Täglich wartet Maria Dittrich auf Post vom Kindergarten. Ihre Tochter Sophia wird im November vier Jahre alt und sollte ab Herbst in den Kindergarten gehen – eigentlich. Denn es gibt ein Problem.
Bayerns neuer Kultusminister Michael Piazolo hat sich recht kurzfristig dafür stark gemacht, Eltern mehr Mitspracherecht bei der Einschulung ihrer Kinder einzuräumen. Ab dem kommenden Schuljahr sollen Eltern von Kindern, die zwischen dem 1. Juli und dem 30. September sechs Jahre alt werden, nach Beratung und Empfehlung der Grundschule selbst entscheiden können, ob ihr Kind sofort oder erst ein Jahr später eingeschult wird. Auch bisher konnten diese pro Jahr rund 30.000 „Kann-Kinder“ um ein Jahr zurückgestellt werden – allerdings lag die Entscheidung letztlich bei der Grundschule.
Die Kindergärten stehen vor organisatorischen Herausforderungen
Nun also können die Eltern frei entscheiden. Die Konsequenz spüren nicht nur die Schulen, sondern auch die Kindergärten. Denn auch sie werden nun vor organisatorische Probleme gestellt.
Eigentlich wurde den Eltern, die ihr Kind in Neuburg für einen Kindergartenplatz angemeldet haben, im Februar, spätestens aber im März mitgeteilt, ob sie einen der begehrten Plätze ergattert haben. Die Einführung des Einschulungskorridors verzögert jetzt die komplette Vergabepraxis, sagt Heike Gomez, zuständige Sachbearbeiterin bei der Stadt Neuburg. Bis zum 3. Mai haben Eltern Zeit, sich zu entscheiden. Für die städtischen Kindergärten in Neuburg bedeutet das, dass wohl erst Mitte Mai den Eltern definitiv ein Kindergartenplatz zugesagt werden kann. „Natürlich werden wir eine gewisse Platzzahl zeitnah vergeben, aber wir müssen uns Plätze aufheben, falls doch noch Kinder bleiben“, sagt Gomez.
Von den 438 Mädchen und Buben in den fünf Kindergärten der Stadt Neuburg sind 20 bis 25 von dem neuen Einschulungskorridor betroffen, schätzt Gomez. „Das ist eine Gruppenstärke, also ganz schön viel.“ Diese Zahl könne man nicht so einfach abpuffern.
Kindergartenplätze: Eigentlich war Neuburg gut aufgestellt
Eigentlich war Neuburg in Sachen Kindergartenplätzen gut aufgestellt. So gut wie jedes Kind, das einen Platz wollte, hat einen bekommen. Sollten nun aber viele Eltern ihre Schulkinder zurückstellen und sich dafür entscheiden, es doch noch ein weiteres Jahr im Kindergarten zu lassen, könnte das zum Problem werden.
Auch im Montessori-Kindergarten im Neuburger Stadtteil Ried kämpft man mit der neuen Regelung. „Es ist schon umständlich“, sagt die stellvertretende Leiterin Martina Hiermeier, „bei einem kleinen Haus aber machbar.“ Die Eltern der vier betroffenen Kinder konnten persönlich abgefragt werden. Und sollten alle vier bleiben wollen, wäre das kein Problem.
Ähnlich sieht es in Burgheim aus. Fünf Kinder sind es dort, die wählen können zwischen Schule und Kindergarten. „Wir sind gut ausgestattet mit Plätzen“, sagt Edelgart Wuka, die in Burgheim für die Platzvergabe zuständig ist. „Wenn alle bleiben, würde uns das jetzt nicht aus der Bahn werfen. Es müsste kein Kind deswegen auf der Straße stehen.“ Geduld ist also vor allem bei den Neuburger Eltern gefragt, die natürlich gerne Planungssicherheit hätten. Auch Maria Dittrich wird wohl noch länger in den leeren Briefkasten schauen.
Eltern können sich in den Osterferien beraten lassen
Inwieweit sich das geänderte Mitspracherecht der Eltern bei den „Kann-Kindern“ auf die Grundschulen auswirkt, könne man jetzt noch nicht genau sagen, erklärt Schulamtsdirektorin Ilse Stork und verweist auf das Ende der Einschreibungsfrist am 3. Mai. Betroffene Eltern, die vor einer entsprechenden Entscheidung stehen würden, bekämen in den Osterferien die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. „Wir laden die Eltern zu einem Termin ein, bei dem sie zu diesem Thema umfangreich aufgeklärt werden. Danach haben sie noch einige Tage Zeit für ihre Entscheidung“, verdeutlicht Ilse Stork.
Grundsätzlich akzeptiert die Schulamtsdirektorin natürlich die neue Regelung des bayerischen Kultusministers, die Entscheidung der früheren oder späteren Einschulung in die Verantwortung der Eltern zu legen. Weil jedes Kind unterschiedlich sei, gebe es ohnehin keine generelle Antwort auf die Frage. „Wir können auch nur unsere Beratungstermine als Entscheidungshilfe für die Eltern anbieten“, sagt Ilse Stork. Letztlich bleibe aber schlichtweg nichts anderes übrig als abzuwarten, wie viele Kinder tatsächlich für das kommende Schuljahr eingeschult werden.