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Neuburg-Schrobenhausen: Mein Kind ist krank - und keiner kann mir helfen

Neuburg-Schrobenhausen

Mein Kind ist krank - und keiner kann mir helfen

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    Für manche Kinder ist der Start ins Leben ein schwieriger. Die Eltern dieser Kinder bekommen seit 20 Jahren medizinische und psychologische Unterstützung des Nachsorgevereins Elisa. 
    Für manche Kinder ist der Start ins Leben ein schwieriger. Die Eltern dieser Kinder bekommen seit 20 Jahren medizinische und psychologische Unterstützung des Nachsorgevereins Elisa.  Foto: Armin Weigel, dpa

    32 Zentimeter lang und 660 Gramm leicht. Das waren die Ausgangsmaße, mit denen David (Name geändert) in sein Leben startete. Ein Leben, das 16 Wochen zu früh auf dieser Welt begann. „Er war eine Handvoll Menschlein, ein bisschen länger als ein Lineal“, erinnert sich seine Mutter Inge Habermayr. Es ist Februar 1996, als David in der 24. Schwangerschaftswoche in Neuburg geboren wird. Sechs Wochen muss er beatmet werden, drei Monate liegt er im Inkubator – erst nach fast fünf Monaten darf ihn seine Mutter mit nach Hause nach Burgheim nehmen. Doch die Sorgen hörten damit nicht auf.

    Wenn heute eine Mutter mit ihrem Frühchen das Krankenhaus verlässt, dann hilft die Familiennachsorge Elisa, damit sich die Familie vor allem in den ersten Wochen daheim zurechtfindet. Regelmäßig kommt eine Kinderkrankenschwester nach Hause, mit der pflegerische und medizinische Fragen geklärt werden können. Sie ist aber auch psychologischer Beistand, wenn die Sorgen an den Nerven zerren. Seit mittlerweile 20 Jahren gibt es die

    Christiane Korell hat 20 Jahre bei der Elisa-Nachsorge gearbeitet

    Christiane Korell weiß genau, was damit gemeint ist. Die 67-Jährige aus Oberhausen war 40 Jahre lang Kinderkrankenschwester auf der Früh- und Neugeborenenstation im Neuburger Krankenhaus und von Anfang an bei Elisa dabei. Bevor die Familiennachsorge im Jahr 2000 gegründet worden war, mussten zu früh geborene Kinder drei bis sechs Monate, manche sogar noch länger, im Krankenhaus bleiben. Mindestens 3000 Gramm mussten die Kinder wiegen, ehe sie nach Hause durften. Die Mutter durfte nicht in der Klinik wohnen, sondern kam meist einmal am Tag, um Muttermilch abzupumpen und um das Kind auf ihren Bauch zu legen. Den Umgang mit Sauerstoff- und Beatmungsgerät haben sie erst kurz vor der Entlassung gelernt, was daheim zu viel Unsicherheit führte.

    So ging es auch Inge Habermayr. Die Überwachungsgeräte, die Davids Atmung und Puls kontrollierten, „haben ständig gepiepst und waren relativ laut“, erzählt die heute 58-Jährige. Belastender als die Geräusche war jedoch die ständige Anspannung. „Das erste Jahr war verdammt schwierig.“ Eine Auszeit haben sie sich nicht nehmen können, weil sich niemand die Obhut zutraute. „Alle hatten Angst, dass sie was falsch machen könnten“, sagt sie. Dabei wäre es ihr nicht nur um eine Entlastung gegangen – wenngleich sie immer wieder mit einem schlechten Gewissen habe kämpfen müssen, weil ihr fünfjähriger Sohn in dieser Zeit nicht die Aufmerksamkeit bekam, die er verdient hätte. Auch seelische Unterstützung hätte sie sich hin und wieder gewünscht. „Ich hätte so gerne mal mit jemandem über das geredet, was mich bedrückt, der mir vielleicht auch Mut zusprechen oder mir Sorgen nehmen kann.“

    Durch die Hilfe der Elisa-Familiennachsorge dürfen Frühchen früher nach Hause

    Die Mitarbeiter von Elisa sind nicht nur Pflegekräfte, sondern auch sozialrechtliche Berater, Therapeuten, Trostspender und Zuhörer. Sie kümmern sich nicht nur um die Kinder, sondern auch um die Mutter, die Partnerschaft und die Geschwisterkinder – und das alles kostenlos für die Familien. Angebote, die die Krankenkassen nicht tragen, werden über Spenden finanziert. Seit es den Nachsorgeverein gibt, dürfen Frühchen das Krankenhaus in der Regel auch zeitiger verlassen. Statt mehrerer Monate dürfen Eltern ihr Kind mitunter schon nach rund acht Wochen und einem Gewicht von 2000 Gramm nach Hause holen. Die quasi Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch die Kinderkrankenschwester von Elisa macht es möglich. „Man hat schnell gemerkt, dass es sich auf die Kinder positiv auswirkt, wenn sie früher nach Hause kommen“, hat Christiane Korell die Erfahrung gemacht.

