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Neuburg-Schrobenhausen: Den Biber vor der Flinte

Neuburg-Schrobenhausen

Den Biber vor der Flinte

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    Abgefangener Biber in der Auffangstation in Karlshuld. Jungtiere können derzeit noch weitervermittelt werden, zuletzt gingen zwölf Tiere aus dem Donaumoos nach England.
    Abgefangener Biber in der Auffangstation in Karlshuld. Jungtiere können derzeit noch weitervermittelt werden, zuletzt gingen zwölf Tiere aus dem Donaumoos nach England. Foto: Gemeinde Berg im Gau

    Eigentlich possierlich die Tierchen, gibt Helmut Roßkopf zu, wenn er sich durch die Bilderserie klickt. Der Bürgermeister von Berg im Gau hat die Schäden, die Biber auf der Gemeindeflur in jüngster Zeit verursacht haben, dokumentiert und auf seinem Rechner gespeichert. „Ich bin nicht gegen den Biber“, sagt er, doch die Population im Donaumoos habe überhand genommen. Roßkopf weiß das genau, denn der nebenamtliche Rathauschef ist zugleich Leiter seines kommunalen Bauhofs. Und in dieser Funktion ist er nicht nur Ansprechpartner für Betroffene, er darf die Schäden vor Ort gleich selbst beseitigen. Und es werden immer mehr, pflichtet sein Gachenbacher Kollege Alfred Lengler bei. Die Hinterlassenschaften des tierischen Baumeisters zu beheben, koste ihn viel Zeit und Geld. Zudem säßen ihm aufgebrachte Landwirte im Nacken. Die beiden Bürgermeister haben sich deshalb für einen Abschuss des Bibers im Landkreis stark gemacht und auf der Fachtagung vor Wochenfrist im Haus im Moos nachdrücklich dafür geworben.

    Castro fiber, so der lateinische Gattungsname der Art, gilt als Schlüsselart für den Lebensraum Wasser. Er gestaltet durch das Fällen von Bäumen und Errichten von Dämmen aktiv seinen Lebensraum und schafft im Zuge dieses dynamischen Prozesses vielfältige Biotope für zahlreiche bedrohte und seltene Arten. Und die Tiere realisieren durch die Renaturierung von Fließgewässern den Rückhalt von Sedimenten und die Anlage von Pufferstreifen Ziele der Wasserwirtschaft. Naturschützer sind begeistert, Landwirte und Kommunen jedoch weniger. Denn der Biber untergräbt mit seinen Aktivitäten im Wortsinn die Infrastruktur entlang der Gewässer, beschädigt Nutzholz, frisst Feldfrüchte, staut Gräben auf und setzt Flächen unter Wasser. Diese Konflikte entschärft und moderiert das Bibermanagement, im Landkreis schon seit Beginn der 90er Jahre.

    Doch die Population wächst und gedeiht, auf geschätzte 20000 Tiere an 5500 Vorkommen wird der Bestand im Freistaat mittlerweile geschätzt. Hotspots, also Konfliktfälle, gebe es heute keine mehr, meint Gerhard Schwab, Bibermanager des Bundes Naturschutz, trotzdem. Fast 500 örtliche Biberberater schlichten und vermitteln vor Ort, erklärte er auf der Biberfachtagung. „Der Biber ist eine geschätzte Art, die sehr viel macht für die Ökologie“, so der streitbare Wildbiologe. Allerdings, schränkte er ein, treten in der Kulturlandschaft Konflikte mit dem fleißigen Auengestalter ein.

    Für Helmut Roßkopf klingt das beinahe wie Hohn. Eine andere Zahl, die ebenfalls auf der Fachtagung fiel, deute in eine ganz andere Richtung. 1400 Biber wurden im Vorjahr in Bayern aus der Landschaft entnommen, im Klartext meist getötet. Und das, obwohl die Art nach EU- und Bundesrecht eigentlich streng geschützt ist. Doch es gibt Ausnahmegenehmigungen, wenn Kläranlagen oder Hochwasserdämme durch Biberaktivitäten in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Problem sieht auch Landrat Roland Weigert und sagt, „kommunale Kläranlagen müssen biberfrei gehalten werden“.

