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Neuburg/Schrobenhausen: Corona hat „Tränen, Wut und Frust“ bei Heimkindern erzeugt

Neuburg/Schrobenhausen

Corona hat „Tränen, Wut und Frust“ bei Heimkindern erzeugt

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    Im Sommer wurde im Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef Schrobenhausen der Unterricht auf den Balkon verlegt. 
    Im Sommer wurde im Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef Schrobenhausen der Unterricht auf den Balkon verlegt.  Foto: Kinderzentrum St. Josef

    Von der Politik in der Corona-Krise vergessen – so fühlen sich die stationären Jugendhilfeeinrichtungen im Landkreis. Die zusätzlichen Herausforderungen im Lockdown für das Personal sind enorm, finanzielle Unterstützung gibt es nur bedingt, Überstunden sind vorprogrammiert.

    „Wir versuchen, das so gut es geht abzupuffern und die zusätzliche Zeit irgendwo herauszuknipsen“, erklärt Tanja Wimmer, Einrichtungsleiterin der gemeinnützigen GmbH Regenbogen Wohnen in Neuburg. Zusätzliches Personal fürs Homeschooling wurde nicht eingestellt. Ohnehin wäre es schwierig gewesen, dafür jemanden spontan und ohne Planungssicherheit zu finden. „Wenn ich wüsste, es gibt einen Lockdown für drei Monate, wäre das etwas anderes“, meint sie. Doch so müssten die Wohngruppenleiter die Bürokratie irgendwie nebenbei schaffen. In normalen Schulzeiten nutzen sie den Vormittag für Büroarbeit und alles, was sonst noch anfällt.

    Regenbogen GmbH: Homeschooling nebenbei bewerkstelligt

    Auch finanziell sei es schwierig. Die zehn Prozent Aufschlag zum Tagessatz für Mehraufwand würden vorne und hinten nicht reichen. Zudem würden die 15 Jugendämter, für die Regenbogen Kinder betreut, die Zahlung unterschiedlich handhaben. „Manche zahlen unbürokratisch zehn Prozent mehr, andere wollen, dass ich zusätzliche Fachleistungsstunden beantrage“, erzählt Tanja Wimmer, die sich eine einheitliche Regelung wünscht, ohne den einzelnen Jugendämtern einen Vorwurf zu machen. Hier sei die Politik gefragt.

    Sieben bis acht Schüler verschiedener Altersstufen und Schularten im Homeschooling zu betreuen, sei wahrlich kein Zuckerschlecken für die Wohngruppenleiter in der stationären Jugendhilfe. „Immerhin ist es im zweiten Lockdown schon viel besser als während des ersten“, sagt die Einrichtungsleiterin, „aber es ist immer noch eine riesige Herausforderung“. Der Morgen beginne mit dem Sortieren und Zuordnen der Schul-E-Mails, die alle an ein Postfach gehen. Mit das Schwierigste sei es, die Motivation der Kinder und Jugendlichen aufrechtzuhalten, was bei den Jüngeren noch leichter funktioniere. „Sie brauchen Struktur und nehmen das gerne an“, sagt Tanja Wimmer. Jugendliche hätten dagegen oft schon Probleme mit dem Aufstehen, zumal nicht von allen Präsenz gefordert wird. Manche Schulen würden nur Material schicken, ohne (tages)zeitliche Vorgaben, sodass die Schüler frei in ihrer Tagesgestaltung sind – mit allen Vor- und Nachteilen. „Je größer, desto diskutierfreudiger“, beschreibt die Pädagogin ihre Schützlinge augenzwinkernd und bilanziert: „Schule ist in Corona-Zeiten nicht einfacher geworden, auch weil sich alle Nase lang etwas ändert.“

    Homeschooling für Jugendhilfeeinrichtungen eine „riesige Herausforderung“

    Fast ist es ihr lieber, wenn alle zuhause sind, ehe es mit Wechselunterricht und ständigen Schulschließungen und -öffnungen zu noch mehr Unruhe in den insgesamt vier Gruppen kommt. Von Corona-Fällen und Quarantänemaßnahmen blieb die Einrichtung bislang verschont. Manche Kinder seien über die Schule nur als Kontaktpersonen indirekt betroffen gewesen. Insgesamt seien sie gut durchgekommen, findet Tanja Wimmer, und lobt Kinder wie Mitarbeiter.

    Im Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef Schrobenhausen gab es eine Quarantänesituation in der Wohngruppe der 14- bis 18-Jährigen. „Wenn Jugendliche in der Pubertät ihre Wohngruppe 14 Tage lang nicht verlassen dürfen, dann wird es schwierig“, erzählt Einrichtungsleiter Peter Schönherr und spricht sowohl Betreuern als auch Jugendlichen ein großes Kompliment aus. Denn sie hätten es mit „allen nur erdenklichen emotionalen Reaktionen, vielen Tränen, Wut, Frust und Anspannung am Ende doch gut hinbekommen“. Das Kinderzentrum kümmert sich um 42 Kinder stationär und 33 in der Tagesbetreuung. „Jugendhilfe-Einrichtungen wie wir fallen in der Corona-Krise hinten runter“, klagt Schönherr. Zwar sei die Jugendhilfe „nicht komplett vergessen worden“, doch im Vergleich zu Krankenhäusern und Pflegeheimen fühlt er sich stiefmütterlich behandelt, von staatlichen Unterstützungsgeldern in Milliardenhöhe für (große) Wirtschaftsunternehmen ganz zu schweigen.

    St. Josef Schrobenhausen: Mehraufwand durch Corona wird kaum bezahlt

    Um das Homeschooling bewältigen zu könnten, musste St. Josef zusätzliches Personal einstellen. Zwar gewährleiste das Jugendamt weiterhin die Finanzierung der Tagesgruppen, und für stationäre Gruppen würden zehn Prozent Aufschlag bewilligt. „Aber das deckt den Mehraufwand bei weitem nicht“, sagt Schönherr, „das meiste bleibt am Träger hängen“. Der Mehraufwand für Hygienematerial einschließlich FFP2-Masken für Personal und Kinder ab 14 Jahre werde überhaupt nicht refinanziert, allein dafür rechnet er mit fünfstelligen Beträgen. Auch die Einmalzahlung für das Personal, die der Dachverband Caritas beschlossen hat, muss die Stiftung selber tragen. „Diese Zahlung ist wichtig und richtig“, betont Schönherr, „unsere Mitarbeiter haben unendlich viel geleistet“. Schwierig sei es dennoch für die katholische Waisenhausstiftung Schrobenhausen, das aus eigenen Mitteln zu stemmen. Die Stiftung sei auf staatliche Stellen angewiesen, bestätigt Pfarrer Georg Leonhard Bühler als Kuratoriumsvorsitzender.

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