Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Neuburg-Schrobenhausen: Kondome, Pille & Co.: Hilft auch Neuburg künftig sozial Benachteiligten?

Neuburg-Schrobenhausen

Kondome, Pille & Co.: Hilft auch Neuburg künftig sozial Benachteiligten?

    • |
    Die Antibabypille ist neben Kondomen eines der beliebtesten Verhütungsmittel.
    Die Antibabypille ist neben Kondomen eines der beliebtesten Verhütungsmittel. Foto: Martina Diemand

    Sie ist Anfang 30 und Mutter von zwei kleinen Kindern. Ihr Mann ist krank und kann nicht mehr arbeiten. Sie selbst ist ebenfalls zuhause, um die Kinder aufzuziehen. Plötzlich ist die Frau wieder schwanger – ungewollt. Doch für ein drittes Kind fehlt ihr die Kraft und auch das Geld. Also geht sie zur Abbruchberatung der Schwangerschaftsberatungsstelle am Neuburger Landratsamt. Um das Baby legal abtreiben zu lassen, muss sie beim Arzt einen Schein vom Amt vorlegen. Im Gespräch mit Beraterin Johanna Ehm stellt sich heraus, dass die Frau sich verzweifelt eine langfristige Lösung wünscht, um die Familienplanung abzuschließen. Das passende Verhütungsmittel kann sie sich jedoch nicht leisten.

    Gibt es bald einen Verhütungsmittelfonds für Neuburg-Schrobenhausen?

    Mit Fällen wie diesem hat Sozial- und Sexualpädagogin Johanna Ehm häufig zu tun. Kürzlich war auch eine Frau bei ihr, die schon sechs Kinder hat, depressiv ist und der das Geld fehlt, um sich eine neue Spirale einsetzen zu lassen. Hormon- oder Kupferspiralen werden der Frau zur Verhütung in die Gebärmutter eingelegt, sie wirken mehrere Jahre, kosten allerdings zwischen 180 und 420 Euro. Der Preis für eine Sterilisation (Durchtrennung der Eileiter) liegt bei circa 700 Euro, für eine Vasektomie (Durchtrennung der Samenleiter) bei rund 500 Euro.

    2020 hat Johanna Ehm 76 ergebnisoffene Abbruchberatungen durchgeführt. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es 60, 2017 49 Beratungen. Die meisten Frauen kämen zu ihr, weil sie extreme Zukunftsängste plagen, weil sie völlig erschöpft oder überfordert sind, erzählt Johanna Ehm. In der Corona-Krise mehr denn je. Und viele Frauen kommen nicht zum ersten Mal in die Abbruchberatung, sondern zum wiederholten Mal, haben teils schon ein oder zwei Schwangerschaftsabbrüche hinter sich, berichtet Ehm. „Oft haben sie auch schon Kinder und trauen sich einfach kein weiteres zu.“

    Das Problem ist nach Ansicht der Sozial- und Sexualpädagogin folgendes: Während ein Schwangerschaftsabbruch (Kosten: 350 bis 600 Euro) für einkommensschwache Menschen bezahlt wird, ist der Zugang zu sicheren und langfristigen Verhütungsmitteln kostenintensiv und einkommensabhängig. Das findet Johanna Ehm nicht richtig. „Familienplanung ist ein Menschenrecht!“, sagt sie. Und mit dieser Meinung ist sie nicht alleine. Immer mehr Landkreise und kreisfreie Städte führen deshalb einen Fonds ein, der sozial schwachen Personen die Kosten für Verhütungsmittel erstattet. So auch in der Region 10: Pfaffenhofen hat seit 2019 einen „Verhütungsmittelfonds“ über 3000 Euro pro Jahr, die Stadt Ingolstadt hat zu Jahresbeginn einen „Familienplanungsfonds“ über 30.000 Euro eingerichtet.

    Ob Neuburg-Schrobenhausen ebenfalls einen solchen Fonds einführt, soll der Sozialausschuss des Kreistags beschließen.
    Ob Neuburg-Schrobenhausen ebenfalls einen solchen Fonds einführt, soll der Sozialausschuss des Kreistags beschließen. Foto: Christophe Gateau, dpa (Symbolfoto)

    Ob der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen ebenfalls einen solchen Fonds einführt, soll der Sozialausschuss des Kreistags am 18. März beschließen, teilt Pressesprecherin Sabine Gooss auf Nachfrage mit. Im Raum steht eine Summe von 8000 Euro pro Jahr. Sie orientiert sich an der Einwohnerzahl im Landkreis. Der Fonds ist gedeckelt. Die Kostenübernahme ist eine rein freiwillige Leistung, es besteht kein Rechtsanspruch, erklärt Johanna Ehm.

    Die 40-Jährige hofft sehr, dass sich der Sozialausschuss für den Verhütungsmittelfonds ausspricht. Ihr würden sofort mindestens fünf Menschen einfallen, denen sie dieses Angebot gerne unterbreiten würde. Und Ehm ist nicht die einzige, die auf einen positiven Beschluss des Ausschusses hofft. Der „Verhütungsmittelfonds“ ist ein Kooperationsprojekt der Staatlich Anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen am Gesundheitsamt, für die Ehm arbeitet, der Gleichstellungsstelle, des Vereins Frauen beraten e.V. und des Koki (Koordinierende Kinderschutzstelle) Netzwerks Frühe Hilfen des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen.

    Familie und Verhütung: benachteiligte Menschen sollen sich bewusst entscheiden

    Und auch der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) habe sich bereit erklärt, passende Fälle weiterzuvermitteln, obgleich er nicht direkt am Projekt beteiligt ist, erzählt Ehm. Alle sehen den Bedarf. Über Gynäkologen, Urologen und das Jobcenter wollen sie das Angebot publik machen – sofern der Sozialausschuss zustimmt. Das Angebot würde dann für Männer und Frauen, die Sozialleistungen empfangen (siehe Infokasten), gleichermaßen gelten, sagt Johanna Ehm. Geld könnte zum Beispiel beantragt werden für Kondome, die Antibabypille und die genannten langfristigeren Verhütungsmittel.

    Ehm: „Unser Ziel ist es, benachteiligten Frauen, Paaren und Familien eine bewusste Entscheidung zur Familienplanung zu ermöglichen und damit ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Wir nehmen das Recht des Kindes auf Leben sehr ernst, aber eben auch das Selbstbestimmungsrecht der Frau.“

    Wie viele Schwangerschaftsabbrüche man durch den Fonds verhindern könnte, darüber will die Sozialpädagogin nicht spekulieren. Doch es gebe Studien, die belegten, dass die Abbruchquote stark mit der Armutsgefährdung zusammenhänge, sagt Johanna Ehm. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung würden ungefähr ein Viertel aller Frauen in Sozialleistungsbezug ungewollt schwanger.

    Lesen Sie dazu auch:

    Vitaminkapseln und Co. können der Gesundheit schaden

    Sexualaufklärung am besten vor der Pubertät

    Experten: Paare haben besseren Sex dank Corona

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden