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Neuburg: Serie: „Der Zölibat ist nicht das Problem“

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Serie: „Der Zölibat ist nicht das Problem“

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    In seinem Garten mit Blick auf die Obere Schanz fühlt sich Vitus Wengert wohl. Die Nähe zur Natur erinnert ihn an das Haus, in dem er aufgewachsen ist. Auch sonst hat der gebürtige Schwabe Neuburg ins Herz geschlossen – bei der Sprache allerdings stieß die Integration an Grenzen.
    In seinem Garten mit Blick auf die Obere Schanz fühlt sich Vitus Wengert wohl. Die Nähe zur Natur erinnert ihn an das Haus, in dem er aufgewachsen ist. Auch sonst hat der gebürtige Schwabe Neuburg ins Herz geschlossen – bei der Sprache allerdings stieß die Integration an Grenzen. Foto: Marcel Rother

    Vitus Wengert ist 83 Jahre alt und wuchs als Ältestes von vier Geschwistern im schwäbischen Unterglauheim auf. Nach seinem Abitur in Haßfurt trat er in Dillingen ins Priesterseminar ein. Am 26. Mai 1963 empfing er die Priesterweihe. Nach Kaplansstellen in Kaufbeuren, St. Ulrich und Weißenhorn kam er im Herbst 1971 als leitender Pfarrer nach Neuburg, wo er 40 Jahre lang als Stadtpfarrer arbeitete.

    Herr Wengert, wenn man wie Sie ein halbes Leben als Stadtpfarrer in Neuburg gearbeitet hat, wie sehr ist Ihnen die Stadt ans Herz gewachsen?

    Vitus Wengert: Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. Oberbürgermeister Theo Lauber hatte recht, als er sagte: „In Neuburg kann man leben.“ Das kann ich bestätigen. Und doch hatte ich mich eigentlich darauf eingestellt, nach Ende meiner Zeit als Stadtpfarrer Neuburg wieder zu verlassen.

    Warum?

    Wengert: Weil das eigentlich immer so gehandhabt wird, wenn ein neuer Pfarrer kommt. Mir war klar, ich sollte Platz machen und wollte mich darüber hinaus auch nicht einmischen. Dann kam alles anders als gedacht. Es zeichnete sich ab, dass Heilig Geist und Sankt Peter zusammengelegt werden und nur ein Pfarrer nachkommt. Das änderte die Situation.

    Inwiefern?

    Wengert: Ich dachte mir: Wie soll der das schaffen? So bin ich dageblieben, damit wenigstens die Gottesdienste einigermaßen weiterlaufen konnten. Mein Nachfolger Herbert Kohler war einverstanden, was mich sehr gefreut hat. Unser Verhältnis ist ausgesprochen gut. Noch heute halte ich jeden Sonntag einen Gottesdienst, meistens in der Pfarreiengemeinschaft, die von Baiern bis Gietlhausen reicht. Das gibt mir das Gefühl, gebraucht zu werden.

    Also ist es doch bei Neuburg geblieben. Für einen gebürtigen Schwaben, Sie kommen aus Höchstädt, nicht immer ganz einfach, oder?

    Wengert: Höchstädt gehörte einst zum Fürstentum Pfalz-Neuburg, insofern war ich bereits ein Neuburger, ohne damals je in Neuburg gewohnt zu haben (lacht). Als ich die Stelle in Neuburg angeboten bekam, gehörte die Stadt zudem noch zu Schwaben. Das änderte sich allerdings bereits ein Jahr später durch die Gebietsreform, Neuburg wurde ein Teil Oberbayerns. Aber bereut habe ich es nie, sonst wäre ich nicht da geblieben. Eines jedoch war von Anfang an klar: Ich wusste, ich werde kein Bayerisch lernen. Und die Neuburger mussten wohl oder übel Schwäbisch lernen (lacht).

    Abseits der Sprachbarriere aber sind Sie in Neuburg angekommen?

