Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Neuburg: Wie ein Unglück die Hofkirche erschuf

Neuburg

Wie ein Unglück die Hofkirche erschuf

    • |
    So könnte Neuburg um 1536/37 ausgesehen haben. Die Stadtansicht stammt aus den Reisebildern Ottheinrichs und kommt dem Städtebild wohl am nächsten.
    So könnte Neuburg um 1536/37 ausgesehen haben. Die Stadtansicht stammt aus den Reisebildern Ottheinrichs und kommt dem Städtebild wohl am nächsten. Foto: Universitätsbibliothek Würzburg

    Es war eine Katastrophe, die sich in der Nacht vom 1. auf den 2. März 1602 abspielte. 43 Meter ragte der neue Kirch- und Stadtturm bereits in den Neuburger Himmel. Er sollte zwischen der Pfarrkirche Unsere Frau und dem Rathaus die Stadt repräsentieren – ein wichtiges Kriterium in der Zeit der Renaissance. Doch dazu kam es nicht mehr.

    Mitten in der Nacht stürzte der Turm ein, zerstörte das angrenzende Gotteshaus und begrub das Rathaus unter sich. Es ist wohl lediglich der Unglückszeit geschuldet, dass keine Menschen ums Leben kamen. Heute spräche man wohl von einem Baupfusch. Und das sahen offensichtlich auch die Verantwortlichen damals so: Die beiden Werkmeister wurden nämlich auf der Stelle verhaftet und eingekerkert. Doch viel schlimmer für die Neuburger war das Loch, das der Einsturz hinterlassen hatte.

    Hofkirche Neuburg: Am Anfang stand Entsetzen

    Die Pfalz – so nannte man die damaligen Verwaltungszentren, die über das gesamte Land verteilt waren – stand ohne Rathaus und ohne Kirche da. Schon damals ein Umstand, der die Entscheidungs- und Würdenträger zu einer Art Krisengipfel veranlasste. Erbprinz Wolfgang Wilhelm kam mit den wichtigsten Regierungsräten zusammen. Die Überlieferung zeigt: „Mit Entsetzen, ganz ungern“ habe er verstanden, dass der Turm eingestürzt war. Doch er wollte das Beste aus dem Unglück machen und befahl, das Stadtzentrum neu zu gestalten. Die Anordnung der Gebäude finden wir noch heute rund um den Karlsplatz.

    So kennen und mögen die Neuburger ihre Hofkirche: Seit 400 Jahren ziert sie den Karlsplatz in der oberen Altstadt. Diskussionen gab es in der Vergangenheit höchstens einmal über die Farbe der Außenfassade.
    So kennen und mögen die Neuburger ihre Hofkirche: Seit 400 Jahren ziert sie den Karlsplatz in der oberen Altstadt. Diskussionen gab es in der Vergangenheit höchstens einmal über die Farbe der Außenfassade. Foto: Fabian Kluge

    Vorrang hatte damals der Wiederaufbau des Rathauses, wie Kreisheimatpfleger Manfred Veit anmerkt: „Das war den Neuburgern viel wichtiger.“ Erst dann begann Wolfgang Wilhelm, den Kirchenneubau voranzutreiben – die heutige Hofkirche. Eine Katastrophe war also der Auslöser für den Bau einer der schönsten Sehenswürdigkeiten der Großen Kreisstadt.

    Die Hofkirche sollte aber viel mehr werden als nur die Pfalzkapelle. Denn 1595 – und damit zwölf Jahre vor dem Baubeginn des Neuburger Gotteshauses – wurde die Michaelskirche in München vollendet. „Das muss den Neuburgern richtig gestunken haben. Sie war nicht nur eine katholische Kirche, sondern gleichzeitig eine Machtdemonstration der Jesuiten“, erklärt Veit. Wolfgang Wilhelm setzte also alles daran, ein protestantisches Gegenstück zur Michaelskirche zu entwerfen.

    Mit 60 Metern Länge, 25 Metern Breite und 25 Metern Höhe reichten die Maße des Schiffs der Hofkirche zwar nicht ganz an das Münchner Gegenstück heran, „aber verstecken musste sie sich nicht“, sagt der Kreisheimatpfleger. Und tatsächlich ging der Bau in den ersten Jahren schnell voran. Doch die Liebe machte den ursprünglichen Plan Wolfgang Wilhelms, Neuburg in eine protestantische Musterstadt zu verwandeln, zunichte.

    Der Bau der Hofkirche lag zwischenzeitlich auf Eis

    Magdalena von Bayern hieß die Auserwählte. 1613 heirateten sie und der Erbprinz. Damit dies überhaupt möglich war, musste Wolfgang Wilhelm zum Katholizismus konvertieren. Zunächst heimlich – zu groß war der Groll seines Vaters. Der Bau der Hofkirche lag fortan auf Eis.

    Erst zwei Jahre nach der Hochzeit kam der Erbprinz nach Neuburg zurück. „Er fand einen Rohbau vor. Die Fenster fehlten. Der Putz fehlte“, fasst Veit den damaligen Zustand zusammen. Neukatholik Wolfgang Wilhelm setzte nun alles daran, das Gotteshaus in eine katholische Marienkirche zu verwandeln. Dazu holte er sich Unterstützung der Jesuiten – also derjenigen, die ihn mit dem Bau der Michaelskirche in München überhaupt erst zur Errichtung der Hofkirche angestachelt hatten. In der nachreformatorischen Zeit beschrieb wohl kein Bauwerk den Konflikt zwischen Protestantismus und Katholizismus so gut wie die Hofkirche.