    Was Zuneigung und intensiver Kontakt zu den Eltern bewirken kann, haben auch Martha und Alois Vogel aus der Nähe von Eichstätt erlebt, deren richtiger Name an dieser Stelle nicht erwähnt werden soll. Am 27. November 1992 kam ihr erstes Kind zur Welt: Michael. „Ich war mächtig stolz, dass es ein Sohn war“, gibt

    Die Hilfe durch die Elisa-Nachsorge wäre „ein Traum gewesen“

    Es ist der Heilig Abend 1993, als das Paar nach zwei längeren Klinikaufenthalten mit ihrem Bub nach Hause geschickt wird. Die Ärzte können nichts für ihn tun – wohl aber die Eltern. Sie lassen ihrem Kind alle Liebe und Fürsorge zukommen, die ihnen möglich ist. Stundenlang massieren sie dem Kind den Körper. Die Mutter versorgt die Magensonde, achtet darauf, dass die Beatmungsmaske die weiche Haut im Gesicht nicht aufreibt und saugt regelmäßig Sekret im Rachen ab. Der Vater spielt mit ihm nach Feierabend oder lässt ihn den Hasen streicheln, den sie ihm gekauft haben. Gleichzeitig geben sie die Hoffnung nicht auf, dass ihr Michael vielleicht doch – wie durch ein Wunder – gesund werden könnte. „Die Hoffnung braucht man, sonst packt man das nicht.“ Alois Vogel lässt nichts unversucht, das seinem Sohn helfen könnte und fährt dafür quer durch Europa. Wirklich helfen konnte ihnen letztlich aber niemand.

    „Wir waren immer allein“, erzählt der heute 68-Jährige. „Niemand wollte uns helfen – aus Angst, dass sie was falsch machen könnten.“ Dabei wäre es für seine Frau so gut gewesen, wenn sie aus dem Haus hätte gehen können, ohne sich Sorgen machen zu müssen. Doch professionelle Hilfe, wie sie heute die Elisa-Familiennachsorge bietet, gab es damals nicht. „Wenn jemand mit uns geredet, uns unterstützt hätte, das wäre für uns ein Traum gewesen“, sagt Alois Vogel.

    Viele Familien kennt Christiane Korell aus der Kinderklinik Neuburg

    Christiane Korell hatte als Kinderkrankenschwester an der Kinderklinik Neuburg auch mit dem Ehepaar Vogel guten Kontakt. Sie wusste genau, was in Eltern vorgeht, wenn sie mit einem kranken Kind entlassen werden, für das es keine medizinische Heilung gibt. „Mir war klar, dass es in Fällen wie diesen unbedingt Hilfe braucht“, erzählt sie. Und deshalb sei sie auch sofort dabei gewesen, als die Elisa-Nachsorge gegründet wurde. Unzählige Familien und deren Kinder hat sie in den 20 Jahren betreut: Frühchen, krebskranke Kinder, Kinder mit seltenen Gendefekten. Manche Kinder sind heute groß und gesund. Manche starben in den Armen der Mutter. Die enge Beziehung, die sich in dieser Zeit zwischen den Familien und Christiane Korell aufgebaut hat, hält in etlichen Fällen bis heute an. Noch heute bekommt sie Post zu Weihnachten, weil ihre Hilfe einst so goldwert war.

    Für das Ehepaar Vogel gab es diese Hilfe noch nicht. Sie halfen sich selbst – etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig. Eineinhalb Jahre waren Michael von den Ärzten gegeben worden. Am Ende wurde er fast fünf Jahre alt. „Ich glaube, er hat einfach die große Liebe gespürt, die von uns ausgegangen ist“, sagt sein Vater Alois. Am 24. September 1997 war jedoch seine Zeit vorbei.

    „Er war etwas Besonderes“, erinnert sich der 68-Jährige an seinen Sohn. Die Trauer über seinen Tod habe ihn lange Zeit begleitet. Heute könnte ihm die Elisa-Familiennachsorge auch bei der Trauerbewältigung zur Seite stehen. „Für uns wäre Elisa damals so hilfreich gewesen, das kann sich keiner vorstellen.“

    Lesen Sie dazu den Kommentar von Claudia Stegmann: Bleiben Sie gesund - mehr als nur ein Spruch

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