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Neuburg: Unfall: War es versuchter Totschlag?

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Unfall: War es versuchter Totschlag?

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    Ein Paketfahrer soll einen Fußgänger auf der parallel zur B 300 verlaufenden Ortsverbindung zwischen Schrobenhausen und Peutenhausen angefahren und dabei tödlich verletzt haben.
    Ein Paketfahrer soll einen Fußgänger auf der parallel zur B 300 verlaufenden Ortsverbindung zwischen Schrobenhausen und Peutenhausen angefahren und dabei tödlich verletzt haben. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Freitag, 25. Januar, kurz vor 7 Uhr: Die Ortsverbindungsstraße zwischen Schrobenhausen und Peutenhausen liegt noch im Dunkeln, erst langsam beginnt es zu dämmern. Ein 32-jähriger Paketfahrer aus Augsburg ist auf der alten B 300 unterwegs, er hat gerade seine Schicht beendet und ist auf dem Weg nach Hause. Plötzlich kracht es. Der Fahrer hält an und steigt aus. Er sieht sich um, findet einen Schuh, ein paar Meter weiter einen zweiten. Im Straßengraben entdeckt er schließlich einen älteren Mann, bewegungslos, komplett schwarz gekleidet. Anstatt die Polizei oder den Rettungsdienst zu rufen, fährt der 32-Jährige, der über keinen in Deutschland gültigen Führerschein verfügt, davon – aus Panik und weil er unter Schock stand, wie er sagt.

    Ungefähr so beschreibt der junge Mann, der am Mittwoch auf der Anklagebank im Sitzungssaal 42 des Neuburger Amtsgerichts sitzt, den Unfall, der für den 65-jährigen Fußgänger tödlich endete. So weit ist der Angeklagte geständig. Doch was passierte dann? Die Staatsanwaltschaft wirft dem 32-Jährigen fahrlässige Tötung, unerlaubtes Entfernen vom

    Amtsgericht Neuburg: Der Angeklagte zeigte Reue für seine Tat

    Der Angeklagte, der im Laufe der Verhandlung immer weiter in sich zusammensinkt, beteuert über eine Dolmetscherin: „Es tut mir alles sehr leid, ich möchte mich entschuldigen.“ Dann erzählt er, er habe den Unfallort nur verlassen, um in einem Stadtteil von Aichach einen Freund zu treffen, mit dessen Hilfe er den bewusstlosen Körper des 65-Jährigen in sein Auto laden und ins Krankenhaus bringen wollte. Er habe das zuerst alleine versucht, aber nicht geschafft, weil der Körper zu schwer und die Wirbelsäule des Mannes zu instabil gewesen sei. Er habe auch versucht, den Mann durch Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben. Gleichzeitig sagt er aus, der Mann habe noch selbstständig geatmet.

    Ein Autofahrer, der kurz nach dem Unfall auf derselben Strecke unterwegs war, berichtet im Zeugenstand, dass er angehalten und den Angeklagten gefragt habe, ob er helfen könne, dieser habe ihm allerdings signalisiert, es sei alles in Ordnung, er solle weiterfahren. Weitere Zeugen, die an diesem Morgen die Verbindungsstraße befuhren, erzählen, sie hätten keine Warnblinkanlage gesehen, kein Anzeichen, dass jemand Hilfe benötige. Die Situation habe eher den Eindruck erweckt, der Paketfahrer sei „kurz austreten“.

    Der Freund und Kollege, den der Angeklagte am Unfallmorgen kontaktierte, bestätigt in seiner Aussage die Version des 32-Jährigen. Dieser habe ihn am Telefon gebeten, ihn in Gallenbach zu treffen und ihn dann wieder zum Unfallort zu fahren, sodass er „seine Sachen erledigen“ könne. Diese Formulierung nimmt Staatsanwalt Frank Nießen zum Anlass, um nachzufragen, ob der Angeklagte damit nicht auch gemeint haben könnte, dass er seine Spuren beseitigen wolle. Nießen hält dem Zeugen seine Aussage bei der Polizei vor. Damals sagte dieser, sein Freund habe ihm im Auto verraten, der Fußgänger sei wahrscheinlich tot und er habe bereits Teile seines weißen Transporters eingesammelt, um nicht entdeckt zu werden.

    Die Polizei konnte den Paketfahrer schnell ausfindig machen

    Der 32-Jährige und sein Freund fuhren von Gallenbach gemeinsam zurück zur Unfallstelle, wie beide erzählen. Dort angekommen, hätten sie gesehen, dass bereits Rettungskräfte vor Ort waren. Eine Verkehrsteilnehmerin hatte gegen 7.45 Uhr den Notruf abgesetzt. Anstatt sich zu stellen, ließ sich der Angeklagte von seinem Kollegen zurück zu seinem Kastenwagen fahren, der noch in Gallenbach stand. Danach fuhren beide nach Hause. Wie die zuständigen Polizisten vor Gericht aussagen, hätten sie den beschädigten Transporter sowie den dazugehörigen Fahrer nach der Spurensicherung relativ schnell ausfindig machen können. Er wurde noch am Abend des Unfalltages verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

    Im Obduktionsbericht, den Richter Veh verliest, heißt es, dass eine „Rettbarkeit des 65-Jährige auch bei sofortiger medizinischer Versorgung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bestanden hätte“. Sein Tod wurde am 25. Januar um 8.52 Uhr im Schrobenhausener Krankenhaus festgestellt. Ursache: traumatischer Schock und Polytrauma.

    Nach der Vernehmung von sieben Zeugen fasst Veh den Beschluss: „Die Sache wird wegen des Verdachts eines Verbrechens des versuchten Totschlags durch Unterlassen ans Landgericht verwiesen.“ Die Beweisaufnahme habe nämlich vorläufig ergeben, dass der 32-Jährige den Unfallort nicht mit der Absicht verlassen habe, Hilfe zu holen, sondern um unentdeckt zu bleiben. Der Angeklagte habe den Tod des Fußgängers billigend in Kauf genommen. Er habe überhaupt nicht versucht, andere Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, um dem Schwerverletzten schnellstmöglich zu helfen. Bis der Fall vom Schwurgericht in Ingolstadt neu aufgerollt wird, können mehrere Monate vergehen. Bis dahin bleibt der 32-Jährige in Haft. Sollte der Mann schuldig gesprochen werden, droht ihm eine Gefängnisstrafe von zwei bis elf Jahren.

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