    Noch heute erstrahlt der Innenraum der Hofkirche zum Großteil in weißer Farbe.
    Noch heute erstrahlt der Innenraum der Hofkirche zum Großteil in weißer Farbe. Foto: Fabian Kluge

    Die Rekatholisierung Neuburgs stand jedoch sprichwörtlich auf wackeligen Beinen: Wolfgang Wilhelm war nun fast schon besessen vom Neubau. Er übte auf die Arbeiter und Stuckateure großen Druck aus, indem er zum Teil selbst die Dienstaufsicht übernahm. Als er sich einmal in luftiger Höhe befand, stolperte er – das geht aus Aufzeichnungen der Jesuiten hervor. Nur weil ihn ein Anwesender auffing, stürzte der Erbprinz nicht in den Tod.

    Wie eilig es Wolfgang Wilhelm hatte, zeigt eine seiner Anordnungen, die Kunstliebhaber wohl verständnislos den Kopf schütteln lassen. Die Verantwortlichen konnten niemand geringeren als den weltberühmten Barockmaler Peter Paul Rubens gewinnen, um das große Bild im Hochaltar zu gestalten. 1618 ließ der Erbprinz „Das große jüngste Gericht“ in der Hofkirche anbringen. Das Problem: Der Stuck war noch lange nicht fertig. „Es müssen Dampf und Feuchtigkeit in dem Gotteshaus gewesen sein, weil der Gips ausgetrocknet ist – fast schon ein subtropisches Klima“, mutmaßt Kreisheimatpfleger Veit. Rücksicht auf das wertvolle Bild wurde nicht genommen.

    Elf Jahre nach dem Baubeginn, am 21. Oktober 1618, konnte die Hofkirche geweiht werden. Vor allem die Jesuiten zeigten sich stolz. In einem überlieferten Schriftstück schwärmen sie: „Die Gestalt ist von wunderbarer Schönheit, die Emporen sind geräumig, es gibt zwei Fürstenlogen und innen glänzt alles weiß.“ Darin findet sich auch ein Beleg, dass die Kirche außen ebenfalls weiß war. Die Farbe der Hofkirche führte in der Vergangenheit häufiger zu Diskussionen in Neuburg.

    Zur Einweihung der Hofkirche versammelte sich kirchliche Prominenz

    Zur offiziellen Weihe hatte sich jedenfalls die gesamte kirchliche Prominenz der damaligen Zeit in der Pfalz eingefunden. Darunter alleine drei Bischöfe aus drei unterschiedlichen Bistümern. „Das Gebiet gehörte aus religiöser Sicht ja zu den Bistümern Augsburg, Eichstätt und Regensburg. Dazu war ein vierter Weihbischof aus

    Rubens’ „Das große jüngste Gericht“ zierte einst den Hochaltar der Hofkirche. Mittlerweile befindet es sich in München.
    Rubens’ „Das große jüngste Gericht“ zierte einst den Hochaltar der Hofkirche. Mittlerweile befindet es sich in München. Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlung

    Über den Ablauf des Festtages hat der Kreisheimatpfleger ebenfalls gesicherte Kenntnisse: „Der Augsburger Bischof weihte zunächst die Kirche und den Hauptaltar.“ Daran schloss sich eine wohl mehrstündige Messe an. Das Mittagessen wurde im Schloss serviert. Am Nachmittag wurde eine Großzahl an Neuburgern gefirmt. „Der erste Firmling war übrigens Erbprinz Philipp Wilhelm mit gerade einmal drei Jahren“, berichtet Veit. Neben der Firmung wurden an dem Tag noch drei weitere Sakramente gefeiert: die Eucharistie, die Taufe und Gelegenheit zur Beichte.

    Bis die Hofkirche jedoch letztlich so aussah, wie wir sie heute kennen, dauerte es noch einmal elf Jahre. Denn erst 1629 wurde der Turm fertiggestellt – diesmal, bevor er einstürzte. Den Abschluss des Turms bildet eine Laterne und ein Kreuz, die Jesuiten bevorzugten jedoch die Bezeichnung Krone und schrieben dazu: „Eine Zierde der Kirche und der Stadt“.

    Morgen wird die Hofkirche also auf den Tag genau 400 Jahre alt. Wie der Zufall so will, ist der 21. Oktober wieder ein Sonntag. Wie damals sind eine festliche Messe und diverse Veranstaltungen geplant. Es bleibt zu hoffen, dass die Hofkirche auch in Zukunft die obere Altstadt schmückt.

    Heute finden im Rahmen der Veranstaltung „Wort, Klang, Bild“ um 19.30 und 20.30 Uhr zwei Führungen durch die Hofkirche statt. Am Festtag zelebriert Jesuitenpater Stefan Kiechle die Messe um 10.30 Uhr. Dazu bietet Anton Sprenzel, Administrator der Hofkirche, gemeinsam mit seiner Frau Kaye weitere Führungen durch das Gebetshaus an.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden