Der Wasserdoktor, Naturheilkundler und Pfarrer Sebastian Kneipp wäre am Montag 200 Jahre alt geworden. Seine ganzheitliche Gesundheitslehre sei aktueller denn je, urteilten die Minister Jens Spahn und Klaus Holetschek per Video. Bad Wörishofen feierte digital und Neuburg real: Oberbürgermeister Bernhard Gmehling testete als Erster das sanierte Wassertretbecken am Finkenstein.
„Ganz schön kalt.“ Kurz vor einem Mai-Gewitter mit Hagelschlag und Platzregen watete der OB am Montag zusammen mit Tourismus-Expertin Bettina Häring und Axel Kalkowski durch das neu geflieste Waldbassin. Eine kühle Quelle speist das Becken. Das Trio gab sich tapfer und meinte unisono: „Gut für die Durchblutung.“
Neues Kneippbecken am Finkenstein: 9000 Euro kommt als Förderung
Er sei ein Fan der naturheilkundlichen Gesundheitspflege mit Sport, Schwimmen, Kneippen und Entspannungskuren, bekennt Oberbürgermeister Bernhard Gmehling. Kein Wunder, in seinen hauseigenen Swimmingpool hüpft er bei jeder Gelegenheit. Abgesehen von einer historischen Episode in der Stadtgeschichte profitiere Neuburg mit seinen Wander- und Radwegen auch touristisch von der Kneippbewegung, so der OB. Außerdem gebe es schöne Parallelen zur Partnerstadt Jesenik, die über ein Kurbad und mit Vinzenz Prießnitz (1799-1851) über den „tschechischen Kneipp“ verfügt.
Vom Freistaat erhielt die Stadt zudem 9000 Euro Fördermittel für das Finkensteinbecken und steckt 60.000 Euro in die Neugestaltung der Anlage am Stadtgraben – bekannt auch durch die Kneipp-Büste. Die beiden Projekte dienen nicht nur der Reminiszenz an den berühmten Gesundheitslehrer, sondern sie sollen von Einheimischen und Besuchern auch rege genutzt werden.
Im neuen Becken am Stadtgraben müsse „das Wasser bis an die Knie gehen“, damit die Kneippsche Lehre voll zur Geltung kommt. Als Theologiestudent hatte sich Sebastian Kneipp (1821-1897) mit Hilfe des eiskalten Donauwassers von Tbc-Beschwerden geheilt. Im Laufe der Jahre verfeinerte der Pfarrer und Buchautor sein Wissen und seine Empfehlungen, riet zu Bewegung. Heilpflanzen und gesunder Ernährung. Die heutige Work-Life-Balance hatte Kneipp in seinem zweiten Buch „So sollt ihr leben“ vorweggenommen.
Kneipp-Jubiläum: Warum Neuburg einmal Kurbad werden wollte
Trotzdem entgegneten ihm Ärzte und Apotheker meist kritisch, einige zeigten ihn wegen „Kurpfuscherei“ und „Schädigung“ an. Die Bevölkerung nannte ihn aber respektvoll „Cholera-Kaplan“. Seine Ansichten setzten sich langsam durch, im Alter von 73 ehrte ihn Papst Leo XIII. mit einer Audienz in Rom. Heute gibt es hunderte Kneipp-Vereine und im internationalen Verband „Kneipp-Worldwide“ sind Kneipp-Bünde aus mehreren europäischen Ländern zusammengeschlossen.
Bad Wörishofen darf man Kneipphauptstadt nennen. Neuburg war aber in den 1920er Jahren auch gut dabei, als Unternehmer Franz Hoffmann und Kurarzt Dr. Wilhelm Spengler Moorbäder, Schrothkur, Güsse und das Kneippen auf der Hutzeldörre propagierten. Ihr Haupthaus in der Fünfzehnerstraße, das spätere Landratsamt, nahmen aber bald die Nationalsozialisten in Beschlag. Obwohl selbst Propagandisten von Volksgesundheit und Körperkultur, ging mit ihnen die Hoffnung auf ein „Kurbad Neuburg“ dahin.
Heute kümmert sich insbesondere der Verschönerungsverein um das Kneipp-Erbe, er hat das Finkenstein-Becken bereits vor 20 Jahren reaktiviert. Die Gruppe um Vereinschef Axel Kalkowski schlägt einen Wanderweg vor, der vom Spielplatz am Graben und der Donau entlang zum Finkenstein und über Weinberg und Eulatalstraße zurück nach Neuburg führt. Ein „Eröffnungswandern“ am Montag hat das Landratsamt aus Infektionsschutzgründen untersagt.
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