    Das Bibermanagement im Landkreis funktionierte überwiegend gut, doch es gebe einige hartnäckige Fälle, gibt der Landkreischef zu. „Bisher habe ich eine sehr restriktive Linie beim Abschuss gefahren, der Vollzug mit der Waffe wird aber immer wieder gefordert und funktioniert andernorts bisweilen auch gut.“ Relevant sind für Weigert, selbst Revierpächter, jagdrechtliche Vorschriften. „Wenn Kugel, dann kurz und effektiv“, möchte er nur waidgerechte Abschüsse durch erfahrene Jäger zulassen. So regelt es auch das Naturschutzrecht. Auf den Pelz gerückt werden darf dem Biber in der Zeit vom 1. September bis 15. März. Allerdings gilt der Fallenfang in Fachkreisen als effektivere Variante, denn tierschutzrechtlich ist die Ansitzjagd nicht unproblematisch. Ist der Schuss nicht tödlich, kann das Tier im Wasser verschwinden und dann im Bau jämmerlich verenden.

    Dem möchte Siegfried Geißler, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, vorbeugen. Kläranlagen sollen deshalb eingezäunt werden. Angeschossene Tiere könnten so nicht ausbüxen und verschwinden. „Wenn das Gelände eingezäunt ist, kann man den Biber waidgerecht erlegen“, sagt der Experte. Das Vorgehen sei in der jüngsten Umweltausschusssitzung des Kreistags beschlossen worden. Jeder Einzelfall muss von der Behörde genehmigt, der Bedarf begründet werden – für jeden Standort. Den Jäger bestimmt die Gemeinde, allerdings muss der Abschuss mit der Jagdgenossenschaft und dem Revierpächter abgestimmt werden.

    Helmut Roßkopf schüttelt den Kopf. Einzäunen werde er seine Klärteiche auf keinen Fall. „Ganz sicher nicht, das sind 1,2 Hektar Fläche. Wer soll das bezahlen?“ Mit dem Abschuss strebe man doch gerade eine pragmatische Lösung an und wolle die Sache nicht verkomplizieren. Genau das sei die Crux beim bisher praktizierten Lebendfang, der aufwendig sei und oft erfolglos bleibe. Rund die Hälfte der 2200 Hektar Gemeindefläche von Berg im Gau liegen im Donaumoos. Außer dem Arnbach, der in den Launer Graben mündet, gibt es keinen einzigen natürlichen Bach in der Flur. „Die Donaumoosgräben müssen frei gehalten werden, Biberdämme sind da völlig kontraproduktiv. So entwässern die Gräben nicht mehr, sondern sie bewässern“, verweist Roßkopf auf die besondere Topografie im Moos. Und Alfred Lengler verweist auf die Situation in Gachenbach: Sogar die kleinsten Gräben seien vom Biber besetzt, der Zorn der Landwirte im Paar- und Weilachtal ist ihm dadurch sicher. „Verstopfte Dränagen, eingebrochene Traktoren oder Mähdrescher verursachen hohe Kosten“, zählt er auf. Der Kollege pflichtet ihm bei und erzählt von Jagdversammlungen, die für einen Bürgermeister nicht vergnügungssteuerpflichtig seien. Regelmäßig werde er dort massiv angegangen.

    Mit Problemtieren kämpfen auch die Kommunen. In Berg im Gau haben sich einige Nager in der Kläranlage eingenistet und zerstören immer wieder den Damm an den beiden Klärteichen. Das Wasser läuft aus. „Wir bleiben auf einem finanziellen Schaden von einigen tausend Euro sitzen“, klagt Helmut Roßkopf. Dabei stellt das Umweltministerium pro Jahr 450000 Euro zur Schadensregulierung zur Verfügung. „Zu wenig“, findet er. „Wenn die Gesellschaft den Biber will, dann muss der Staat, der die Wiederansiedlung veranlasst hat, auch für die Folgen aufkommen. Wenn ich heute einen Autounfall baue, muss meine Versicherung auch alles bezahlen und nicht nur einen Teil. So geht’s doch nicht“.

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