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Neuburg: Polizisten im Interview: Kein Tag ist wie der andere

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Polizisten im Interview: Kein Tag ist wie der andere

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    Franziska Ertl und Dennis Lösch arbeiten bei der Polizeiinspektion in Neuburg. Sie fahren zum Beispiel Streife und nehmen Anzeigen auf.
    Franziska Ertl und Dennis Lösch arbeiten bei der Polizeiinspektion in Neuburg. Sie fahren zum Beispiel Streife und nehmen Anzeigen auf. Foto: Dorothee Pfaffel

    Frau Ertl, Herr Lösch, warum sind Sie eigentlich Polizisten geworden?

    Dennis Lösch: Das war ein Kindheitswunsch von mir, der nie aufgehört hat. Ich habe die Polizei einfach cool gefunden. Dann habe ich irgendwann ein Praktikum gemacht und das hat mich in meinem Wunsch noch weiter bestärkt. Mir war zwar klar, dass der Beruf auch Schattenseiten hat, aber das konnte mich nicht abhalten.

    Franziska Ertl: Mein Papa ist Polizist. Da habe ich schon einiges mitbekommen. Und dann habe ich auch ein Praktikum gemacht. Ich finde, der Beruf ist sehr abwechslungsreich.

    Hat man als Frau bei der Polizei mit Vorurteilen zu kämpfen – sei es von Kriminellen oder Kollegen?

    Ertl: Also ich persönlich musste gegen keine Vorurteile ankämpfen. Hier herrscht völlige Gleichberechtigung. Ich habe bislang keine negativen Erfahrungen aufgrund meines Geschlechts gemacht.

    Lösch: Ich kann auch keinen großen Unterschied feststellen. Es kommt höchstens mal bei einem Einsatz vor, dass Männer aus fremden Kulturkreisen nicht mit Frauen sprechen wollen. Generell finde ich es super, dass Frauen mit auf Streife fahren. Denn wir haben ja auch immer mal wieder sensible Einsätze, zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, da fühlen sich Frauen bei anderen Frauen einfach besser aufgehoben.

    Versucht man dann beim Streife fahren immer gemischte Teams zu bilden?

    Ertl: Es wird schon darauf geachtet, dass keine zwei Frauen miteinander unterwegs sind. Also dass eine Frau immer einen Mann an ihrer Seite hat (lacht). Umgekehrt geht das allerdings nicht. Bei der PI Neuburg arbeiten insgesamt – geschätzt – 60 Polizisten, davon sind nur ungefähr zehn Frauen.

    Lösch: Gemischte Streifenbesatzungen sind auch deshalb wichtig, weil wir bei unserer Arbeit den Gleichgeschlechtlichkeitsgrundsatz beachten müssen. Das heißt, bei einem Ladendiebstahl darf ich als Mann keine Frau am Körper durchsuchen. Das darf nur eine Frau. Und eine weibliche Polizistin darf umgekehrt auch keinen Mann abtasten.

    Herr Lösch, Sie waren in der Hundertschaft schon bayernweit im Einsatz. Was waren das für Aufgaben?

    Lösch: Viele Einsätze waren in München, zum Beispiel am Oktoberfest oder in der Allianz Arena. Beim Amoklauf im Olympiaeinkaufszentrum musste ich helfen, das Gebäude abzuriegeln. Ich war aber auch schon beim G20 Gipfel in Hamburg oder in Berlin, als Barak Obama Angela Merkel besucht hat. In Kooperation mit der Bundespolizei habe ich – eher in der Endphase der Flüchtlingswelle – Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich durchgeführt.

    Was war Ihr bislang aufregendster Einsatz?

    Lösch: Man wird oft gefragt, ob man schon mal auf jemanden geschossen hat. Das hab ich noch nie gemacht, aber ich musste bereits zweimal die Waffe auf jemanden richten. Einmal davon im Mai 2019 in Neuburg: Da hatten wir die Mitteilung bekommen, dass ein Mann eine Pistole im Hosenbund trägt. Das andere Mal war am Münchner Hauptbahnhof: Ein Mann hatte ein langes Messer in der Hand und hat uns aufgefordert, ihm in den Kopf zu schießen. Beide Male hatten wir die Waffen im Anschlag, konnten die Situation aber dann doch so lösen. Das war prägend.

    Ertl: Ich musste meine Waffe noch nie ziehen. Aber gleich an meinem ersten Arbeitstag hier in Neuburg hatte ich einen Einsatz mit jemandem, der wollte seine Getränke nicht bezahlen und hat Widerstand geleistet. Den mussten wir dann zu Boden bringen und fesseln.

    Das klingt jetzt alles eher abschreckend ... Hatten Sie denn auch schon positive prägende Erlebnisse?

