene Modelle zusammenlegen. Da gibt es Mitfahrer-Bänke, von denen aus Leute andere mitnehmen, die gerade unterwegs sind, oder es gibt Rufbusse, die in anderen Städten gut laufen. Da könnte man die ganze Region 10 miteinander verknüpfen, die sehr wohlhabend ist.

    Einer der Gründe für den Wohlstand ist die Autoindustrie. Welche Widerstände spüren Sie deshalb?

    Kuhn: In Deutschland ist die Autolobby massiv daran beteiligt, den Individualverkehr zu stärken. Wir können gerne so weitermachen wie bisher, aber ich denke, dass die gesamte Region dann einem ähnlichen Schicksal wie Detroit unterliegen wird (dort ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie im US-Amerikanischen Landesschnitt, früher war die Stadt ein bedeutender Industriestandort; Anm. der Redaktion). Wir können uns also jetzt damit beschäftigen und uns sinnvoll umstellen, wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden, oder wir können noch ein bisschen warten – und dann auf noch krassere Probleme stoßen.

    Wie geht es jetzt bei Ihnen persönlich und mit den Demonstrationen weiter?

    Kuhn: Im September habe ich ein Freiwilliges Ökologisches Jahr gestartet und bin deshalb umgezogen. Es gibt noch viele andere Aktive, wir planen jetzt schon für den 20. September eine Demonstration in Ingolstadt. Dementsprechend laufen die Aktionen hier noch weiter.

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