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Neuburg-Schrobenhausen: Aufgehobene Impfpriorisierung bei Hausärzten: Telefone stehen nicht still

Neuburg-Schrobenhausen

Aufgehobene Impfpriorisierung bei Hausärzten: Telefone stehen nicht still

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    Künftig sollen in Hausarztpraxen nicht mehr nur Angehörige aus Risikogruppen geimpft werden. Die bayerische Staatsregierung hat die Priorisierung zum heutigen Donnerstag aufgehoben.
    Künftig sollen in Hausarztpraxen nicht mehr nur Angehörige aus Risikogruppen geimpft werden. Die bayerische Staatsregierung hat die Priorisierung zum heutigen Donnerstag aufgehoben. Foto: dpa (Symbol)

    Bayern prescht voran. Ab Donnerstag ist die Impfpriorisierung für Hausärzte aufgehoben, wie Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Montag mitteilte. Sie dürfen ihre Patienten nun theoretisch unabhängig von Alter, Vorerkrankung und Beruf gegen das Coronavirus impfen. Für Mattias Fischer-Stabauer ist das ein Grund zur Freude: „Das macht alles deutlich leichter“, sagt der corona-koordinierende Arzt für den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Denn statt vorher aufwendig abklären zu müssen, wer zu welcher Prioritätsgruppe gehört, gilt nun das Prinzip: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagt der Neuburger Hausarzt. Lediglich Menschen aus der ersten Prioritätsgruppe, die in Ausnahmefällen noch nicht geimpft wurden, würden vorgezogen.

    Mittlerweile spielen die Hausärzte eine wichtige Rolle in der Impfkampagne. Bislang haben sie laut Kreiskrankenhaussprecherin Stefanie Schmid im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen 7791 Erst- und 377 Zweitimpfungen verabreicht. Insgesamt, also gemeinsam mit den Impfzentren, sind es 26.031, respektive 10.121.

    Hausärzte sind mittlerweile eine wichtige Säule in der Impfkampagne gegen Corona

    Patienten können in der Praxis von Matthias Fischer-Stabauer den Impfstoff selbst wählen, Biontech, AstraZeneca und ab Montag, 24. Mai, auch Johnson & Johnson. Die Wahl beeinflusst dabei natürlich, wie schnell jemand drankommt, denn noch immer sind einige Menschen insbesondere gegenüber AstraZeneca skeptisch, wie Fischer-Stabauer feststellt.

    Aber führt das neue Prozedere nicht zu einem noch größeren Ansturm auf die Arztpraxen? „Der ist doch eh schon längst da“, sagt er. Auch wer nur ein Rezept braucht, müsse sich auf lange Wartezeiten gefasst machen: „Das Telefon steht nicht mehr still. Wir schieben alle Überstunden.“ Ungefähr 700 Patienten stünden aktuell auf seiner Warteliste für eine Impfung und jede Woche kämen circa 100 neue hinzu. In der vergangenen Woche konnten er und sein Team 150 Menschen impfen, in dieser Woche sind 50 geplant. Bei diesen Zahlen wird klar: Die Aufhebung der Priorisierung führt kurzfristig nicht dazu, dass plötzlich jeder der will, auch eine Impfung bekommt. Noch sind die Vakzine knapp. Der Oberhausener Hausarzt Bernhard Partzsch hat laut Fischer-Stabauer in dieser Woche beispielsweise nur 18 Dosen bekommen, obwohl auch bei ihm 300 Patienten auf der Warteliste stehen.

    Die Aufhebung der Priorisierung wird nicht dazu führen, dass plötzlich jeder geimpft wird

    Fischer-Stabauer würde gerne auch an Samstagen impfen, „in der Praxis wären alle dazu bereit“, sagt er. Dem kommt entgegen, dass die Europäische Arzneimittelagentur kürzlich die Haltbarkeit des Biontech-Vakzins von fünf auf 31 Tage hochgestuft hat. Weil die Impfstoffe aktuell nur montags an die Praxen geliefert werden, waren Impfsamstage mit Biontech vorher nicht möglich.

    Die Aufhebung der Priorisierung sorgt aber auch für Kritik. Im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen nannte beispielsweise Carsten Watzl die Aufhebung „problematisch“. „Wenn wir jetzt zu schnell freigeben, schützen wir nicht gut und früh genug die Menschen, die den Schutz am nötigsten haben“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

    Auch Fischer-Stabauer berichtet von Kollegen, die die Entscheidung als „unverantwortlich“ bezeichnen und vor Patienten warnen, die meinen, jetzt ein Anrecht auf eine sofortige Impfung zu haben. Fischer-Stabauer ist hier jedoch zuversichtlich: „Bis jetzt gab es keinen Fall, den wir nicht mit Freundlichkeit und Geduld lösen konnten.“

    Obwohl es immer noch an Impfstoff mangelt, werden viele immer ungeduldiger und frecher

    Diese beiden Tugenden sind derzeit wohl in allen Praxen gefragt. Dort stehen die Telefone nicht mehr still, wie eine Arzthelferin aus einer Praxis im Donaumoos erzählt. Die Menschen würden immer ungeduldiger, frecher und fordernder: „Sie können sich gar nicht vorstellen, mit welchen Tricks die Leute versuchen, an einen Impfstoff rankommen wollen.“

    Stunden verbringt sie mit Diskussionen am Telefon, erklärt die Situation des nach wie vor herrschenden Impfstoffmangels, vergibt Termine und vergibt sie am nächsten Tag erneut, weil viele Patienten inzwischen nur noch zusagen, wenn sie definitiv Biontech bekommen, so ihre Erfahrung. „Wir sind hier kein Impfzentrum mit einem Online-System. Wir geben hier alle Daten händisch ein, suchen im Kalender nach einem passenden Termin für die Zweitimpfung, füllen Anamnesebögen aus und telefonieren uns die Finger wund.“ Und dann bekomme man nicht mal zuverlässig den Impfstoff, den man bestellt hat.

    Sie ist sich nicht sicher, ob die Aufhebung der Impfpriorisierung jetzt der richtige Zeitpunkt war – zumal ihre Praxis vorerst einmal daran festhält: „An irgendwas müssen wir uns ja orientieren.“

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