    Wengert: Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich großes Glück hatte mit dem Reihenhaus am Donauwörther Berg, in dem ich zur Miete wohnen darf. Bei den Häusern handelt es sich um ehemalige Unterkünfte für Angestellte der Bundeswehr. Das Haus wurde durch Zufall frei und hat den Vorteil, dass ich einerseits in der Stadt und der Pfarrei bin und andererseits am Rand. Es ist ruhig hier und fühlt sich an wie in einem Dorf mit einer sehr guten Nachbarschaft. Das erinnert mich an meine Kindheit und an das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Damals konnte ich von der Küche über den Garten und ein Feld bis hin zum Waldrand schauen. Jetzt ist mein Nachbar ein Weizenfeld, über das ich bis zur Baumreihe an der Oberen Schanz schauen kann.

    Wenn Sie nicht gerade die Aussicht von ihrem Garten aus genießen, was machen Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?

    Wengert: Ich lasse es mir gut gehen, gehe gerne spazieren, lese viel und genieße gutes Essen.

    Vorbehalte gegenüber weltlichen Genüssen, die dem Christentum bisweilen nachgesagt werden, sind Ihnen offenbar fremd?

    Wengert: Als Geistlicher bin ich nicht zwangsläufig ein Kostverächter. Außerdem bin ich Pfarrer und kein Mönch (lacht).

    Sie gehen auch gerne auf Reisen, stimmt das?

    Wengert: Ja, in diesem Jahr war ich zusammen mit Herbert Kohler und Pfarrer Steffen Schiller in Armenien – dem ersten Land, das Anfang des vierten Jahrhunderts geschlossen christlich wurde. Das war sehr interessant. Im kommenden Jahr geht es nach Albanien.

    In Ihrem Alter, Sie sind inzwischen 83, haben viele Menschen Kinder und/oder Enkelkinder. Bedauern Sie manchmal, dass Ihnen als katholischem Pfarrer diese Erfahrung verwehrt blieb?

    Wengert: Nein, ich wusste, auf was ich mich eingelassen hatte und habe mich daran gewöhnt. Außerdem habe ich vier jüngere Geschwister und werde, wenn alles gut geht, bald den zweiten Enkel meines jüngsten Bruders taufen. Der Kontakt zu jüngeren Generationen ist also da.

    Die katholische Kirche hat in westlichen Ländern gerade einen schwierigen Stand, viele fordern Reformen, etwa die Abschaffung des Zölibats. Was sagen Sie dazu?

    Wengert: Der Zölibat ist meiner Meinung nach nicht mehr das Problem. Eher, dass Frauen nicht Priester werden können. Ich habe als Pfarrer immer gut mit evangelischen und katholischen Kollegen zusammengearbeitet, mit Männern wie Frauen gleichermaßen. Evangelische Kolleginnen haben ihre Arbeit genauso gut gemacht – uns dagegen steht in dieser Hinsicht bislang allerdings die Theologie im Weg.

    Silvester steht vor der Tür. Wie verbringen Sie den Jahreswechsel und was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

    Wengert: Ich werde am Nachmittag einen Gottesdienst in Sehensand halten und den Abend zuhause verbringen, vielleicht mit einem Gläschen Wein. Seit ich Rentner bin, ist mir der Jahreswechsel nicht mehr so wichtig, ich bin quasi zeitlos geworden.

    Fühlen Sie sich manchmal allein?

    Wengert: Nein, ich wohne immer noch mit meiner ehemaligen Haushälterin Josephine „Finni“ Maier zusammen. Sie selbst hat keine Familie mehr und ist mir über all die Jahre wie eine Schwester geworden. Ansonsten habe ich in Neuburg ein soziales Netzwerk, und dann ist da ja noch meine Familie bei Dillingen.

    Haben Sie einen Wunsch für das kommende Jahr?

    Wengert: Geistige und körperliche Gesundheit.

    Interview: Marcel Rother

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