    Lösch: Ja. Das sind vor allem die kleinen Dinge: Wenn Kinder sich freuen, wenn wir für sie das Blaulicht einschalten oder sie mal im Streifenwagen sitzen dürfen.

    Ertl: Und wenn Menschen Dankbarkeit zeigen dafür, dass wir da sind. Wir haben den Beruf ja schließlich ergriffen, um zu helfen und zu schützen.

    Mit welcher Art von Einsätzen haben Sie es in Neuburg zu tun?

    Lösch: Ich würde sagen, in Neuburg ist alles möglich. Die Bandbreite reicht von der Fundanzeige bis zum versuchten Totschlag. Am häufigsten sind Verkehrsunfälle.

    Ertl: Kein Tag ist wie der andere. Das macht den Beruf aber auch so interessant.

    Wie oft sind Sie mit toten Menschen konfrontiert und wie gehen Sie damit um?

    Lösch: Das kommt glücklicherweise nicht so oft vor, vielleicht ein bis viermal im Jahr, bei Verkehrsunfällen oder Suiziden. Das ist ein sehr beklemmendes Gefühl, besonders wenn die Angehörigen da sind. Die Theorie kann einen darauf nicht vorbereiten. Wir verarbeiten das, indem wir mit den Kollegen vor Ort oder auf der Wache sprechen. Das Arbeitsklima in Neuburg ist gut, sehr familiär.

    Hatten Sie schon mal Angst?

    Lösch: Angst eigentlich nicht, eher Respekt vor einer Situation. Wir üben das ja ständig – und wenns gefährlich wird, funktioniert man einfach und überlegt nicht viel. Für Angst ist da gar keine Zeit.

    Ertl: Wie gefährlich eine Situation war, wird einem oft erst im Nachhinein bewusst.

    Würden Sie sagen, dass der Respekt gegenüber der Polizei sinkt?

    Ertl: In manchen Situationen ja, aber nicht generell. Die Menschen begegnen einem schon noch mit Respekt.

    Lösch: Wenn Alkohol und Drogen im Spiel sind, dann lässt der Respekt nach. Aber das wissen wir vorher. Und wir nehmen die Beleidigungen dann auch nicht persönlich. Wenn die Leute später in nüchternem Zustand vernommen werden, sind sie oft ganz verschämt und entschuldigen sich.

    Spüren Sie den Personalmangel bei der Polizei auch in Neuburg?

    Ertl: Wir sind schon zu wenig Leute, aber wir können Urlaub nehmen und Überstunden abbauen.

    Lösch: Das Arbeitspensum ist machbar.

    Wie läuft eigentlich eine Schicht ab? Sie sind ja nicht nur auf Streife, oder?

    Lösch: Wir sind die eine Hälfte der Zeit draußen bei Kontrollen und Einsätzen und die andere Hälfte drinnen. Auf der Wache halten wir den Betrieb aufrecht, nehmen Anzeigen auf, ermitteln, schreiben Sachverhalte nieder.

    Ertl: Die Schreibarbeit wird oft unterschätzt.

    Welche Eigenschaften sollte ein Polizist mitbringen?

    Ertl: Man sollte körperlich fit sein, flexibel und im Team arbeiten können.

    Lösch: Man sollte Rechtschreibung und Grammatik beherrschen. Und stark in der Kommunikation sein. In der Ausbildung ist uns gesagt worden: Die stärkste Waffe eines Polizisten ist die Kommunikation. Durch Reden kann man viele Situationen lösen.

    Schaffen Sie es, Beruf und Privatleben zu trennen?

    Ertl: Ja. Wenn ich aus der Arbeit gehe, ist die Arbeit vorbei. Lösch: Mit der Uniform hängt man die Arbeit in den Schrank.

    Die Gesprächspartner aus Neuburg

    Polizeiobermeister Dennis Lösch ist 23 Jahre alt. Er ist in Neuburg geboren und seit sechs Jahren bei der Polizei. Die zweieinhalbjährige Ausbildung hat er in Eichstätt absolviert. Danach war er in der Hundertschaft der Bereitschaftspolizei Dachau und somit bei Einsätzen in ganz Bayern unterwegs. Seit September 2018 ist er bei der Polizeiinspektion (PI) Neuburg.

    Polizeimeisterin Franziska Ertl ist 22 Jahre alt. Sie kommt aus Ingolstadt und hat 2015 bei der Polizei angefangen. Ihre Ausbildung hat sie ebenfalls in Eichstätt gemacht. Seit März 2018 ist sie bei der Polizei Neuburg.

    Lesen Sie auch das NR-Interview mit Viktor Scheck über den "Nord-Süd-Konflikt" im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.

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